Datengetriebene PR: Von der „Influencer Detection“ zum „Automated Data Storytelling“

Cognitive-PR

Denkt man an Daten in der PR, fallen einem zuerst die Evaluationsklassiker wie Medienresonanzanalyse, Medienbeobachtung oder bestenfalls noch Webseite- und Social-Media-Statistiken ein. Wo sonst wurde in der PR viel mit Zahlen hantiert? Budgetplanung, ok. Ach ja, im Geschäftsbericht.

Das wird sich nachhaltig ändern: Denn erstens werden immer mehr Daten – zum Teil automatisch – produziert, die Stoff für Kommunikation liefern. Zweitens – und das ist der wichtigere Treiber – werden über immer smartere Algorithmen Daten analysierbar, die bisher einer automatischen Analyse nicht oder nur schwer zugänglich waren. Damit sind vor allem unstrukturierte Daten gemeint, wie Namen von Personen oder Ortsangaben in Fließtexten, Bildinhalte, Inhalte von Kommentaren in Social Media usw. Zum Dritten wird die Daten-Affinität durch die Kollegen aus dem Digital-PR-Ressort getrieben. Denn hier verwischen sich die Grenzen zwischen PR und Marketing – und im Marketing ist datengetriebenes Arbeiten gängige Praxis.

Die Anwendungsfelder für die datengetriebene PR erstrecken sich über alle Aspekte des PR-Prozesses

In der Analyse des kommunikativen Umfelds stehen mehrere Felder im Fokus: Die Analyse von Zielgruppenpräferenzen und der darauf basierenden Antizipation von Reaktionen, der Influencer-Identifikation und die Themenanalyse. Bei diesen Aufgabenstellungen sind Werkzeuge gängig, die mit Daten aus dem Online-Monitoring arbeiten und Themenentwicklungen beziehungsweise Netzwerkstrukturen quantitativ bewerten.

Insbesondere der Zugriff auf SEO-Tools ermöglicht eine Beobachtung der digitalen Aktivitäten von Wettbewerbern und lässt Rückschlüsse auf Kampagnen, Keyword-Strategien und thematischen Schwerpunktsetzungen zu.

Bei diesen Aufgaben ist man mit den Möglichkeiten schon relativ weit. Allerdings gibt es hier noch keine One-Stop-Shops, sondern die Daten müssen aus einer Vielzahl von einzelnen Tools zusammengeführt werden. Zur Darstellung in Dashboards, das heißt Tools, die die Daten nebeneinander darstellen, existiert eine Reihe von Lösungen, aber weiterführende Auswertungen setzen teure Data-Mining-Lösungen voraus, die hierfür bisher kaum eingesetzt werden.

In der Strategieentwicklung und in der Definition (und Evaluation) von Kommunikationszielen: Kommunikationsziele wie „Share of voice“ oder mit PR-Maßnahmen zur Generierung von Influencer-Kontakten beizutragen, werden erst in einem datengetriebenen Umfeld praktisch messbar. Reaktionen auf bestimmte Kommunikationsmaßnahmen lassen sich in einem gewissen Rahmen prognostizieren, so dass sich hier das neue Anwendungsfeld „Predictive Analytics“ gebildet hat.

Zusammen mit den neuen Möglichkeiten bei der Umfeldanalyse sowie der Kanal- und Kampagnensteuerung haben die Analyse-Instrumente Auswirkungen auf die Strategieentwicklung. Denn sie eröffnen den Weg zu neuen Konzepten und Vorgehensweisen.

Für die Konzeption von Maßnahmen bedeutet das, dass mehr Freiheiten für eine laufende Justierung laufender Maßnahmen auf Basis der laufend gemessenen Ergebnisse einkalkuliert werden müssen. Auch das ist mit „Agilität“ gemeint.

Im Bereich der Maßnahmen und in der Projektorganisation möchte ich das an vier Themen beispielhaft illustrieren.

Ähnlich wie der Journalismus lernt, den Datenjournalismus zu integrieren, machen sich in Marketing und PR einige Leute Gedanken über Data Storytelling. Daten sind dort das Basismaterial für Inhalte, die komplexe Sachverhalte ansprechend vermitteln. In vielen Fällen werden Themen erst durch die Datenanalyse sichtbar. Der niedrigschwellige Zugang zu Visualisierungsmöglichkeiten (z. B. über entsprechende Grafikbibliotheken wie D3.JS oder Tools wie Tableau) und interaktiver Darstellung macht Data Stories zu einem interessanten Format.

Nun kommt die Sensorik ins Spiel: GPS-Sender, Drohnen, Kameras, Thermometer, Gyroskope, Gesichts- und Emotionserkennung liefern permanent Daten, die einerseits neue Themen für das Data Storytelling erschließen, andererseits maschinenlesbar sind und somit Ansatzpunkte für „Robot-Redakteure“ liefern.

Die Sensorik liefert darüber hinaus Daten, die in die Kampagnensteuerung eingreifen und Einfluss auf die Ausgestaltung einzelner Formate haben können. Beispielsweise Werbebotschaften werden heute bereits automatisiert angepasst – je nach Wetter und Stimmung der Zielgruppe, die mit Kameras anhand der Gesichtszüge gemessen wird.

Auch ohne Sensorik beeinflussen Daten die Kampagnensteuerung. Zum Beispiel über „Editorial Analytics“, einem Thema, das in Verlagen und News-Redaktionen an Gewicht gewinnt. Technisch wird es über eine Kombination von Web-, SEO- und Social Media-Metrics-Werkzeugen realisiert, die fest in Redaktionssysteme verankert sind. So bekommen Redakteure in Echtzeit Feedback über die Nutzung der von ihnen erstellen Inhalte, über die Wirkung von Interventionen (Änderung von Headlines, begleitende Social Media-Vermarktung) und User-Reaktionen. Varianten eines Artikels mit unterschiedlichen Headlines können über ein sogenanntes A/B- oder multivariates Testing Analysen an den Nutzern getestet werden, bevor man sich für eine Variante entscheidet. Ein solches direktes Feedback generiert wertvolles Wissen, das hilft, die redaktionelle Arbeit zu verbessern. Einen guten Überblick hierzu liefert das Reuters Institute.

Blicken wir auf die Verwaltung der Inhalte: Es gibt Asset-Management- und Content-Management-Systeme, die leider in der Regel relativ dumm sind bzw. nicht schlauer sein können als das, was an Inhalten hereinkommt. Im „Structured Journalism“ werden über KI-Algorithmen Inhalte in einzelne Bausteine zerlegt und automatisch verschlagwortet (beeindruckend: Der „Editor“ der New York Times). Diese Module lassen sich bei Bedarf einfacher zu neuen Stories kombinieren – wie bei einem Lego-Baukasten. Gerade im Sinne einer Mehrfachverwertung und -formatierung für verschiedene Kanäle ist diese Methode ein Produktivitäts-Booster.

Brauchen wir das denn alles? 

Vielleicht nicht im vollen Umfang oder kurzfristig. Doch schauen wir uns an, was derzeit passiert: Wir haben es in Deutschland – je nach Thema – mit 82 Millionen potentiellen Multiplikatoren zu tun, mit einem Umfeld, in dem täglich Millionen von Botschaften verbreitet werden. Will man hier wahrgenommen und gehört werden, sollte man wissen, wen man auf welcher Plattform mit welchen kommunikativen Angeboten wann erreichen kann. Und das geht nicht ohne die Reduktion von Komplexität mit Hilfe von Daten und deren Analyse.

Zum Thema Cognitive PR haben die Autoren Armin Sieber und Jörg Hoewner das Cognitive-PR-Network ins Leben gerufen, auf dessen Blog Sie weitere Beiträge zum Thema – außerhalb und ergänzend zu dieser pressesprecher-Kolumne – finden.