Neuartiges Walzprofilierkonzept Walzprofilieranlage bietet Vielfalt auf kleinem Raum

Autor Stéphane Itasse

Walzprofilieren auf vergleichsweise kleinem Raum mit bisher ungeahnten Freiheitsgraden: Um dies zu ermöglichen, hat ein Softwarehersteller jetzt ein neuartiges Maschinenkonzept vorgestellt, das insbesondere auf kleine Stückzahlen abzielt.

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Statt des Werkstücks wie bei herkömmlichen Walzprofilieranlagen bewegen sich beim 3D Rollforming Center die Werkzeuge – mittels Robotern.
Statt des Werkstücks wie bei herkömmlichen Walzprofilieranlagen bewegen sich beim 3D Rollforming Center die Werkzeuge – mittels Robotern.
(Bild: Data M)

Klassische Walzprofilieranlagen sind lang, sehr lang: 50 oder 100 m sind keine Seltenheit. Das macht sie zugleich auch unflexibel: Soll am Produkt etwas geändert werden, müssen an den richtigen Stationen Werkzeuge ausgetauscht werden. Die räumliche Ausdehnung der Walzprofilieranlagen macht das Rüsten für die Bediener entsprechend aufwendig.

Dass es auch anders geht, zeigt der Softwarehersteller Data M. Mit seinem 3D Rollforming Center hat das Unternehmen ein Maschinenkonzept vorgestellt, das ganz neue Freiheitsgrade für das Walzprofilieren eröffnet, insbesondere beim Herstellen breiten- beziehungsweise höhenveränderlicher Profile. Die Maschine besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen, wie Dr. Thomas Dietl, Senior Engineer R&D bei Data M, auf der 10. Fachtagung Walzprofilieren in Darmstadt erläuterte. Den Kern der Anlage bildet ein Halter, in den eine Blechplatine eingeklemmt wird und der den Profilsteg bereits formen kann. Eine Linearachse ermöglicht zudem das Verfahren des Halters.

Roboter verfahren die Profilierrollen entlang des Werkstücks

An beiden Seiten des Halters befindet sich je ein Hexapod-Roboter. Sie verfügen über sechs Freiheitsgrade und fahren mit ihren Rollenclustern als Umformwerkzeugen 3D-Bahnen so ab, dass die Schenkel schrittweise um das Oberwerkzeug des Kerns gebogen werden. „Damit lassen sich auch hohe Umformkräfte aufbringen“, sagte Dietl. Da die komplette Anlage per Software gesteuert wird, entfallen zudem die Rüstzeiten. Ergänzend zum Maschinenkonzept hat Data M ein neues Messmittel namens Copra Profilescan 3D entwickelt. Dabei wird das Blech entlang eines Lasertriangulationssensors gefahren. Die Messdaten werden dann mit dem CAD-Modell des Bauteils abgeglichen oder mittels FEM-Simulation validiert.

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Mit diesem Projekt verfolgt Data M laut Dietl mehrere Ziele. Zunächst ging es um die Entwicklung eines Fertigungsprozesses für komplexe (Automobil-)Bauteile mithilfe des Walzprofilierens und darum, die Machbarkeit des Konzepts zu beweisen. Außerdem wollte das Unternehmen das Umformen hochfester Stähle durch Rollformen statt durch Tiefziehen umsetzen, und das hochflexibel mit geringen Werkzeugkosten. Schließlich sollten die Anwender mit der Maschine die Möglichkeit bekommen, wie beim Rapid Prototyping etwas schnell auszuprobieren.

Für das neuartige Maschinenkonzept sah Dietl gleich eine ganze Reihe möglicher Anwendungen. Einsetzbar sind für ihn Maschinen dieser Art in der Kleinserienfertigung, wobei er gleich einräumte: „Für die Großserie ist das zu teuer.“ Ein weiteres Anwendungsfeld sei die Wissenschaft, und zwar sowohl die Material- als auch die Walzprofilierforschung. In der Automobilindustrie könnten OEMs und ihre Zulieferer damit sowohl konventionelle als auch 3D-Geometrien walzprofilieren. Zudem ermögliche das Messmittel die Erstellung von Big-Data-Analysen für das Walzprofilieren. Auch die Entwicklung und Verifizierung von Industrieanlagenkonzepten für Serienbauteile sei damit möglich. Schließlich will Data M das Konzept dazu nutzen, um seine eigene Steuerungssoftware Copra AMC weiterzuentwickeln.

Erfahrungen aus mehreren Projekten fließen in Walzprofilieranlage ein

Bei der Entwicklung des Konzepts für das 3D Rollforming Center konnte Data M auf langjährigen Erfahrungen aufbauen. So hat das Unternehmen bereits in den Jahren 1999 und 2000 die erste Steuerung für das 3D-Walzprofilieren entwickelt, die dann für eine Forschungsanlage am Institut für Produktionstechnik und Umformmaschinen in Darmstadt eingesetzt wurde. Von 2007 bis 2010 beteiligte sich der Software­spezialist mit insgesamt 23 Partnern, darunter Fiat, Daimler sowie weiteren Tier-1-Automobilzulieferern und Universitäten, am europäischen Forschungsprojekt Proform und brachte hier ebenfalls sein Steuerungs-Know-how ein.

Im Jahr 2010 lieferte Data M eine selbst entwickelte Versuchsanlage zum flexiblen Walzprofilieren an den koreanischen Stahlhersteller Posco. Fünf Jahre später folte eine industrielle Anlage für Lkw-Längsträger. Diese zeichnete sich durch eine damals unerreichte Flexibilität aus: Mit einem Set-Up ließen sich mehr als 50 verschiedene Längsträgergeometrien realisieren. Bei der Steuerung dieser Anlage mit mehr als 90 servogetriebenen Achsen realisierte Data M neben einem optimierten Bedienkonzept durch ein passendes Human-Machine-Interface auch Einzelachantrieben für die Umformrollen. Mit den Erfahrungen aus diesen Projekten konnte das Unternehmen laut Dietl nicht nur das 3D Rollforming Center umsetzen, sondern will auch Industrie 4.0 beim Walzprofilieren voranbringen.

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