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Krankenkassen-Report Entzündungen im Zahnbett bleiben oft unbehandelt

Zahnbettentzündungen sind in Deutschland eine Volkskrankheit und die häufigste Ursache für ausfallende Zähne. Trotzdem lassen sich viele Patienten erst spät behandeln.

Viele Bundesbürger unterschätzen nach einer Untersuchung der Barmer Krankenkasse das Risiko der chronischen Zahnbettentzündung Parodontitis. Sie gingen entweder zu selten oder zu spät zum Zahnarzt oder beachteten Therapieempfehlungen nicht, heißt es in dem Bericht , der am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde. Chronische Zahnbettentzündungen gelten heute als Hauptursache für Zahnverluste.

Laut einer Untersuchung aus dem Jahr 2016 ist rund jeder zweite Erwachsene mittleren Alters (52 Prozent) von einer parodontalen Erkrankung betroffen. Viele, ohne davon zu wissen. Unter Senioren litten sogar nahezu zwei Drittel unter Zahnbettentzündungen. Nur ein Bruchteil der Betroffenen wird laut der aktuellen Studie behandelt.

Zwar lassen dem Report zufolge etwa 50 Prozent der erwachsenen Versicherten und damit rund 34 Millionen Menschen binnen zwei Jahren eine Parodontitis-Untersuchung vornehmen. Im Jahr 2015 durchliefen allerdings nur 1,2 Millionen eine Therapie. Dies seien weniger als zwei Prozent der Versicherten.

"Auch wenn natürlich nicht jeder Betroffene jedes Jahr eine Therapie benötigt, gibt es doch eine deutliche Diskrepanz zwischen den an Parodontitis Erkrankten und den Behandelten", erklärte Studienautor Michael Walter vom Universitätsklinikum Dresden. Dies sei umso bedenklicher, weil der Therapieerfolg mit voranschreitender Erkrankung immer unsicherer werde.

Ein Drittel der Patienten verliert trotz Therapie Zähne

Selbst nach einer Therapie gehen demnach bei etwa einem Drittel der Patienten innerhalb von vier Jahren Zähne verloren - vermutlich weil die Behandlung oft zu spät begonnen wird.

Mit dafür verantwortlich sind auch die Patienten selbst. Laut Zahnreport gingen im Jahr 2015 im Durchschnitt nur 71,7 Prozent aller Versicherten mindestens einmal im Jahr zum Zahnarzt - bei den Männer waren es rund zwei Drittel (67,8 Prozent), bei den Frauen drei Viertel (75,4 Prozent).

"Wir können Betroffenen nur dringend raten, frühzeitig zum Zahnarzt zu gehen und dessen Therapie-Empfehlungen auch konsequent umzusetzen", so Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer. Wer nicht jährlich zur Kontrolluntersuchung gehe, verdopple sein Risiko, Zähne zu verlieren.

Erst die Entzündung, dann der Schmerz

Anders als Karies ist eine Zahnbettentzündung zunächst nicht schmerzhaft. Die Parodontitis oder Zahnbettentzündung, umgangssprachlich auch Parodontose genannt, wird durch Beläge auf den Zähnen und in den Zwischenräumen verursacht.

Diese versucht der Körper zunächst durch eine Zahnfleischentzündung abzuwehren. Ohne Behandlung kann die Entzündung in tiefere Gewebe vordringen, wo sie Gewebe und Knochen über einen längeren Zeitraum hinweg zerstört und den Zähnen den Halt nimmt.

Erste Warnsignale sind Zahnfleischbluten, Schwellungen, Rötungen und Mundgeruch. Durch regelmäßiges Zähneputzen und tägliches Reinigen der Zahnzwischenräume lassen sich Zahnbettschäden vermeiden. Raucher, Diabetiker, Menschen mit einem geschwächten Immunsystem und viel Stress sind besonders gefährdet. Auch erbliche Faktoren können eine Rolle spielen.

Zahl der Betroffenen sinkt

Es gibt aber auch positive Nachrichten: Insgesamt sind Parodontalerkrankungen in Deutschland auf dem Rückzug. Fälle von schwerer Parodontitis bei jüngeren Erwachsenen zwischen 35 und 44 Jahren halbierten sich seit 2005. Auch bei den 65- bis 74-jährigen Senioren ging die Parodontitis deutlich zurück.

Dennoch bleibt die Parodontitis laut Bundeszahnärztekammer (BZÄK) "eine Volkskrankheit". "Aufklärung und Prävention müssen unbedingt verstärkt werden", forderte Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der BZÄK.

Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) forderte von den Krankenkassen mehr finanzielle Mittel für Prävention und Aufklärung durch den Zahnarzt. "Im Bewusstsein der Menschen handelt es sich bei Parodontitis fälschlicherweise um eine Bagatellerkrankung", warnte KZBV-Chef Wolfgang Eßer. Häufig werde vergessen, dass die zunächst schmerzlose Krankheit auch das Risiko für einen Herzinfarkt und Rheuma sowie für anderen systemische Erkrankungen erhöht.

jme/AFP/dpa