Als Onlinehändler ist Mister Spex die deutsche Nummer eins im Brillenmarkt. Schön. Aber die Zukunft heißt für Unternehmensgründer Dirk Graber Multichannel. Also baut das Unternehmen sein Filialnetz aus. Top-Lagen und Top-Metropolen sind gefragt.

Der Laden im Alexa von Mister Spex: Schneller Durchblick
© Mister Spex
Der Laden im Alexa von Mister Spex: Schneller Durchblick
Als Mister Spex im März vergangenen Jahres im Berliner Einkaufszentrum Alexa seinen ersten stationären Laden eröffnete, bezeichnete Unternehmensgründer Dirk Graber dieses Ereignis als "nächsten logischen Schritt". Und weitere Schritte folgten: In der Berliner Schlossstraße, in der Bremer Sögestraße sowie im Oberhausener Einkaufszentrum Centro. 

Vier Geschäfte betreibt Deutschlands führender Onlinebrillenhändler mittlerweile, und damit ist noch lange nicht das Ende erreicht. In diesem Sommer werden die nächsten zwei Läden eröffnet: Im Center Ruhrpark in Bochum sowie auf dem Westenhellweg in Dortmund, der besten Einkaufsstraße der Stadt. 

Gerne in die Top-Städte, aber die sind teuer

Aber es soll weitergehen. Mister Spex will sein Ladennetz ausbauen und liebgäugelt auch mit Standorten in den so genannten Top-7-Standorten (Hamburg, Berlin, Düsseldorf, Köln, Frankfurt, München und Nürnberg). Auch hier sind die besten Lagen mit den höchsten Passantenfrequenzen im Fokus, „wenn diese für uns zu bezahlen sind“, sagt Multichannel-Chef Jens Peter Klatt zu Etailment.

Es geht nicht darum, eine Filiale der Filiale wegen zu eröffnen - jeder Standort muss profitabel sein. Und: "Wir wollen alle Kundengruppen abfischen", heißt es bei Klatt. Daher will Mister Spex ausschließlich die besten Lagen der Städte besetzen, dort, wo der Handel brummt. Was freilich schwer wird, da die Mieten hier historisch hoch sind.

Seit 2015 wird an der Multichannel-Strategie gewerkelt

Der stationäre Vorstoß des Berliner Brillenhändlers steht für eine strategische Neuausrichtung. Seit 2015 wird daran gewerkelt, Multichannelhändler zu werden. Und das bedeutet eben für einen bisher reinen Onlinehändler Bewegung in die andere Richtung - nämlich in die stationäre Welt.
Multichannel-Chef Klatt: Keine Angst vor Fielmann
© Mister Spex
Multichannel-Chef Klatt: Keine Angst vor Fielmann
Weil diese Welt für die Internetpuristen eine neue ist, musste dafür ein Kenner des stationären Kosmos' her, und das ist eben Klatt. Im Jahr 2015 kam der Norddeutsche vom Konkurrenten Eyes and More, der in Deutschland und Österreich gut 100 Läden betreibt. Klatt war dort für die Expansion zuständig.

"Das ist nicht mal eben nebenbei gemacht"

Nun verknüpft er bei Mister Spex die Online- mit der Offlinewelt, "und so ein Retailkonstrukt zu integrieren, ist nicht mal eben so nebenbei gemacht". Plötzlich geht es um Läden und Mieten, auch die Personalsuche hat andere Schwerpunkte als im E-Commerce. Es geht aber vor allem um neue Prozesse und Infrastrukturen. Bisher war Mister Spex auf auf B2C ausgerichtet, also ausschließlich auf das Endkundengeschäft. "Doch die Stores sind für uns ein B2B-Geschäft", betont Multichannelchef Klatt.

Es gilt jetzt, die Läden mit Waren zu beliefern, hierfür musste ein neues IT-Projekt aufgestellt werden, "und diese Infrastruktur ist eine der größten Herausforderungen", sagt Klatt. Ziel ist, dass die Kunden das gleiche Einkaufserlebnis haben wie beim Onlineshopping.

Der Kunde will schnell verstehen, was er kaufen soll

Was der Kunde im Laden will, hat Mister Spex zuvor per Markforschung sowie der Analyse des eigenen Datenschatzes ergründet.

Das Ergebnis?

"Er will sich schnell im Laden zurechtfinden, und er will Preistransparenz", fasst Klatt zusammen. Also das, was er auch schon online gewohnt ist.

Schnelle Orientierung im Laden bieten - hier könnte Mister Spex schnell Kunden überzeugen, denn dies ist noch nicht die Stärke der stationären Augenoptikerbranche. Der klassische Optiker "reicht dem Kunden erst einmal einen Kaffee und holt dann ein Ringbuch heraus, berechnet irgendetwas und nennt dem Kunden dann einen Preis", beschrieb Jörg Ehmer einmal im Gespräch mit Der Handel die Gepflogenheiten der Branche.

Als neuer Chef des Filialisten Apollo hat Ehmer dafür gesorgt, dass zumindest in seinem Unternehmen diese Gepflogenheiten ein Ende haben. Transparenz gilt neuerdings auch in den 800 Apollo-Läden.

Vorteil der Onliner: Sie kennen sich aus mit Daten und Kunden

Jens Peter Klatt sagt auch, dass sich Onliner leichter damit tun, ins Offlinegeschäft einzusteigen, als umgekehrt. "Ich darf das behaupten, denn ich komme aus der Offlinewelt." Für ihn ist einer der großen Vorteile von Onlinehändlern, dass diese ihre Prozesse von Beginn an streng auf die Kundenbedürfnisse ausgerichtet haben. Und diese Prozesse sind enorm datengetrieben. Dieses Denken muss jetzt nur noch auf eine Filiale übertragen werden.
Mister Spex-Laden im Centro Oberhausen: Alles für den Kunden
© Mister Spex
Mister Spex-Laden im Centro Oberhausen: Alles für den Kunden
Es sagt viel über die veränderte Handelswelt aus, wenn "neue Servicestandards immer mehr aus dem Internet kommen", wie es Günther Althaus formuliert, der Vorstandschef der ANWR-Group, einem Verbund von über 6000 Händlern aus der Schuh-, Sport- und Lederwarenbranche. Gerade beim Thema Kundendaten hat der stationäre Handel noch enormen Nachholbedarf.

Profiteure der biologischen Gesetzmäßigkeit

Im Schnitt kommen 300 Kunden täglich bisher in die vier Mister-Spex-Läden, sagt Jens Peter Klatt. Wie viel Geld sie dort ausgeben, sagt er nicht. Klar ist, dass die Läden das Onlinegeschäft weiter beleben sollen. Wer ketzerisch ist könnte auch sagen, dass die Läden ein Zwang sind. Denn so erfolgreich Mister Spex bisher online ist - das Unternehmen bewegt sich in einem Nischenmarkt. Im Jahr 2016 wurden mit Augenoptik in Deutschland fast 6 Milliarden Euro umgesetzt, davon gehörten dem stationären Markt etwa 5,7 Milliarden Euro, wie der Zentralverband der Augenoptiker und Optometristen (ZVA) ermittelt hat. 

Der Markt wächst kontinuierlich, was ja auch nicht verwundert. Immer mehr alte Menschen benötigen immer mehr Sehhilfen. Die Branche profitiert von einer biologischen Gesetzmäßigkeit. Auch die Onliner. U
m zehn Prozent im Vergleich zu 2015 wuchs laut ZVA der Internetmarkt, aber es waren auch schon Zuwächse von 20 und gar 30 Prozent.

Der stationäre Handel lächelt über die Onliner nur müde

Doch vom Gesamtmarkt gehört dem Internetsegment eben gerade mal 5 Prozent, hier schneidet eigentlich nur noch der Lebensmittelhandel schlechter ab. Der Onlinehandel ist auf absehbare Zeit keine Bedrohung für Optikerbranche, glaubt der ZVA-Verbandschef und Leipziger Händler Thomas Truckenbrod. „Die Wachstumsraten werden nicht exponentiell ausfallen.“ Daher macht Mister Spex vieles richtig und denkt in allen Kanälen. Dafür sorgen ja auch die über 500 Partnerläden, über die Kunden per Vermittlungsgeschäft Brillen kaufen können. Ohne diese Kooperationen, die auch Brillen.de betreibt, würde man wahrscheinlich kaum eines der kompliziertesten Produkt verkaufen: Gleitsichtbrillen. Ohne individuelle Anpassung von einem Optiker vor Ort geht da nicht viel. "Die Partnerläden sind für uns hier existenziell", sagt Jens Peter Klatt.

Fielmann und online? Nur mal langsam

Aber was würde eigentlich passieren, wenn der Gigant des Marktes auch ins Onlinegeschäft einsteigen sollte? Bisher ist ja für Fielmann das Internet noch ein verbotenes Land. "Heute ist die Onlinebrille nach wie vor ein Zufallsprodukt. Über das Internet lässt sich die Sehstärke nicht bestimmen, die Brillengläser nicht zentrieren, die Brille nicht anpassen. Wenn dies über die Distanz möglich ist, werden wir den Onlinehandel neu bewerten“, sagte Günther Fielmann vor einiger Zeit dem "Hamburger Abendblatt". Spätestens 2020 könnte diese Bewertung vorgenommen werden, wenn der Patriarch den Chefsessel für seinen Sohn Marc räumt. Zumindest läuft solange Fielmann Seniors Vertrag als Vorstandsvorsitzender des Imperiums, das zuletzt 1,55 Milliarden Euro Umsatz erzielte.

In der Zentrale von Mister Spex ist Fielmann allgegenwärtig

Angst vor einen Onlineangriff von Fielmann hat Jens Peter Klatt trotzdem nicht. "Wir sind mit unserem Onlineshop gut aufgestellt. Ob Fielmann das Rad neu erfinden wird, muss man abwarten." Aber es geht ja auch um das Multichannelgeschäft, mit dem sich heute jeder Händler beschäftigen muss. Und hier hat Fielmann eben den Vorteil eines Netzes von über 600 Filialen allein in Deutschland. Und Apollo nochmal 100 mehr.

Ohnehin geht man bei Mister Spex sehr entspannt mit dem überlebensgroßen Konkurrenten aus Hamburg um. Denn in der Berliner Zentrale gibt es einen Besprechungsraum mit dem Namen: Fielmann. So viel Ironie muss man erst einmal haben.

Unternehmensziel: Eines Tages profitabel sein

Vielleicht geht ja die Rechnung von Mister Spex so: Bis Fielmann mit voller Wucht ins Onlinegeschäft einsteigt, müssen wir uns beeilen, stationär Fuß zu fassen. Daher fallen die Investitionen in die Multichannel-Strategie so hoch aus, dass das Unternehmen nach wie vor Verluste schreibt. 2015 betrug der Umsatz 61 Millionen Euro, das war ein Plus von 35 Prozent. Doch das Ergebnis war negativ - 4,63 Millionen Euro betrug der Verlust.
Und die Zahlen für 2016? "Hier gibt es noch nichts vermelden, das werden wir zu gegebener Zeit tun", sagt Multichannelchef Klatt. Immerhin verrät er, dass man sich vom Niveau von 2015 positiv entfernt habe. Dass also der Umsatz abermals gestiegen sei. Doch das Ergebnis bleibt weiter rot. "Doch unser Ziel ist, irgendwann profitabel zu sein."

Dieser Schritt ist zwar auch logisch - dürfte aber auch am meisten anstrengen.

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