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Wertvoll wie in den Neunzigern Plötzlich cool: Das späte Comeback von Microsoft

In den Neunzigern war Microsoft das wertvollste Unternehmen der Welt, dann kam der Absturz. Doch die jüngsten Zahlen zeigen: Der neue Microsoft-Chef Satya Nadella konnte das Ruder herumreißen. Und er hat noch einiges im Köcher.

Cool war Microsoft nie. Dennoch prägte der Konzern mehrere Jahrzehnte das Bild von Computern wie kein Unternehmen vor oder nach ihm. Denn ohne Windows lief lange nichts, kein Spiel und kein Büro. Im September 1998 war Microsoft endgültig auf dem Gipfel angelangt: Das Redmonder Unternehmen wurde zum größten der Welt.

Doch in der zweiten Hälfte unter der Ägide von Ex-Chef Steve Ballmer, der von 2000 bis 2014 das Zepter führte, kam der Absturz. Als Steve Jobs im Januar 2007 das iPhone vorstellte, machte sich Ballmer noch über das tastenlose Telefon lustig. Danach blieb ihm das Lachen im Hals stecken: Unter seiner Führung verpasste Microsoft den Smartphone-Trend, verbrannte Milliarden mit dem Zukauf von Nokia und entwickelte mit Windows 8 eines der unbeliebtesten Betriebssysteme aller Zeiten. Der Konzern wirkte planlos und hechelte der Konkurrenz hinterher.

Nadella gelingt der Kurswechsel

Das änderte sich im Februar 2014, als Firmenveteran Satya Nadella als neuer Microsoft-Chef vorgestellt wurde. Kontrastreicher konnte der Wechsel an der Spitze kaum sein: War Ballmer für seine lauten, zuweilen krawalligen Auftritte bekannt, ist Nadella eher ein Mann der leisen und überlegten Töne, der auch viel von der Technik hinter dem Business versteht. Er ist ein Bastler, kein klassischer Manager wie Ballmer.

Wie die jüngsten Quartalszahlen zeigen, trägt der von Nadella eingeleitete Kurswechsel Früchte: Der Gewinn kletterte im Zeitraum von Oktober bis Ende Dezember um 3,6 Prozent auf insgesamt 5,2 Milliarden US-Dollar. Der Umsatz stieg um 2,2 Prozent auf 26 Milliarden Dollar. Microsoft knackte an der Wall Street erstmals seit 1999 wieder die 500-Milliarden-Grenze. Das übertraf sämtliche Erwartungen.

Die Cloud verdient das Geld

Ein genauer Blick auf die Zahlen zeigt: Nadellas "Cloud First"-Taktik geht komplett auf. Während die Erlöse aus der Windows-Sparte trotz Weihnachtsgeschäft um fünf und die Spiele-Sparte Xbox um drei Prozent leicht nachgaben, legte die Office-Sparte deutlich zu. Der größte Wachstumstreiber ist die Cloud-Sparte: Hier wachsen die Umsätze um acht Prozent.

Nadella konzentrierte sich in den vergangenen Jahren auf Lösungen für den fortschreitenden Bedarf zur Digitalisierung der Weltwirtschaft. Mit Erfolg: Die Azure-Plattform, mit der Unternehmen ihre Websites, Apps und Daten verwalten, legte um herausragende 94 Prozent zu. Damit wird Microsoft zum schärfsten Gegner von Amazons Web Services (AWS) und hängt Konkurrenten wie IBM oder Oracle weiter ab.

Innovative Hard- und Software

Microsoft kann optimistisch in die Zukunft blicken. Ein Ende des Cloud-Booms ist nicht in Sicht, und einige heiße Eisen sind noch im Feuer. Große Erwartungen setzt Nadella etwa in die Weiterentwicklung der Künstlichen Intelligenz, die sowohl Office 365 als auch den Sprachassistenten Cortana voranbringen sollen. Zudem wird die Technik in naher Zukunft Echtzeit-Übersetzungen für den Videotelefonie-Dienst Skype ermöglichen, die Tests dafür laufen bereits. Auch umfangreiche Big-Data-Analysen durch Künstliche Intelligenz werden gefragter, was die Auslastung der eigenen Rechenzentren weiter erhöht.

Bei der Hardware kann Microsoft ebenso mit Innovationen punkten und gilt plötzlich als Trendsetter. Das vor wenigen Monaten vorgestellte Surface Studio, das mehr drauf hat als Apples iMac, kommt weltweit besser an, als erwartet. Dennoch dürften die verkauften Stückzahlen bislang überschaubar sein. Mit dem Surface Book bewies der Konzern, dass die Ingenieure keine Hemmungen haben, völlig neue Wege zu gehen. Und das Continuum-Feature, mit dem das Smartphone in wenigen Handgriffen zum vollwertigen PC wird, war eigentlich eine gute Idee, die im Massenmarkt leider nie Anklang fand. Samsung kopiert das Feature nun im kommenden Galaxy S8 und wird dafür womöglich die Lorbeeren einstreichen.

Kampf um neue Geschäftsfelder

Das ist derzeit Microsofts größtes Manko: Viele Ideen sind gut, bisweilen ist die Technik aber nicht immer reif für den Massenmarkt. Das erste Surface Book etwa konnte in unserem Test die hohen Erwartungen nicht erfüllen, weil die Akkulaufzeit im Tablet-Modus mickrig ausfiel. Bei der zweiten Generation hat man nachgebessert, doch bei vielen Kunden bleibt der erste Eindruck hängen. Und das Surface Studio ist mit Preisen um 4000 Euro so teuer, dass sich nur wenige Menschen den PC leisten können. Schade eigentlich, denn er ist ein echter Hingucker.

Satya Nadella führt den Konzern nun knapp drei Jahre und hat in der kurzen Zeit nicht nur umsatzseitig viel erreicht. Er hat den angestaubten Konzern auch wieder cool gemacht. Nun wird es spannend zu sehen sein, ob der Konzern nach der verpassten Smartphone-Ära sich in den neuen Geschäftsfeldern langfristig etablieren kann. Denn der Konkurrenzdruck ist groß: Amazon dominiert nicht nur das Cloud-Geschäft, der smarte Assistent Alexa entwickelt sich allmählich zur Plattform für das Internet der Dinge. Cortana spielt dagegen wie Apples Siri kaum eine Rolle.

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