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Interview „Geld ist in Deutschland ein Tabuthema“

Über Geld wird in Deutschland nicht so gerne gesprochen
Über Geld wird in Deutschland nicht so gerne gesprochen
© Getty Images
Finanzplaner Michael Huber über den Anlagenotstand der Deutschen und typische Fehler bei der Ruhestandsplanung.

Capital: Herr Huber, viele Bundesbürger haben im vergangenen Jahr größere Summen aus Lebensversicherungen oder Erbschaften erhalten und fragen sich nun: Wie soll ich das Geld anlegen?

Wir beobachten schon seit längerem, dass genügend Geld zur Anlage da ist, aber große Ratlosigkeit herrscht bei der Umsetzung. Am Ende muss häufig immer noch das Tagesgeld herhalten.

Kurzfristig parken viele ihr Geld, mitunter wird dann eine Dauersituation daraus. Kümmern sich die Deutschen zu wenig um ihre langfristige Vermögensplanung?

Ein klares Ja. Die Sache liegt sogar noch tiefer: Geld ist in Deutschland ein Tabuthema und findet selbst in Diskussionen mit Freunden viel zu wenig Platz. Auch die Unwissenheit ist groß. In der Folge werden private Gelder häufig nicht sinnvoll angelegt.

Ist schlechte Geldanlage eine deutsche Eigenheit?

Das Phänomen ist natürlich vielschichtig, ein wichtiger Grund ist aber das enorme Sicherheitsbedürfnis hierzulande. Viele Deutsche nehmen lieber einen schleichenden Wertverlust auf dem Tagesgeldkonto in Kauf als sich den Schwankungen der Börse auszusetzen.

Gerade bei der Ruhestandsplanung ist die Sorge vor Risiken doch verständlich...

Schon, doch es geht darum festzustellen, wie viel Risiko ich mir leisten kann. Das hängt von der Anlagedauer ab: Die Wahrscheinlichkeit, über einen Zeitraum von 10 oder 15 Jahren mit Aktienfonds ein Minus zu machen, ist sehr, sehr gering. Zudem sollten Anleger herausfinden, mit welchen Kursschwankungen sie persönlich gut leben können.

Und wenn ich das nicht abschätzen kann?

Es ist wichtig, das einmal mit einem Betrag X zu simulieren. So bekommt man ein Gefühl dafür, ob man sich mit einer Aktienanlage anfreunden kann. Aktien sind ja keine Spekulation, sondern eine Investition, um an der globalen Wirtschaftsentwicklung zu partizipieren.

Haben die Anleger denn realistische Vorstellungen, wie viel Kapital sie im Alter brauchen werden?

Ich will es mal positiv formulieren: Die Sensibilität für das Thema ist den letzten Jahren sehr stark gestiegen. Viele spüren, dass etwas zu tun ist und machen dann einen Riester-, Rürup- oder Fondssparplan über 200 Euro, um das schlechte Gewissen zu beruhigen. Aber das sind nur einzelne Bausteine. Eine vernünftige Ruhestandsplanung mit konkreten Zahlen stellt kaum jemand auf.

Was sind neben der fehlenden Planung die häufigsten Fehler bei der Altersvorsorge?

Viele Sparer legen bei der Geldanlage immer noch einen zu großen Fokus auf das Steuersparen und achten zu wenig auf Gebühren. Vor allem aber investieren die wenigsten genügend Zeit. Für den Kauf eines neuen Autos oder einer Küche wird laut Statistiken viel mehr Zeit aufgewandt als für die lebenslange Altersversorgung. Das ist ein klarer Missstand.

Wie viel Zeit sollte ich denn investieren?

Eher mehr als beim Auto. Ein bis zwei Stunden im Monat halte ich für vernünftig. Der Anfang – wenn es um das Konzept geht – ist ein bisschen aufwändiger.

Zeitaufwand, Konsumverzicht – das klingt alles etwas freudlos...

Mir macht es Spaß. Es ist doch so: Ab dem Moment, wo ich meine Sparziele definiere und erfülle, kann ich das übrige Geld viel befreiter ausgeben. Das ist ein besseres Gefühl als das ständige Unwohlsein, dass ich eigentlich vorsorgen müsste.

Michael Huberist Ökonom und Mitglied der Geschäftsleitung beim VZ Vermögenszentrum. Als unabhängiger Finanzplaner und Vermögensverwalter vermittelt er keine Produkte, sondern berät Klienten ausschließlich auf Honorarbasis.

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