"Ja", sagt Stefan Ruzowitzky und fischt seinen Teebeutel aus der weißen Porzellankanne. "Jaaa", wiederholt er, diesmal leicht genervt, denn er hat diese Frage erwartet. Die Frage war: Musste der Satz "Das ist nicht der Islam" vorkommen? Er fällt etwa in der Mitte von Ruzowitzkys neuem Film Die Hölle, als die Hauptdarstellerin Özge einem Polizisten erklärt, dass die grauenhaften Taten des koranbessenen, islamistischen Serienkillers, der sie verfolgt, nicht dem Islam zuzurechnen seien, sondern nur einer Minderheit von Islamisten, die den Koran nach ihrem gewaltbesessenen Gutdünken auslegen. "Ja", sagt Ruzowitzky, "der Satz war absolut notwendig, auch wenn ich ihn selber nicht mag. Aber sonst wäre der Film eventuell falsch zu verstehen gewesen."

Sein harter, 90-minütiger Actionthriller sei trotz seines kritischen Blickes kein Sittenbild und keine Anklage einer Volksgruppe oder einer Religion, sagt Ruzowitzky: "Mein Film steht im Einklang mit meiner Welt und meinen Werten. Und diese sind sicher nicht die Werte rechtspopulistischer Politiker."

Die Hölle ist vielmehr eine Kriminalgeschichte, die Muslime in den Mittelpunkt des Geschehens rückt. Özge Dogrul, die einzelgängerische Taxilenkerin, die in ihrer Freizeit Jungs in Thaibox-Käfigen verdrischt, ist Muslima. Ihr Chef, der melancholische Taxiunternehmer Samir, ist Muslim. Ihr muskelbepackter Ex-Freund ist Muslim. Ihre promiskuitive Freundin ist Muslima. Ihr karrieregeiler Bruder und ihre tiefreligiösen Eltern sind Muslime. Und eben auch der psychopathische Killer, ein UN-Mitarbeiter, der schon etliche Frauen in etlichen Städten hinrichtet hat, bevor er in Wien sein Tötungswerk fortsetzt. Seine Opfer sind Prostituierte und Muslima. Er zieht ihnen die Haut ab und gießt während des Sterbens heißes Öl in den Mund.

Die Hölle (produziert von ZDF und Allegro-Film) ist nur einer von zwei Filmen, die Stefan Ruzowitzky dieses Frühjahr in die deutsch- und englischsprachigen Kinos bringt. Der zweite, seine in London gedrehte Hollywood-Produktion Patient Zero, läuft im März an. Der Thriller mit Nathalie Dormer (Game of Thrones) in der Hauptrolle erzählt vom Ausbruch eines Virus und dem drohenden Untergang der Zivilisation. Die Produktionsfirma Sony listet den Film im Genre Horror.

2017 ist Ruzowitzkys Jahr. Nach den Premieren seiner Kinoprojekte beginnt er im Sommer mit den Dreharbeiten zu der aufwändigen achtteiligen Serie Acht Tage, die der Bezahlsender Sky Deutschland in Auftrag gegeben hat. Ruzowitzky teilt sich die Arbeit mit Phillip Leinemann und Michael Krummenacher, zwei eher unbekannten Kollegen, die man als Talente verbucht. "Das Interessante an dieser Arbeit ist" sagt Ruzowitzky, "dass ich mit Leuten zusammenarbeite, die 20 bis 30 Jahre jünger sind als ich. Die haben einen völlig anderen Zugang zu Film und Serien."

Das Ende der Menschheit in Deutschland

Acht Tage handelt von einem bevorstehenden und unabwendbaren Asteroideneinschlag in Deutschland und darüber, wie die Menschen die letzten Tage ihres Lebens gestalten. "Manche", erzählt Ruzowitzky, "verlieren jegliche Moral, andere hingegen geben sich noch am Vortag des Untergangs neuen Aufgaben hin, als würde das Ende der Zivilisation nicht stattfinden." Mehr zum Drehbuch will Ruzowitzky nicht verraten, nur eins: "Ein Film wie Melancholia wird Acht Tage sicher nicht werden."

Stefan Ruzowitzky, Jahrgang 1961, ist einer der erfolgreichsten österreichischen Filmemacher. Sein Drama "Die Siebtelbauern" (1998) machte ihn im Arthouse-Kino bekannt. Ein breiteres Publikum erreicht er mit seinen beiden "Anatomie"- Thrillern (2000/2003). Für sein Holocaust-Drama "Die Fälscher" erhielt er 2008 den Oscar. 2017 erscheint sein Film "Die Hölle", die Hollywood-Produktion "Patient Zero". Derzeit arbeitet er an der deutschsprachigen Serie "Acht Tage". © Petro Domenigg /​ Allegrofilm

"Serien sind eigentlich nicht mein Ding", beendet Ruzowitzky die nun eingetretene Pause des Gesprächs, "ich schaue mir kaum welche an, denn ich mag es, wenn eine Handlung in 90 Minuten komprimiert vorgetragen und das Geschehen nicht auf unzählige Folgen ausgedehnt wird. Bei Acht Tage habe ich das Gefühl, dass es acht komprimierte Spielfilme sind." Er werde nur zwei oder drei Folgen drehen. "Und ich kann je einen Tag zusammenfassen und abschließen."

Der 55-jährige Regisseur, der das Bubenhafte nie verloren hat, lebt mit seiner Frau und zwei Kindern ein bürgerliches, nahezu beschauliches Leben in Klosterneuburg bei Wien. Die Kleinstadt an der Donau hat alte Gassen, ein großes, alles überragendes Stift und viele Weinberge. Ruzowitzkys Haus ist ein moderner, herausstechender Bau; ein Architektentraum, karg, aber schön, vorteilhaft funktionell, mit einem riesigen, zweistöckigen Wohnzimmer und vielen kleineren Räumen. In einem dieser Zimmer hat die Familie seit einem Jahr einen afghanischen Flüchtling untergebracht, einen unbegleiteten Minderjährigen, der nächstes Jahr volljährig wird. Wie läuft es mit ihm? "Eigentlich sehr gut", sagt Ruzowitzky, "man muss ihm manchmal nur klarmachen, dass Mathelernen wichtiger ist, als Spieler im hiesigen Fußballclub zu sein."

Wenn man die Blicke durch den Wohnraum schweifen lässt, fällt einem erst spät der kleine Vorsprung auf, der knapp unter der Decke für eine kleine goldene Statue errichtet wurde, die dort ein fast unbemerktes Dasein führt. "Dort genau gehört der Oscar hin", sagt Ruzowitzky, der die höchste Auszeichnung der Branche 2008 für seinen Film Die Fälscher erhalten hatte. "Ich habe ihm einen Platz gegeben, der seine Wichtigkeit verkörpert, ohne dass er gleich jedem auffällt." Understatement? "Eher Zeugnis seiner Einzigartigkeit", sagt Ruzowitzky.