Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hat sich nach den Wahlerfolgen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron erfreut über dessen geplanten Reformkurs geäußert. Trotzdem sieht er darin keinen Anlass für eine besonders entgegenkommende Politik. „Ich finde die Idee eigenartig, dass man einer neuen Regierung Gaben überbringen müsste, weil sie Wahlen gewonnen hat“, sagte Weidmann der WELT AM SONNTAG. „Der neue französische Präsident Macron ist ein wichtiger Freund und Partner, der aber keine Geschenke braucht.“
Seit der Wahl Macrons zum neuen französischen Präsidenten und der Übernahme der Mehrheit durch seine Partei im Parlament haben mehrere Politiker und Experten gefordert, Deutschland müsse Paris Zugeständnisse machen. Dazu zählen etwa die Schaffung eines Euro-Finanzministers oder die Vergemeinschaftung von Staatsschulden durch sogenannte Eurobonds. Weidmann hält davon nichts. „Gemeinsame Haftung bei weitgehender nationaler Souveränität wäre der falsche Weg. Das würde die Probleme in Europa eher vergrößern, anstatt sie zu lösen“, sagte er.
Die vorgebrachte gemeinsame Finanzierung von öffentlichen Investitionen sieht Weidmann ebenfalls skeptisch. „Wenn es darum geht, eine europaweite digitale Infrastruktur oder den Kontinent überspannende Energietrassen aufzubauen, dann kann eine gemeinsame Planung und Umsetzung durchaus sinnvoll sein“, sagte er der WELT AM SONNTAG. „Dass man hierfür ein eigenes Budget braucht, halte ich nicht für zwingend. Ich sehe jedenfalls keinen Grund dafür, warum Italien Brücken in Deutschland mitfinanziert, Portugal deutsche Autobahnabschnitte oder umgekehrt.“
Weidmann fürchtet steigenden Druck auf die EZB
Besorgt äußerte sich der Bundesbank-Präsident über die Gefahr, dass der politische Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB) in Zukunft steigen könnte. „Die Bürger müssen sich darauf verlassen können, dass der EZB-Rat seine expansive Geldpolitik zügig beendet, wenn es aus Sicht der Preisstabilität notwendig ist. Die Notenbanken dürfen in der Zwischenzeit nicht Gefangene der Staaten oder der Märkte werden und mit zahlreichen Nebenzielen überlastet werden“, betonte er. Andernfalls drohe eine Vermischung von Geld- und Finanzpolitik. „Das kann dazu führen, dass auf den EZB-Rat politischer Druck ausgeübt wird, die lockere Geldpolitik länger als nötig fortzusetzen.“
Zwar sei es nicht ungewöhnlich, dass eine Notenbank mit Wünschen konfrontiert werde. Entscheidend sei, wie sie darauf reagiere. „Wir müssen deutlich machen, dass wir uns alleine von geldpolitischen Erwägungen leiten lassen und die Finanzminister beim Ausstieg aus der sehr lockeren Geldpolitik mit steigenden Finanzierungskosten der öffentlichen Haushalte zurechtkommen müssen“, mahnte Weidmann. „Notenbanker brauchen Rückgrat. Das galt schon immer und gilt auch in Zukunft.“
Weidmann sagte, über eine etwaige Verlängerung des Ankaufprogramms sei im EZB-Rat bislang nicht diskutiert worden. Setze sich aber „die solide Konjunkturentwicklung und die Preisentwicklung wie erwartet fort“, sei es aus seiner Sicht „Zeit, den Ausstieg aus der sehr lockeren Geldpolitik in den Blick zu nehmen“.