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Foto: Dirk Ostermeier
Foto: Dirk Ostermeier

„Damaskus Falafel Haus“ in Offenbach

Falafel wie in Syrien

Almustafa Abdulrahman, Hamadei Eyad und Hussam Alsabbgh machen die besten Falafel Offenbachs. Die drei Männer sind allerdings nicht nur aufgrund ihrer Leckereien so beliebt. Dabei haben sie dramatische Biografien.
Wenn Hamadei Eyad, 39, seine Geschichte erzählt, ist er ganz ruhig – und gleichzeitig tieftraurig. Er sitzt vor seinem Restaurant an einem kleinen Tisch und blickt in die Ferne. So ist es, wenn man ihn auf seine Reise anspricht. Dann ändert sich schlagartig der Ausdruck auf seinem Gesicht. Der sonst so fröhliche Mann, mit dem breiten Grinsen und den vielen Lachfältchen, wirkt gezeichnet von dem, was er schon alles durchleben musste. Ein Blick in seine großen, hellen Augen verrät mehr, als es Worte vermögen.

Dies ist die Geschichte eines Restaurants, seiner Inhaber und Mitarbeiter. Das „Damaskus Falafel Haus“ liegt mitten in der Offenbacher Innenstadt. In der Frankfurter Straße 24 haben zwei mutige Männer den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt. Sie verkaufen, laut Aussage vieler Offenbacher, die besten Falafel der Stadt. Gemeinsam mit ihren Angestellten stehen sie jeden Tag hinter der Theke, um alle möglichen Leckereien zuzubereiten. Obwohl es das Geschäft erst seit vier Monaten gibt, könnte es nicht besser laufen. Egal, wann man dort ist, die Männer haben immer zu tun.

Schon beim Eintreten bekommt jeder, der ihnen sympathisch ist, erst einmal einen Falafel in die Hand gedrückt. Sobald man ein bekanntes Gesicht ist, gehört diese Geste zum Begrüßungsritual. Es ist ein kleiner Laden. Es riecht nach Essiggurken und frittierten Leckereien. In der Auslage liegen bunte Zutaten, wie pinker Rettich, der mit roter Beete eingefärbt wird. An einem Grill dreht sich ein Hähnchenspieß. Vor dem Laden stehen ein paar kleine, einfache Holztische mit Stühlen. Es ist auf den ersten Blick kein auffälliger Laden.

Verfolgung führt zu Flucht
Da die Männer alle noch nicht so gut deutsch sprechen, haben sie sich eine gute Freundin als Übersetzerin hinzu geholt. Dunia Alnakkar, 62, ist eine quirlige, energische Frau. Während unser Fotograf Bilder vom Laden und den Männern macht, macht sie die Ansagen. Dunia Alnakkar ist zwar in Syrien aufgewachsen, lebt aber schon seit fast vierzig Jahren in Deutschland. Als sie vor kurzem das Damaskus Falafel Haus entdeckte, kamen bei ihr sofort Heimatgefühle auf. „Das Essen schmeckt wie in Syrien“, schwärmt sie. Mittlerweile gehört sie fast schon zur Familie. Mit einem Kuss auf die Stirn bekunden die Männer zwischendurch ihren Respekt und die Liebe ihr gegenüber. Eine ebenso flüchtige wie wundervolle Geste.

Hamadei Eyad setzt sich mit Dunia Alnakkar draußen an einen der Tische und fängt an, zu erzählen. Ursprünglich kommt er aus Aleppo. Dort hat er als studierter Bauingenieur gearbeitet und war zudem noch Leiter zweier Restaurants. Mit seiner Frau und seinen beiden Kindern im Alter von sieben und acht Jahren führte er ein glückliches Leben. „Ich wollte eigentlich nie aus Syrien raus. Ich liebe meine Heimat“, sagt er. Doch dann kam der 15. Oktober 2014. Der Tag, an dem er seine Heimat verlassen musste. „Du musst wissen“, sagt Dunia Alnakkar, „das syrische Volk ist ein sehr geduldiges Volk. Doch irgendwann geht es einfach nicht mehr.“

Zwei Dinge zwangen Hamadei Eyad letztendlich das Land zu verlassen. Zum einen hatte er sich gegen die Wehrpflicht gestellt, weswegen er sogar für kurze Zeit in Haft war. Zum anderen ist er Kurde. Als solcher musste er sich und seine Familie nicht nur vor dem IS, sondern auch vor der Al-Nusra-Front schützen. Eyad macht eine Pause. „Ich möchte nicht weiter über meine Zeit in Syrien sprechen. Das ist einfach zu schmerzhaft.“ Er fährt also fort mit seiner Flucht. Wie er bis zur türkischen Grenze gelaufen ist um von dort aus nach Griechenland zu kommen. Vermeintlich in Griechenland angekommen, musste er erfahren, dass er auf Zypern gelandet war. Man hatte ihn reingelegt. Bis er endlich in Deutschland ankam, war er die stolze Summe von 12 500 Euro los.

In Deutschland angekommen ging Eyad direkt zur Polizei um seinen gefälschten Ausweis abzugeben. Er sagte: „Ich will ehrlich sein, der Ausweis ist gefälscht. Aber ich komme aus Syrien und ich musste da raus.“ Er habe in Deutschland nur gute Erfahrungen gemacht, so Eyad. Für einige Zeit lebte er in einem Wohnheim, doch er fand schnell eine Anstellung in einem syrischen Restaurant in Frankfurt. Als er dann einen syrischen Arzt kennenlernte, half dieser ihm, eine eigene Wohnung zu finden. Auch die Behörden halfen ihm und brachten seine Frau und die Kinder nach Deutschland. Er habe versucht, die deutsche Sprache zu lernen, aber es sei ihm beinahe unmöglich gewesen als seine Familie noch nicht bei ihm war. In Gedanken war er immer bei ihnen. Sie hatten nichts mehr in Syrien. Es gab weder Essen, noch Trinken, noch Elektrizität. „Wie soll man sich da auf das Lernen einer neuen Sprache konzentrieren?“ Durch einen Freund aus dem Wohnheim lernte er seinen späteren Geschäftspartner Hussam Alsabbgh kennen und im syrischen Restaurant in Frankfurt seinen Mitarbeiter Almustafa Abdulrahman. Die Geschichte dieser beiden Männer könnte ebenfalls Bücher füllen.

Hussam Alsabbgh, 44, kommt aus einem Ort nahe Damaskus. Er hatte dort eine eigene Wohnung und ein Restaurant. Beide wurden zerbombt. Als der IS den Ort besetzte, floh er mit seiner Frau und seinen sechs Kindern nach Jordanien. Dort kamen sie für eine Weile bei seiner Schwägerin unter. Daraufhin setzte er seine Flucht fort, sie führte ihn, ebenfalls für viel Geld, über die Türkei, Griechenland und die Schweiz nach Deutschland. Als er an Silvester für eine deutsche Familie in Höchst kochte, war diese so begeistert, dass sie ihm das Startkapital für das Damaskus Falafel Haus lieh. Alsabbghs Familie ist mittlerweile auch in Deutschland.

Almustafa Abdulrahman, 28, kommt aus Dir-Alzor, einem Ort an der Grenze zum Irak. „Es war kein Leben mehr in Dir-Alzor. Die Infrastruktur ist völlig zerstört.“ Nach einem halben Jahr auf der Flucht, kam er in Deutschland an. Wenn man ihn fragt, was er in diesem Moment empfand, sagt er nur: „Ich habe endlich keine Bomben mehr gehört.“ Zur Zeit wartet er darauf, dass seine Frau ihr Visum bekommt, um einreisen zu dürfen. Sie sitzt noch in der Türkei fest. Sobald die drei Männer ihre Geschichte erzählt haben, erhellen sich ihre Gesichter wieder. Sie gehen ihrer Arbeit nach und machen Witze mit den Gästen. Und jene Gäste, die ihnen am Herzen liegen, bekommen auch noch einen Falafel zum Nachtisch. Sie beschweren sich mit keinem Wort. Sie sagen alle, sie seinen dankbar hier zu sein und überhaupt arbeiten zu dürfen. Sie legen einen Ehrgeiz und Willenskraft an den Tag, die einen schwindlig zurücklassen. Das Sprichwort: „Geduld ist eine Tugend“, traf wohl selten so zu wie auf diese drei Männer.

>> Damaskus Falafel Haus
Frankfurter Straße 24, Offenbach
 
24. Oktober 2016, 11.32 Uhr
Olivia Heider
 
 
Fotogalerie:
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