Gestorben auf dem Gipfel des Erfolgs
Der Tod des Extrembergsteigers Ueli Steck weckt Erinnerungen an einen Zürcher: Marcel Rüedi aus Winterthur war einer der besten Bergsteiger seiner Zeit – bis er nicht mehr heimkehrte.
Der Berner Ueli Steck starb auf der Suche nach einem neuen Rekord – wie viele vor ihm. Im Himalaja-Gebiet liess auch ein Winterthurer sein Leben, der ein grosses Ziel verfolgte: Marcel Rüedi, Metzgermeister mit preisgekrönter Wurst und einer Leidenschaft fürs Extrembergsteigen, wollte alle höchsten Berge bezwingen. Das sind 14 Stück, alles Achttausender. Wie bei Steck war auch Rüedis Spezialität die Geschwindigkeit, mit der er von Berg zu Berg ging.
Das war in den 80er-Jahren. Das Vorhaben ging als eigentlicher Wettlauf in die Geschichte des Bergsteigens ein. Denn Rüedi war nicht der Einzige mit diesem Ziel. Vorher hatte das noch niemand geschafft, und die besten Extrembergsteiger jener Zeit wollten alle die Ersten sein. Dazu gehörte der Südtiroler Reinhold Messner, der Pole Jerzy Kukuczka und der Schweizer Erhard Loretan.
Rüedi kletterte häufig mit Bergsteigerlegende Loretan. Die beiden rangen Reinhold Messner dabei auch einen Geschwindigkeitsrekord ab: Sie bestiegen drei Achttausender innert 15 Tagen, Gasherbrum II, Hidden Peak und Broad Peak. Messner hatte drei Achttausender innert eines Jahres bezwungen.
Je höher Marcel Rüedi stieg, desto mehr Aufmerksamkeit schenkten ihm die Leute in seiner Heimat Winterthur. Er genoss zwar den Rummel, suchte ihn jedoch nicht. Aber es habe ihm das Finden von Sponsoren erleichtert, schrieb der «Landbote» anlässlich eines Gedenkanlasses vor ein paar Jahren. Als Amateursportler hatte Rüedi nämlich kaum Geld für die teuren Expeditionen ins Himalaja-Gebiet – anders als Reinhold Messner, dessen Beruf der Bergsport war.
Walliser Weisswein auf dem Gipfel
So solidarisierte sich Winterthur auch mit Rüedi und seinen abenteuerlichen Touren. Das ging so weit, dass Vereine in der Altstadt Geld für «unseren Mann im Himalaja» sammelten. Rüedi dankte der Öffentlichkeit mit Geschichten vom Berg. Als er 1985 mit den Bergsteigern Oswald Oelz und Diego Wellig auf dem Gipfel des Shisha Pangma stand, nahm er heimlich die Gespräche auf, die die Männer zur Feier der Bezwingung machten. Sie entkorken auch eine Flasche Walliser Weisswein. Später unterhielt Rüedi die Zuhörer einer Radiosendung mit dem Gipfelgeplauder.
Nur ein Jahr später, im September 1986, erreicht Rüedi seinen letzten Gipfel. Er starb beim Abstieg des Makalu. Der 8463 Meter hohe Berg war sein 10. Achttausender. Ein Tag danach bestieg Reinhold Messner den Makalu und fand den toten Rüedi, der im Schnee lag. Nur ein paar Wochen später schaffte Messner den Rekord und bezwang den letzten der 14 Achttausender.
Ueli Steck ist heute in Nepal eingeäschert worden. Ein Teil seiner Asche bleibt im Himalaja-Gebiet. Auch Marcel Rüedi fand seine Ruhe bei den höchsten Bergen der Welt. Seine Expeditionskollegen bestatteten ihn in einer Gletscherspalte auf dem Makalu.
Mehr Informationen über das Leben von Marcel Rüedi gibt es im Buch: «Zehn Achttausender dank Gerda – ein Winterthurer im Himalaja» der Journalistin Charlotte Jacquemart, 2009.
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