Der "tiefgreifende und unmittelbare wirtschaftliche Schock", den Großbritanniens Finanzministerium im Falle des Brexit vorausgesagt hatte, ist bislang nicht eingetreten. Auch der Fall des Pfunds hat die Wirtschaft weniger hart getroffen als erwartet. Britische Unternehmen haben bereits optimistische Prognosen für das nächste Jahr abgegeben. Die Bank of England korrigiert ihre zurückhaltenden Vorhersagen und prognostiziert für 2017 ein Wirtschaftswachstum von 1,4 Prozent. Vor drei Monaten war sie noch von 0,8 Prozent ausgegangen.

Laut offiziellen Erhebungen sind die Investitionen von Unternehmen in den ersten drei Monaten nach dem Referendum – entgegen aller Erwartung – gestiegen. Das Gremium der Fertigungsindustrie EEF sagte, dass die Branche derzeit die lebendigsten Entwicklungen seit anderthalb Jahren erfährt. Dies sei teilweise auf den exportfördernden Rückgang des Pfunds zurückzuführen. Viele britische und internationale Unternehmen nutzten die Chance und investierten oder planten neue Stellen. Erst in den letzten Wochen hatten Branchengrößen wie Facebook und Google angekündigt, neue Stellen in Großbritannien schaffen zu wollen.

Die Bestellungen seien weiterhin stabil und neues Wachstum sei im Gange, sagte Richard Bunce, Chef des Technologieunternehmens Mec Com Ltd., welches etwa Siemens beliefert. Bunce sagte, man habe sich auf harte Zeiten eingestellt, aber er habe wie viele andere Manager Zweifel beiseitegestellt und Investitionen getätigt. "Wir sind uns sicher, dass wir Möglichkeiten haben, die den Weg um den Brexit herum finden werden." Sein Unternehmen habe bereits Vorsichtsmaßnahmen getroffen, um im Falle von steigenden Exportsteuern vorbereitet zu sein. Eine Möglichkeit sei beispielsweise, bei einem harten Brexit Teile der Produktion in Rumänien zu erweitern. Derzeit plane man jedoch eine Zukunft in Großbritannien.

Der Geschäftsführer des Automobilteilzulieferers Brose UK sagte, das Unternehmen beobachte, ob Autohersteller im Fall von hohen Handelszöllen in Großbritannien die Produktion in andere europäische Länder verlagerten. Die Ankündigung des japanischen Herstellers Nissan, mehr Autos in Großbritannien bauen zu lassen, sei jedoch ein positives Zeichen.

Im Juni hatte die Mehrheit der Briten dafür gestimmt, dass Großbritannien die Europäische Union verlassen soll. Zuletzt wurde festgelegt, dass Premierministerin Theresa May bis Ende März 2017 einen Antrag zum Austritt aus der EU vorgelegen muss. Dann erst könnte der zwei Jahre dauernder Prozess beginnen, in dem die Einzelheiten des Austritts verhandelt werden. Vereinbarungen über die neue Zusammenarbeit zwischen UK und der EU könnten diesen Zeitraum nochmals deutlich überschreiten.