Ein Thrillerautor, dem die klassische Krimiwelt zu eng wurde

Marc Elsberg
Marc Elsberg(c) Lukas Ilgner
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Der österreichische Bestsellerautor Marc Elsberg mischt in seinen Tech-Thrillern gekonnt Fakten mit Fiktion. Das aktuelle Beispiel: "Helix".

Der US-Außenminister stirbt bei einem Staatsbesuch in München. Die Aufregung ist groß. Als bei der Obduktion des Toten dann aber auch noch ein Smiley am Herzen des Mannes gefunden wird, herrscht vor allem Fassungslosigkeit: Wie kann das sein?

Der österreichische Bestsellerautor Marc Elsberg liebt außergewöhnliche Szenarien wie dieses. In „Blackout“ (von dem mittlerweile über eine Million Exemplare verkauft wurden) ließ er zwei Wochen lang in großen Teilen Europas den Strom ausfallen, in „Zero“ kamen die mächtigen Datenkraken und deren unseren Alltag beeinflussende Algorithmen zum Einsatz. In „Helix“ geht es nun um die Einsatzmöglichkeiten der modernen Gentechnik, die Fluch und Segen sein kann. Das betont der Autor immer wieder, weshalb er seine Bücher nicht als Katastrophen-, sondern vielmehr als Gesellschafts- oder Debattenthriller verstanden wissen will.

Das ist die ganz große Stärke des Autors: Er macht komplexe Dinge wie die Crispr-Technologie, mit deren Hilfe die DNA fast jedes Organismus, auch des Menschen, manipuliert werden kann, leicht verständlich. Dabei versucht er erst gar nicht, literarisch zu sein, wie er in Interviews zugibt, und hat auch kein Problem damit, möglichst viele Leser erreichen zu wollen.

Fakten und Fiktion

Elsberg braucht Platz für seine Geschichten, denn er erzählt gern aus einer Multiperspektive mit vielen parallelen Erzählsträngen. Wenig verwunderlich umfasste sein perfekt funktionierendes Erfolgsbuch „Blackout“ daher 800 Seiten. Der etwas weniger runde Nachfolger, „Zero“, kam dann allerdings mit „nur“ 480 Seiten aus, vermutlich auf Verlagswunsch. Fans können nun aber beruhigt sein: „Helix“ bietet 648 kurzweilige Seiten lang Elsbergs gewohnten Fakten-und-Fiktion-Mix, der gekonnt in eine Thrillerhandlung eingewoben wurde.

Der Autor mag dabei manchmal über das Ziel hinausschießen. Denn es ist schon sehr viel, was er da hineinpackt: einen toten US-Außenminister auf deutschem Boden, genetisch veränderte Viren, plötzlich gegen alle Schädlinge immune Nutzpflanzen und später dann – um hier nicht mehr zu verraten – eine US-Präsidentin, die vor einer der größten Herausforderungen der Menschheit stehen wird. Vor allem die mysteriöse Kinderwunschklinik lässt unweigerlich an „Frankenstein“ und „Die Insel des Dr. Moreau“ denken, auch wenn der Thrillerautor dieses übliche Narrativ des Monster erschaffenden Wissenschaftlers grundsätzlich zu umschiffen versucht.

Manchmal setzt er zudem zu sehr den literarischen Holzhammer ein, um auch dem letzten Leser begreifbar zu machen, warum seine Figuren gerade vor einer richtungsweisenden Entscheidung oder einem unglaublichen moralischen Dilemma stehen, das kaum lösbar scheint. Dennoch stört das nicht, denn der gelernte Werbefachmann nimmt einfach den an sich selbst gestellten Anspruch zu unterhalten ernst.

Unterhalten wollte der gebürtige Wiener immer schon. Dass er vor seinen großen Erfolgen bereits drei herkömmliche Kriminalromane unter seinem bürgerlichen Namen, Marcus Rafelsberger, geschrieben hat, wissen wohl nur die wenigsten seiner Leser. Aber irgendwann wurde ihm die klassische Krimiwelt zu eng. Aus seinem privaten Interesse für wissenschaftliche und technische Themen Spannungsromane in der Tradition von Michael Crichton („Jurassic Park“) zu machen war dann wohl die Idee seines Lebens.

Wissensbuch des Jahres

Elsberg ist der einzige Autor, der bisher zweimal mit dem Preis für das Wissensbuch des Jahres, in der Kategorie Unterhaltung, ausgezeichnet wurde. Das Faszinierende an seinen Büchern ist vor allem, dass sie nur auf den ersten Blick weit hergeholt erscheinen. Seine Expertise hat ihn daher mittlerweile zu einem begehrten Vortragsredner in Fragen der Energiesicherheit gemacht. Das hätte sich vor fünf Jahren vermutlich nicht einmal der in seinen Büchern so gern in die Zukunft blickende Autor selbst träumen lassen, als sein Tech-Thriller-Debüt auf den Markt kam.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.11.2016)

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