Kaum im Amt, hat die neue Regierung von Emmanuel Macron ihre erste Krise zu bewältigen. Sie wird ausgelöst durch hohe Moralansprüche an sich selbst, und sie dreht sich, wie so häufig, um die illegale Finanzierung von Parteiarbeit.
Worum geht es? Macrons Koalitionspartner, die kleine liberale Partei MoDem, hat offenbar, wie schon zuvor Marine Le Pens Front National, Parteimitarbeiter mit Geld für Assistenten des Europäischen Parlaments bezahlt.
Die tugendhafte, von eher nordischen Moralitätsansprüchen geprägte Verteidigungsministerin Sylvie Goulard hat daraus die Konsequenzen gezogen und darum gebeten, nicht mehr Teil der neuen Regierung zu sein.
Macron wollte keine große Umbildung der Regierung, die traditionsgemäß nach den Parlamentswahlen noch einmal nachjustiert wird. Goulard war ein Trumpf. Er wollte sie nicht ziehen lassen. Aber sie lehnte es ab, in juristische Voruntersuchungen als Ministerin verwickelt zu sein.
Drei Schlüsselminister weg
Damit hat Goulard jedoch ihre beiden anderen MoDem-Kollegen, den Justizminister und die Europaministerin, so unter Zugzwang gesetzt, dass Macron mit einem Schlag drei Schlüsselminister verliert.
Es ist für die neue Regierung keine existenzielle Krise, weil sie im Parlament über die absolute Mehrheit verfügt. Aber zum ersten Mal ist Macron als Krisenmanager gefragt. Gut möglich, dass er diese mit Eleganz meistern wird.
So hat er schon seinen in Bedrängnis geratenen Minister Richard Ferrand nach der Wahl in einer geschickten Rochade zum Fraktionschef gemacht. Nicht auszuschließen, dass Macron auch diese Krise nutzt, um prominente Konservative in seine Regierung zu holen.
Wird der Königsmacher Bayrou gehen müssen?
Man kann sogar vermuten, dass Macron in Wahrheit der größte aller Machiavellisten ist, der sich seines Königsmachers François Bayrou bei der ersten Gelegenheit entledigt.
Denn MoDem-Chef Bayrou war als Justizminister mit dem ersten großen Gesetzesprojekt betraut: der Moralisierung der Politik. Dafür kann er nicht stehen, solange die Justiz die Frage der Parlamentsassistenten nicht geklärt hat.
Bayrou hätte es Macron teuer bezahlen lassen, wenn er ihn abgesägt hätte. So ist es seine eigene Parteikollegin Goulard, die den Zugzwang ausgelöst hat. Der Abgang des zur Selbstüberschätzung neigenden Bayrou mag bei vielen Macronisten für Erleichterung gesorgt haben.
Macron hat den großen Neubeginn, die Tugendhaftigkeit der Politik versprochen. Die erste Krise ist der Beweis, dass dies mit dem alten Personal der Politik nicht so leicht geht. Doch der Präsident muss aufpassen: Die Revolution frisst gern ihre eigenen Kinder.