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Patientenschützer warnen vor der „Krankengeldfalle“

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Wer krank ist, muss sich auch um Krankschreibungen kümmern. Kleinste Fehler im Umgang mit der Bürokratie können teure Folgen haben
Quelle: Getty Images
Jährlich rutschen Tausende Menschen durch das soziale Sicherungsnetz. Ihnen wird das Krankengeld gestrichen, weil Fristen versäumt wurden. Die mangelnde Kulanz der Kassen könnte durchaus System haben.

In Deutschland rutschen nach Einschätzung von Patientenschützern jedes Jahr mehrere Tausend Menschen durch das soziale Sicherungsnetz, weil sie in die sogenannte Krankengeldfalle tappen. Das schätzt die Unabhängige Patientenberatung Deutschlands (UPD). Im vergangenen Jahr suchten dort etwa 10.000 Menschen Rat zum Thema Krankengeld, „ein ganz erheblicher Anteil von ihnen“ wegen einer Lücke in ihrer Krankschreibung, die dazu führt, dass die Betroffenen vor dem finanziellen Ruin stünden, sagte die juristische Leiterin der UPD, Heike Morris, der „Welt am Sonntag“.

Auch der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU), kennt dieses Problem nach eigenen Angaben. „In der Vergangenheit hatten sich auch bei mir viele Bürger darüber beschwert“, so Laumann.

Krankengeld erhalten sozialversicherungspflichtig Angestellte, die länger als sechs Wochen am Stück krankgeschrieben sind, als Lohnersatzleistung. Die Krankengeldfalle betrifft jene, die während der Krankschreibung ihren Arbeitsplatz verlieren. Versäumen sie es auch nur für einen einzigen Tag, ihre Krankschreibung zu verlängern, erlischt das gesamte Versicherungsverhältnis. Für die Betroffenen geht es häufig um Summen in Höhe von mehreren Tausend Euro.

Einer der größten Kostenblöcke im Gesundheitssystem

Die Politik bekommt dieses Problem nach Einschätzung der UPD bislang nicht in den Griff. Zwar gab es 2015 eine Gesetzesänderung, die die Krankengeldfalle entschärfte. Seither müssen sich die Krankschreibungen nicht mehr wie bisher um einen Tag überlappen. Doch das Problem sei damit längst nicht behoben, sagt UPD-Juristin Morris. „Die Grundproblematik hat die Gesetzesänderung nicht beseitigt“, sagt sie. Dafür sprechen auch Angaben der Techniker Krankenkasse, die auf Anfrage der „Welt am Sonntag“ mitteilte, zwei Drittel dieser Lückenfälle entstünden nach wie vor.

Das Krankengeld ist einer der größten Kostenblöcke für die gesetzlichen Krankenkassen. Im vergangenen Jahr gaben sie nach einer Hochrechnung auf Basis der ersten drei Quartale – auf Grundlage der Zahlen des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherung – insgesamt 11,68 Milliarden Euro aus. Jahr für Jahr steigen die Ausgaben deutlich.

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Quelle: Die Welt

Aus Sicht der UPD besteht deshalb ein Anreiz für die Kassen, in solchen strittigen Fällen wenig Kulanz gegenüber den Betroffenen zu zeigen. „Da entlastet es die Kassen natürlich erheblich, wenn ein Langzeitkranker, der sonst Anspruch auf Leistungen im Wert von Zehntausenden Euro hat, plötzlich durch solch eine Lücke aus der Versorgung fällt“, sagt Morris. Die Patientenberatung fordert die Kassen auf, ihren Spielraum für mehr Kulanz zu nutzen.

Einen weiteren gesetzlichen Handlungsbedarf gebe es nicht, urteilt der Patientenbeauftragte Laumann. Ihn erreichten heute nur noch „vereinzelt“ solche Bürgerbeschwerden, sagt er.

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