Künstliche Intelligenz (KI) meint die Digitalisierung menschlicher Wissensfähigkeiten. Sprache gehört dazu – und damit hat die Digitalisierung einen erheblichen Einfluss darauf, wie sich die Bewusstseinsindustrie und der Journalismus verändern. Wird über neue KI-Erfolge berichtet, reibt sich das menschliche Selbstverständnis inniglich an seinen Kreationen. Skepsis und Hoffnung wachsen im Gleichschritt: Überholt uns die Eigendynamik der weltweit entfesselten digitalen Kreativität? Hilft KI bei der Lösung der drängendsten Probleme unserer Zeit? Matthias Horx spricht von einem "humanen Minderwertigkeitskomplex" und dem Roboter als "Angstfreund". Sind wir noch Zauberer oder schon Zauberlehrling?

Intelligenz ist vielschichtig. In einer groben Klassifikation und ohne Anspruch auf Vollständigkeit kann man sensomotorische, kognitive, emotionale und soziale Fähigkeiten unterscheiden – und immer gehört Wissen dazu. Inhaltlich geht es sensomotorisch um das Gehen, Nehmen, Greifen oder das Balancieren, kognitiv um das Erinnern von Einsichten und das Einordnen von Fakten, emotional um das Verstehen und Erahnen der Gefühle und Einstellungen des Gegenübers und sozial um das Verhalten von und in Gruppen. In der Hoffnung haben wir darüber hinaus die Chance, auch kollektive Intelligenz zu entwickeln, denn die Gruppe ist mehr als die Gesamtheit ihrer Mitglieder – eine menschliche Chance, die allerdings oft durch menschliche Eitelkeit verpasst wird und deshalb nicht zu den erhofften inspirierten Ergebnissen führt.

Zwei Lesarten einer Vision

Die starke KI zielt auf das umfassende künstliche menschenähnliche Etwas – letztendlich der Homunculus, das künstliche Menschlein als Kopfgeburt. Dieser Ansatz trägt in sich die Frage nach dem Willen zur Macht – ein allzumenschlicher Wesenszug –, aber auch die Fragen nach dem eigenständigen maschinellen Selbstbewusstsein und der möglichen Übertragung des persönlichen Selbstbewusstseins auf eine Maschine, also letztendlich die digitale Unsterblichkeit. Hollywood ist dankbar und verkauft gerne unterhaltsam handlungsreiche, opulente Filme, in denen machtlüsterne Maschinen den Menschen zuerst überflügeln, um ihn dann in Reservate zu sperren oder auszurotten oder als Biokraftwerk und Energieproduzent zu missbrauchen. Viel Fiction, wenig Science.

 

Bei der schwachen KI – und das interessiert uns am DFKI – geht es nicht um das künstliche Bewusstsein, nicht um die Simulation des menschlichen Denkens; die schwache KI konzentriert sich auf einzelne konkrete Fähigkeiten und auf die Implementierung von nützlichen digitalen Assistenten, die den Menschen in seinen jeweiligen Handlungskontexten optimal unterstützen. Die schwache KI möchte helfen, dass Menschen ihre selbst gewählten Ziele besser, leichter oder mit einer höheren Qualität erreichen.

Computer eignen sich hervorragend für diesen Versuch, dieses Projekt, das seit über 60 Jahren immer mehr lernt über Alltagsintelligenz und die tatsächliche menschliche Verarbeitungsleistung. Was haben wir gelernt? Das KI-Paradoxon: Je leichter für den Menschen, desto schwerer für die Maschine. Menschen können vieles gleichzeitig, Maschinen können manches exzeptionell.

Wenn wir menschliche und maschinelle Wissensleistungen betrachten, müssen wir fair bleiben. Maschinen sehen den Wald und auch jeden Baum, haben aber ganz bestimmt kein Verständnis für die Poesie der Lichtung. Menschen sehen nicht nur Bilder, sondern denken eine ganze Geschichte dazu. Menschen hören nicht nur Worte, sondern immer auch eine Stimme – und bauen ein umfassendes Verständnis auf. Wobei wir eine gewisse Expertise entwickelt haben, die Übereinstimmung von Gesagtem und Gemeintem zu beurteilen, um so eine Vorstellung zu haben von dem Gedachten und dem Gewollten, um abzuleiten, inwiefern sich durch eine Äußerung die Welt verändert, in welche Richtung dies geschehen könnte und mit welchen Konsequenzen. Das können Maschinen – noch – nicht.