Ein stationärer Händler besinnt sich auf seine Kompetenzen: Bei dem neuen Onlineportal „ModeFREYHaus.de“ stellen die Fachberater in den Filialen passende Outfits für die Distanzkunden zusammen.

Wenn Helmut Hagner über Zalando, Outfittery & Co. redet, findet er deutliche Worte: „Es kann doch nicht sein, dass wir Händler uns unsere ureigenste Kompetenz der Styleberatung wegnehmen lassen und die Internetkonkurrenz für diese tolle, innovative Idee gefeiert wird“, sagt der Leiter der Frey Unternehmensgruppe aus Cham in der Oberpfalz. „Das machen wir doch schon immer.“ 

So startete das Familienunternehmen im März 2016 als Ergänzung zum Einkauf im traditionellen Modehaus den „Online-Outfit-Service“ Modefreyhaus.de, bei dem die stationären Modeexperten persönlich zusammengestellte Modeboxen an (männliche und weibliche) Kunden versenden. „Dabei nutzen wir unsere stationäre Kompetenz für den Onlinehandel. Somit stellt das Portal keine Alternative, sondern eine sinnvolle Erweiterung dar“, argumentiert Hagner. 

"Styleberatung machen wir doch schon immer"

Helmut Hagner, Frey Unternehmensgruppe

Persönlichkeit statt Algorithmen

Die Modeberater werden regelmäßig geschult – „in Stilfragen, Farbenlehre und internationalen Trends. Diese Kompetenz und Persönlichkeit kann und darf man nicht durch herkömmliche Algorithmen ersetzen“, sagt er. 

Die Zusammenstellung einer Box dauere bis zu einer Stunde. „Das beginnt mit der Idee, geht über die Auswahl und Kombinationsmöglichkeiten der einzelnen Teile bis hin zum Verpacken mit einer von Hand geschriebenen Grußkarte“, erläutert Hagner. 
Helmut Hagner von ModeFREYHaus
© ModeFREYHaus
Helmut Hagner von ModeFREYHaus

Im Grunde liefere Frey den Kunden ständig neue Modeerlebnisse nach Hause: „Obwohl sie aufgrund ihrer Angaben genaue Vorstellungen von ihren Outfits haben, bleibt das Überraschungsmoment beim Öffnen des Pakets. Wir schaffen damit ein emotionales Einkaufserlebnis, trotz Digitalisierung. Das ist jedes Mal wie Weihnachten“, so Hagner. 

In den Modeboxen befinden sich mindestens zwei komplette Outfits mit insgesamt bis zu zwölf Teilen – bis hin zu Schuhen und farblich perfekt abgestimmten Accessoires wie Handtaschen. Der Versand ist kostenfrei. Bezahlen müssen die Kunden erst, sobald sie sich für ihr Lieblings-Outfit entschieden haben. „Die restlichen Teile senden sie nach der Anprobe in der heimischen Umkleidekabine kostenfrei wieder zurück“, wirbt Hagner. 

Statt einzelner Produkte ganze Outfits aus der Ferne zu verkaufen, stelle gleichwohl hohe Anforderungen an die Handelsgruppe, die neben den „ModeErlebnisKaufhäusern“ in Cham, Marktredwitz und Schwandorf unter anderem auch drei Einrichtungshäuser führt. „Wir hatten ja keine Blaupause und mussten bei Null anfangen“, berichtet er. „Das fing bei der Software an, die wir auf unsere Bedürfnisse haben zuschneiden lassen, und betraf auch alle Schnittstellen im Unternehmen.“ 

Als Beispiel nennt er den Versand der Ware aus dem Verkauf heraus: „Im Prinzip sind unsere Modeabteilungen unser Lager. Die Fakturierung war genauso eine Herausforderung wie die zurückgeschickte Ware“, berichtet Hagner. „Alle Beteiligten haben da viel Mut und eine Start-up-Mentalität bewiesen, Sachen auszuprobieren, Fehler zuzulassen und zu lernen.“ 

Lösungsorientierter Kundenservice 

Fehler habe es einige gegeben, räumt er unumwunden ein. „Heute, knapp ein Jahr nach dem Start, haben wir etwa 85 bis 90 Prozent von dem erreicht, was uns vorschwebte.“ Denn es sei nicht so einfach gewesen, alle Mitarbeiter „mit auf die Onlinereise zu nehmen“, wie es der Manager ausdrückt. „Viele schätzen den direkten Kundenkontakt und so taten sich manche anfangs schwer damit, ein Gefühl für den Kunden zu entwickeln, den sie nicht persönlich sehen. Aber sie haben sich gut herangetastet und haben nun alles im Griff.“ 
Stationäre Beratung: ModeFREYHaus bringt sie ins Netz
© ModeFREYHaus
Stationäre Beratung: ModeFREYHaus bringt sie ins Netz

Rund 70 bis 80 Prozent der Produkte kommen zurück, was in der Natur der Sache liege, da ja zwei komplette Outfits losgeschickt werden und der Kunde sich wie im Geschäft in Ruhe entscheiden kann. Dementsprechend ist der Outfit-Service auch (noch) nicht profitabel. Das ist für den Manager ebenfalls sekundär, denn: „Das Portal ist für uns wichtig, weil wir lösungsorientiert denken und den Kunden Service bieten wollen“, argumentiert er. „Wenn der Kunde es nicht zu uns schafft, kommen wir halt zum Kunden, nach dem Motto: Bei Anruf Mode.“ 

"Wenn der Kunde es nicht zu uns schafft, kommen wir halt zum Kunden, nach dem Motto: Bei Anruf Mode“

Helmut Hagner, Frey Unternehmensgruppe

Angesichts des demographischen Wandels denkt das Unternehmen aus der ländlichen Region nahe der tschechischen Grenze auch schon an morgen: „Distanzlösungen für den Modekauf werden immer wichtiger, weil die älteren Kunden nicht so mobil sind. Daher ist es so kurz nach dem Start nicht wichtig, ob wir mit dem Service Geld verdienen, sondern vielmehr, dass wir unsere Strukturen jetzt zukunftsfähig gestalten und somit auch in ein paar Jahren noch der Händler mit dem Service und Einkaufserlebnis sind, dem die Kunden ihr Vertrauen schenken“, argumentiert Hagner. 


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