FAZ.NET-Faktencheck : Braucht Wikipedia unser Geld?
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Die höchste Gabe seien bisher 10.000 Euro gewesen, sagt Rickerts. Der Großteil kommt aus Kleinspenden um die 20 Euro – wie auf dem Banner erbeten. Dieses erfüllt seinen Zweck offenbar: Die Zahl der Spender ist über die letzten Jahre stark gestiegen, wie im Übrigen auch das Spendenziel. 2011 waren es noch 4,1 Millionen, heute sollen es 8,6 Millionen werden. Rickerts begründet das mit dem stetigen Wachstum des Online-Lexikons: Das System wird größer, die Artikelzahl steigt und damit nicht zuletzt auch die Erwartungen an Wikipedia – und die wolle man ja nicht enttäuschen. Wofür verwendet Wikimedia-Deutschland nun aber die über 6 Millionen Euro genau?
Drohne gefällig?
Der naheliegendste Posten ist wohl die IT-Abteilung. In Softwareentwicklung und Support fließen rund 1,6 Millionen Euro. Aber die Wiki-Welt existiert nicht nur im Netz, ganz im Gegenteil, offline frisst sie das meiste Geld. Das fängt beim Gehalt an: Wikimedia-Deutschland hat 82 hauptamtliche Mitarbeiter. Das große Freiwilligen-Projekt arbeitet längst wie ein durchaus professionelles Medienunternehmen. Neben dem Heer an Software-Spezialisten reicht die Liste von den Empfangsdamen über Spendensammler und PR-Strategen bis hin zu sechs Werksstudenten.
Beim Posten „Ideenförderung“ wird es da schon interessanter: Autoren können nämlich bei Wikimedia anklopfen und für ein geplantes Projekt um Unterstützung bitten. Flugticket, Tankfüllung und das Abendessen oben drauf – alles ist möglich und obendrein nicht an Landesgrenzen gebunden. Die Hilfe für den Dienst an der Wikipedia endet allerdings nicht bei profanen Reisekosten. Wikimedia verleiht auch Technik. So hat der Verein Kameras, Laptops oder Mikroskope auf Lager und mittlerweile sogar Drohnen angeschafft. Um Aufstiegsgenehmigung und Versicherung des kostspieligen Geräts kümmert sich Wikimedia übrigens gleich mit.
Für so viel wertvollen Service muss man nicht einmal einer der 6000 aktiven Autoren der deutschen Wikipedia sein. Jeder könne all dies anfragen, so Rickerts. Beispielsweise für die Dokumentation von Denkmälern sei gerade eine Drohne durchaus hilfreich. Einen sinnvollen Plan für sein Unterfangen sollte man bei seinem Antrag freilich mitliefern. Den prüfe dann das Team in Berlin. Grundsätzlich steht die große Projekt-Reise auf Wikipedia-Rechnung so aber jedem offen.
Im Kern sei Wikipedia eben eine Bewegung, die sich um Wissen in jeglicher Form kümmert, sagt der Wikimedia-Deutschland-Chef. Das schließt auch Kooperationen mit Hochschulen oder Museen ein. Für den gesamten Bereich „Bildung, Wissenschaft und Kultur“ sind 2016 gut 600.000 Euro eingeplant. Konkret veranstaltet Wikimedia etwa Workshops, um Institutionen und Wikipedianer zusammenzubringen. So werden dann beispielsweise Museumsbestände bei Wikipedia eingepflegt, Archive durchforstet oder Galerien abgelichtet.
Spendensammlerei wird in Community heiß diskutiert
Damit all das weiter möglich bleibt, betreibt Wikimedia ganz klassisch Lobbying. „In Debatten über das Urheberrecht wird oft nur die kommerzielle Sicht betrachtet “, sagt Rickerts. Der Verein bringe hier die Wikipedia-Perspektive ein. Rickerts weiß nur zu gut, neue Hürden in diesem Feld können die Arbeit seines Vereins schnell äußert kompliziert machen. Also hat Wikimedia auch den Posten „Politik & Recht im Budget bedacht.
Über dieses Budget und die Spendensammlerei wird in der Wikipedia-Community heiß diskutiert. Gerade das satte Vermögen der amerikanischen Stiftung kommt gar nicht gut an und so manch besonders idealistischer Verfechter des freien Wissens will von Geld rein gar nichts wissen. In einer derart diversen Community habe man eben alle Meinungen, sagt Christian Rickerts. Wikimedia reagiert derweil auf die Kritik am Geld mit Geld - und zwar mit einem ordentlichen Batzen:
420.000 Euro sind für die „Verbesserung des Verhältnisses zwischen Verein und Community“ reserviert. Gelingen soll das vor allem mit verschiedensten Veranstaltungen. Man will ins Gespräch kommen und das auch mal offline. Einmal im Jahr findet eine große Wikipedia-Konferenz statt, „WikiCon“ genannt, wo sich die aktivsten Wikipedianer treffen und munter drauflos diskutieren. Geplant und durchgeführt wird auch die Konferenz von einem Team aus Ehrenamtlern. Alle Kosten, von Anfahrt, über Verpflegung bis zur Raummiete übernimmt aber der Wikimedia-Verein.
Zu bereden dürfte es weiterhin genug geben. Auch die Wikimedia Foundation startet bald ihre Spendenkampagne. Um die 20 Millionen Dollar werde die schwer sein, teilen die Amerikaner mit. Damit dürfte das Vermögen in absehbarer Zukunft die 100 Millionen Dollar knacken. Ganz schön viele Tassen Kaffee.