Wenig fürchtet der Lebensmittelhandel so sehr, wie den Start von Amazon Fresh. Zu Recht. Denn Amazon Fresh hat schon gewonnen, bevor der Online-Riese mit seinem Food-Service begonnen hat.

Rewe-Chef Alain Caparros war seit jeher einer der prominentesten Sorgenträger. "Wir müssen uns warm anziehen gegen Amazon Fresh", sagte Caparros schon 2016 der "Rheinischen Post".

Das Zittern vor dem US-Riesen hat die Kölner im digitalen Handel immerhin ordentlich beflügelt. Inzwischen schafft die Rewe über 100 Millionen Euro Umsatz mit dem Supermarkt im Web und liefert in rund 75 deutschen Städten Bananen, Tempos und Getränkekisten aus.

Noch in diesem Monat soll Amazon nun seinen lang erwarteten Lieferdienst Fresh zunächst in Berlin starten. Die Supermarktkette Tegut will als Helfershelfer Amazon mit Eigenmarken-Artikel aus dem Trockensortiment beliefern.

Wenig Zweifel gibt es, dass Amazon auf lange Sicht mit dem Konzept Erfolg haben dürfte. Zweifel aber gibt es, dass Amazon damit auch gegen die etablierten Frischeanbieter und bekannten Handelsmarken im Lebensmittelhandel punkten könnte.

Falsch gedacht.

Denn Amazon ist in den Köpfen der Konsumenten schon längst die Nummmer 1. So wird Amazon noch vor dem Start von Amazon Fresh in einer Befragung von A.T. Kearney ("Online Food Retailing Studie 2016") am häufgisten als E-Food-Händler genannt. Erst als Nummer 2 folgt mit Abstand Rewe. Gerade aber die Spitzenposition im "Relevant Set" der Kunden wird für den Erfolg in diesem jungen Segment ausschlaggebend sein.



Diese und weitere Zahlen zum Markt hat die Lebensmittel Zeitung in einem lesenswerten Report und Marktüberblick zum Thema "E-Food in Deutschland" aufbereitet.

Damit stehen die Chancen gut, dass sich Amazon Fresh mit einer weiteren Expansion ein großes Stück des Online-Kuchen auch von den etablierten Händlern abschneidet. Laut Zahlen von LZ Retailytics wird Amazon mit Fresh in fünf Jahren wohl 120 Millionen Euro umsetzen.
Amazon Fresh Tasche Foto: Amazon
Amazon Fresh Tasche Foto: Amazon
Darben müssen die Klassiker gleichwohl nicht, wenn sie schnell genug der Marktentwicklung folgen. Immerhin hält es der bayerische Handelsverband für realistisch, dass der Anteil der Online-Verkäufe von Lebensmitteln in zehn Jahren bei 10 bis 20 Prozent liegt.

AmazonFresh Day in the Life

Doch auch wenn Berater Mirko Warschun von A.T. Kearney im Interview mit der Lebensmittel Zeitung nicht glaubt, dass Amazon den Markt disruptiv verändern wird, sprechen vier Gründe für ein rasantes Wachtum von Amazon:
  • Amazon könnte mit Reife und Frische bei Obst und Gemüse besonders punkten, wenn es ein Modell aus den USA importiert. Dort liefert Amazon Fresh beispielsweise in Los Angeles auch frisch von Wochenmarkt. Amazon-Picker holen die Ware dabei für den Kunden auf dem Markt ab. Das ist etwa so, als wenn der Müncher Kunde seinen Salatkopf vom Viktualienmarkt bei Amazon bestellt.
    Amazon fresh - Tüten packen auf dem Wochenmarkt
    Amazon fresh - Tüten packen auf dem Wochenmarkt
  • Amazon wird über seinen Prime-Kosmos zunächst eine eher kaufkräftige Kundschaft ansprechen und erreichen, die dann auch für entsprechend volle und kalkulierbare Warenkörbe sorgen wird.
  • Für die etablierten Händler ist es schwierig, da die Zusatzkosten eines Lieferdienstes zu verdienen. Amazon kann dies über Mischkalkulationen auffangen, weil die Ware obendrein nicht in Kühlwagen, sondern per Kühltasche geliefert werden soll.
  • Amazon steht schon jetzt für eine hohe Verlässlichkeit im Versand. Diese ist gerade im E-Food-Segment gefragt. Gerade Erstbesteller von Online-Lebensmitteln könnten hier positive Erfahrungen mit dem Online-Riesen übertragen. Die wären dann womöglich für Rewe und Co verloren.


Studien

Exklusiv: Der E-Food-Kunde ist faul, kritisch und ein bisschen geizig - aber ein lohnendes Ziel


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Amazon Fresh vs Rewe: Das schwere Spagat des Lebensmittelhandels


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