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Alte Bücher sind etwas ganz Besonderes, sie haben ein langes Leben hinter sich und sind manchmal Schätze, die man heben kann. So wie das Buch des Freiherrn (von) Knigge, welches den Titel trägt: "Über den Umgang mit Menschen". Der gute Herr Knigge ist durch dieses Werk zu Unsterblichkeit gelangt, denn jeder kennt seinen Namen im Zusammenhang mit gutem Benehmen und kultivierten Umgangsformen. Geradezu sprichwörtlich ist er geworden, denn der Spruch "Der hat seinen Knigge nun wirklich nicht gelesen", wenn der Tischnachbar die Zigarette in der Untertasse ausdrückt, ist immer passend – und jeder weiß, was gemeint ist.
Seit Erscheinen dieses Werkes gab es viele Neuauflagen von anderen Autoren, denn die Benimmregeln sind natürlich auch den Wandlungen der Zeit unterworfen. Auf einem Flohmarkt fiel mir ein schmaler und sehr alter Band in die Hände, mit unübersehbaren Altersspuren. Tatsächlich war es eine Ausgabe des berühmten "Knigge", in Fraktur gedruckt. Und natürlich machte das Buch neugierig auf den Inhalt, der kulturelles Allgemeingut ist und sprichwörtlichen Ruhm erlangt hat. Die altväterliche Sprache erschließt sich schnell, und dann zeigt sich, dass der Autor ein weit größeres Anliegen als bloße Umgangsformen hatte. Die nämlich sind in diesem Buch völlig unwichtig – es geht dem Freiherrn um weitaus ernstere Dinge.
Seine Ausführungen, was die verschiedenen Temperamente der Menschen betrifft und auch seine Analysen – hat man sich an seine Ausdrucksweise gewöhnt – sind ungemein zutreffend. So schreibt er zum Beispiel über den melancholisch-sanguinischen Typ: "... sie zünden sich mehrenteils an beiden Enden zugleich an, reiben sich selber an Leib und Seele auf." Man kennt die Menschen, die auf jeder Gesellschaft glänzen, charmant und lustig und immer präsent im Mittelpunkt stehen – und unter deren Oberfläche eine tiefe Traurigkeit sitzt, eine Einsamkeit, die sie auffrisst. Würde Knigge sein Buch in der heutigen Zeit schreiben, spräche er wahrscheinlich vom "Burnout-Syndrom".
Wenn der Freiherr schreibt: "Bloß cholerische Leute flieht billig jeder, dem seine Ruhe lieb ist. Ihr Feuer brennt unaufhörlich, zündet und verzehrt ohne zu wärmen", klingt das einigermaßen hart, gilt aber für die Reinform des Temperamentes, das es so nicht wirklich gibt, worauf er allerdings hinweist. Was dann über die verschiedenen Mischtypen folgt, hat (mit kleinen Abstrichen) noch heute Gültigkeit. Was nun die "Frauenzimmer" betrifft, so lässt der Autor diese vor in seinem Werk, da sie – wie er zeitgeistgebunden richtig bemerkt – in vielen Dingen eingeschränkter sind als Männer, andererseits aber freier sind und für sie andere Maßstäbe gelten. Zu seiner Zeit war das der Fall, heute können Knigges Ausführungen für beide Geschlechter gelten.
Weiter erfährt man vieles über Freundschaften, Erziehung und die richtige Haltung in Herzensangelegenheiten. Und obwohl man sich ein Lächeln öfter nicht verkneift, zum Beispiel über seine Sicht, was das Eheleben betrifft, kann man meist den Ausführungen nicht sehr viel entgegensetzen. Das Kapitel über Freundschaften ist hochinteressant, es kann durchaus noch heute ein guter Ratgeber sein. Vor allem misst der Autor diesem Punkt große Wichtigkeit bei. Freundschaften sind in unserer Zeit einer Art Inflation ausgesetzt, sie verlieren zunehmend an Tiefe.
Legt man nach der Exkursion in die Vergangenheit das Buch zur Seite, sieht man bei einigem Nachdenken, dass sich nicht allzu viel geändert hat, was die zwischenmenschlichen Beziehungen betrifft. Freiherr Knigge war ein sehr scharfer Beobachter, der seine Erkenntnisse auch umzusetzen wusste. Und vor allem war er eins: ein Menschenfreund.
© "Knigge und der Umgang mit Menschen": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2011. Bildnachweis: Meditation, CC0 (Public Domain Lizenz).
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