Wie man Emotionen messen kann – Methoden der Marktforschung

Die Vermessung der Gefühle

Emotionsmessung ist Titelthema planung&analyse 2/2017
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Emotionsmessung ist Titelthema planung&analyse 2/2017
Noch vor zwei Jahren stellte YouGov in einer Befragung unter Marketingentscheidern fest, dass die Bedeutung der Emotionen für eine Marke zwar recht bekannt ist, dass aber nur knapp ein Viertel konkrete Verfahren zur Bestimmung des emotionalen Profils benutzt. Das scheint sich jetzt langsam zu ändern. Emotionsforschung ist en vogue und diverse Methoden kämpfen um die Gunst der Kunden. Eine Auswahl von Methoden und Anbietern.
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Der Super Bowl ist an sich schon eine emotionale Sache, wenn das Finale der amerikanischen Football League dann in einem Kriegsgebiet vor amerikanischen Soldaten gezeigt wird, ist richtig Stimmung im Zelt. Wenn dann auch noch einzelne Soldaten und Soldatinnen rausgerufen werden und statt eines einfachen Telefongesprächs ihre Lieben in der Heimat im Großformat auf der Leinwand sehen können, brechen die Emotionen aus den Menschen heraus, auch aus denen, die die Szene nur in einem Werbespot im Fernsehen gesehen haben. Dieser Spot wurde von der amerikanischen Fachzeitschrift Adweek als emotionalster Spot der Super Bowl Saison bezeichnet. Gemessen wurde dies von Unruly, dem US-Spezialisten für die Auswertung von Video-Ads, der zu Murdochs Medienkonglomerat News Corp gehört.

Emotionen sind messbar. Das gilt nicht nur für die großen, aufwühlenden Gefühle, die in solch einem Szenario auftreten,  sondern auch für die kleinen, die alltäglichen, die kaum gespürt, kaum wahrgenommen werden. Es gilt auch für unbewusste Gefühle.

Nicht jeder Werbespot kann und will ein solch großes Drama inszenieren. Nicht jedes Unternehmen will seine Marke in solch aufwühlendem Kontext sehen. Aber Emotionen wollen alle erzeugen, alle Unternehmen, die etwas zu verkaufen haben. Denn nicht nur viele Gefühle sind unbewusst, sondern auch der Kauf- und Entscheidungsprozess. Die Entscheidung fällt oft in Bruchteilen einer Sekunde und bevor sie der Mensch, der dann ins Portemonnaie greift, gewahr wird. Wie genau dies passiert und wie man die Emotionen durch Marketingmaßnahmen steuern kann, das sind die Fragen, die Emotionsforscher seit gut zehn Jahren beschäftigen.



Prof. Gert Gutjahr war in Deutschland unter den ersten Emotionsforschern. Im Marketingcenter an der Uni Münster wurde mit einem interdisziplinären Team untersucht, wo und was genau im Gehirn passiert, wenn ein Mensch sich für einen Markenartikel entscheidet. „Wir haben das MRT der neurologischen Klinik am Wochenende benutzt. Studenten haben sich für 50 DM in die Röhre gelegt“, berichtet Gutjahr, der seitdem mit diesen Erkenntnissen arbeitet. Im funktionellen Magnet-Resonanz-Tomographen (fMRT) kann man erkennen, ob durch einen äußeren Reiz die Amygdala angeregt wird. Und wenn das der Fall ist, dann sind immer Emotionen im Spiel und die wirken sich etwa auf die „first choice“ bei Marken aus. Da so eine MRT-Untersuchung nicht nur sehr teuer, sondern auch belastend für den Probanden ist, mussten andere Methoden zur Emotionsmessung gefunden werden. „Wir haben festgestellt, dass wir mit Reaktionszeitmessung dieselben validen Ergebnisse in Bezug auf die Hirnreaktion feststellen können wie mit dem fMRT. Und mit Reaktionszeitmessungen können wir praxisgerecht und sehr schnell, sogar online, arbeiten“, berichtet Gutjahr, der seit vielen Jahren das Institut für Marktpsychologie in Mannheim leitet und diese Methode in der Marktforschung erfolgreich anwendet.

Auch die Gruppe Nymphenburg ist seit den 80er Jahren durch Neuromarketing bekannt. Das Beratungsunternehmen aus München gründet einen großen Teil seiner gesamten Arbeit auf Limbic, einem Modell, das sich das Institut als Warenzeichen hat schützen lassen und das den menschlichen Motivraum und Entscheidungsprozess erklären soll. „70 bis 90 Prozent der Entscheidungen werden unbewusst getroffen“, berichtet Christopher Lepp, zuständig für Consumer Research. „Wir sind jeden Tag mit so vielen Stimuli und Reizen konfrontiert, wir würden verrückt werden, wenn wir die alle einer bewussten Bewertung unterziehen müssten.“ Emotionen werden bei Nymphenburg nach zahlreichen Parametern wie EEG, Puls, Hautleitwiderstand und anderen direkt gemessen mit dem Limbic Emotional Assessment. Allerdings, so Lepp, müsse man sich immer im Klaren sein, dass eine Vermessung von Probanden ein sehr aufwendiges Verfahren ist. „Es ist ein Tool für den qualitativen Einsatz, die Fallzahlen bleiben im niedrigen zweistelligen Bereich.“ Damit auch eine Quantifizierung möglich ist, arbeitet Nymphenburg zusätzlich mit weiteren Verfahren, die sich auf Bildmaterial stützen. So kann mit größeren Stichproben eine hohe Ergebnistiefe erzeugt und etwa der emotionale Fingerabdruck einer Marke identifiziert werden.

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in planung&analyse 2/2017
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