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Warum eSports keine Anerkennung erfährt

Maximilian v. Mauch
23. März 2017

eSports befindet sich weltweit und in Deutschland auf dem Vormarsch. Die Zahlen sehen vielversprechend aus, ein stetiges Wachstum wird prognostiziert und doch fehlt die Anerkennung als Sportart - und das hat einen Grund.

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Deutschland ESL One in Köln
Bild: ESL

eSports befindet sich auf dem Vormarsch. Noch vor einigen Jahren als Nische für wenige Hardcore-Gamer belächelt, ist die wachsende Entwicklung von eSports in Deutschland nicht mehr zu übersehen. Der Aufstieg des sportlichen Wettkampfes zwischen Menschen, der mit Hilfe von Computerspielen ausgetragen wird, hat viele Gründe. Der eine ist der weltweite Hype, der ganze Arenen füllt und mittlerweile dazu führt, dass Medienunternehmen dem Thema eSports ganze Sendungen widmen, samt Live-Übertragungen. Ein anderer ist der aktuelle Zeitgeist, der von einer Generation ausgeht, die mit dem Computer großgeworden ist. Doch bei all den Erfolgsnachrichten gibt es auch eine Nachricht, die die deutsche eSports-Szene betrübt - der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) verwehrt die Anerkennung als Sportart. Aber wieso? Felix Falk, Geschäftsführer des Bundesverband interaktive Unterhaltungssoftware (BIU), meint, "dass eSports unbedingt vom DOSB als Sportart anerkannt werden müsse. Die Anerkennung würde zur notwendigen Förderung, sowohl politisch als auch gesellschaftlich, führen."

Klare Aufnahmeordnung des DOSB

DOSB Logo
Bild: picture alliance/dpa/Britta Pedersen

Der DOSB hat eine klar geregelte Aufnahmeordnung, wonach jeder Bewerber einen Aufnahmeantrag stellen muss, ehe die ordentlichen Mitglieder des DOSB in einer Mitgliederversammlung die Aufnahme beschließen können. Nach Ansicht des BIU gibt es nichts, was dagegen spräche. "eSports erfüllt alle Voraussetzungen um als Sportart anerkannt zu werden. Verschiedene sportwissenschaftliche Studien belegen, dass die Anstrengung bzw. der Puls von eSports-Athleten im Wettkampf völlig vergleichbar ist mit dem eines klassischen Sportlers", begründet Felix Falk. Auch die viel diskutierte eigene, sportartbestimmende motorische Aktivität liege vor: "Es ist nicht nur die eigenmotorische Aktivität, es ist auch eine soziale, kognitive Aktivität, die eSports beinhalten. Eigenmotorik ist vergleichbar mit Motorsport oder Schach, bei denen in vielen Momenten die Motorik nicht sichtbar ist. Wenn man jedoch die Mikromotorik betrachtet, dann leisten eSportler ganz hervorragendes, sie meistern mit hunderten Klicks pro Minute körperlich völlig vergleichbare Dinge, wie auch Sportler in anderen Sportarten."

Michael Schirp vom DOSB entgegnet dem, dass man sich mit vielen verschiedenen Fachleuten und Medizinern unterhalten könne, die in eSports genau das Gegenteil sehen und davor warnen: Bewegungsarmut und als Folge orthopädische Schäden. "Das sind jedoch Fachdiskussionen und der DOSB ist nicht in einer Schiedsrichterrolle."

Problem Gemeinnützigkeit

So weit, so gut. Doch wieso kommt es nicht zu der gewünschten Anerkennung? "Der DOSB ist keine Instanz, die Sportarten anerkennt. Sportarten entwickeln sich in der Gesellschaft", sagt Michael Schirp. "Des Weiteren müsse ein Aufnahmeantrag vorliegen, ehe unsere Mitgliederverbände, wie zum Beispiel der Leichtathletikverband, darüber abstimmen können." Ein solcher liege seitens eSports aber nicht vor und im Grunde genommen, so Schirp, könne er auch nicht vorliegen, weil es sich in diesem Bereich nicht um gemeinnützige Verbände oder Organisationen handele, die keine Gewinne erzielen wollen, sondern um Firmen - Veranstalter, Entwickler, Softwarehersteller - und damit um eine ganz normale Wirtschaftsbranche. "Solche Unternehmen kann der DOSB gar nicht aufnehmen."

In Deutschland erfolgt die Einschätzung der Gemeinnützigkeit durch die Finanzämter. Bei neu gegründeten Vereinen wird zunächst geprüft, ob die Satzung des Vereins den Voraussetzungen des Abschnitts "Steuerbegünstigte Zwecke" der Abgabenordnung (AO) entspricht, insbesondere, welche Zwecke der Verein verfolgen will, welche Maßnahmen er zur Verwirklichung dieses Zwecks beabsichtigt und ob es sich um einen nach der Abgabenordnung anzuerkennenden gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zweck handelt.

Laut DOSB erfüllt eSports diese Anforderungen in Gänze nicht. "Der Wirtschaftszweig Computerspiel ist aufgrund der Tatsache, dass er unternehmerisch agiert und im Sinne der Finanzämter eine Gewinnerzielungsabsicht hat, von einer Aufnahmemöglichkeit ausgeschlossen, soweit es um den Zugang zu einem gemeinnützigen System wie dem DOSB geht. Die Computerspielbranche ist eine Wirtschaftsbranche, will Gewinne erzielen und hat dann im Umkehrschluss keinen Zugang zu einem gemeinnützigen Bereich."

Das Finanzministerium Nordrhein-Westfalens bestätigte die Aussage des DOSB. In NRW werden Vereine zur Förderung des eSports derzeit nicht als gemeinnützig anerkannt, da sie keinen der genannten Zwecke, insbesondere nicht den Sport im Sinne der Abgabenordnung, fördern. Felix Falk beklagt eben diese Bewertung von eSports. "Es ist gewollt, Vereine - und darüber hinaus Landesverbände - zu gründen, aber da gibt es ein prinzipielles Probleme. Ohne die Anerkennung als Sportart gibt es keine Möglichkeit gemeinnützig anerkannte Sportvereine zu gründen. Da entsteht schon das Problem der Strukturierung. Als Folge kommt natürlich hinzu, dass es keine staatliche Förderung gibt, im Sinne des Sportfördergesetzes. Da hinkt Deutschland im internationalen Vergleich wieder hinterher."

Anerkennung im Ausland, Tendenz steigend

Auch dazu äußert sich Michael Schirp vom DOSB: "Dass eSports in anderen Ländern anerkannt wird, liegt daran, dass Sport in diesen Ländern anders aufgebaut ist. Deutschland ist das Land mit den meisten Mitgliedern im organisierten Sport, weil es eine gemeinnützige Graswurzelbewegung ist, eine Pyramide von unten nach oben, die über 150 Jahre gewachsen ist. Es ist eine soziale Institution." Gemeinnützigkeit von unten nach oben gebe es in den anderen Ländern gar nicht, dort herrschten andere Strukturen und deshalb sei eSports dort als Sportart anerkannt, so Schirp. "Solange es keine ehrenamtliche und gemeinnützige eSports-Szene in Deutschland gibt, gibt es auch keinen Zugang zum gesamten Verbandssystem."

Da helfen auch rasant steigende Zuschauerzahlen nicht weiter, oder dass zwei der weltweit größten Turniere bereits in Deutschland stattfinden und die Preisgelder in gleicher Höhe wie für einen Wimbledon-Sieg ausgeschüttet werden. Doch in der heutigen Zeit wird vieles im Sport ermöglicht, soweit die Zahlen stimmen. eSports wächst kontinuierlich, soll nach Expertenschätzungen 2020 rund 600 Millionen Zuschauer weltweit haben und 1,34 Milliarden Euro Jahresumsatz generieren.

Schweiz Lausanne IOC Zentrale des Internationalen Olympischen Komittees
Verwaltungsgebäude des IOC in Lausanne, SchweizBild: picture-alliance/dpa/F. May

Wie würde es sich also verhalten, wenn das Internationale Olympische Komitee (IOC) - das seiner Struktur nach ein Verein ist und daher aufnehmen kann, wen es möchte - eSports für sich anerkennt? Müsste der DOSB, als Nationales Olympisches Komitee (NOK) und Vertretung des IOC in Deutschland, es diesem gleich tun? Rechtlich betrachtet ja. Der DOSB wäre in der Pflicht, die vom IOC anerkannten eSports auch im Verband anzubieten und deren nationalen Athleten für die Olympischen Spiele zu nominieren. Auf Nachfrage gab der DOSB jedoch an, dass das IOC das Thema als rein hypothetisches betrachte und es momentan auf internationaler Ebene keinen vom IOC anerkannten Verband gebe, der einen solchen Antrag auf Mitgliedschaft oder Aufnahme in das Programm überhaupt stellen könnte. "Damit hat sich die Frage auch für den DOSB erledigt", so Michael Schirp.