Swisscom führt Teilzeitarbeit auf Probe ein

Publiziert

Für MännerSwisscom führt Teilzeitarbeit auf Probe ein

Der Telecomriese Swisscom will die Teilzeitarbeit bei Männern fördern und lässt die Angestellten probeweise reduziert arbeiten. Schadet das der Karriere?

S. Spaeth
von
S. Spaeth

Mehr Zeit für die Familie und fürs zeitaufwendige Hobby oder der Gesundheit zuliebe einen Tag weniger ins Büro: Manch ein Angestellter liebäugelt regelmässig mit Teilzeitarbeit, wagt den Schritt dann aber doch nicht. Die Zweifel: Reicht das Geld auch bei einem 80-Prozent-Pensum? Oder gerät man karrieretechnisch aufs Abstellgleis?

Die Teilzeitarbeit explizit bei Männern fördern will die Swisscom. Als eine der ersten grossen Schweizer Firmen führt der Telecomriese die «Teilzeit auf Probe» ein. Konkret: Im Rahmen eines Pilotprojekts dürfen bei der Swisscom angestellte Männer zwischen Oktober und Dezember ihren Beschäftigungsgrad um mindestens 10 Prozent reduzieren. Nach Ablauf der Testphase gilt wieder der ursprüngliche Beschäftigungsgrad.

Nur 8 Prozent der Männer arbeiten Teilzeit

Mit der Aktion will der Telecomanbieter insbesondere die Männer darin unterstützen, den allenfalls vorhandenen Wunsch nach Beschäftigungsreduktion versuchsweise umzusetzen, wie Sprecherin Sabrina Hubacher zu 20 Minuten sagt. Während beim Telecomriesen 34 Prozent der Frauen zu einem reduzierten Arbeitspensum angestellt sind, trifft das nur auf 8 Prozent der Männer zu. Umfragen und die grosse Resonanz auf die internen Infoanlässe «Männer und Teilzeit» haben laut Hubacher aber gezeigt, dass auch bei Männern das Bedürfnis nach Teilzeitarbeit vorhanden ist.

HR-Experte Jürg Buckmann findet das Vorgehen der Swisscom clever. «So positioniert man sich als moderner Arbeitgeber. Gerade für jüngere und gut ausgebildete Arbeitnehmer sind flexible Arbeitszeitformen enorm wichtig», so der Buchautor und ehemalige VBZ-Personalchef zu 20 Minuten. Kommt hinzu, dass bei der Teilzeitarbeit laut Buckmann noch immer viele Vorurteile existieren: «Ein Probelauf kann auf beiden Seiten helfen, sich mit dieser Arbeitsform anzufreunden.»

Top-Manager mit reduziertem Pensum

Für den Pilotversuch haben sich bei der Swisscom bisher rund 40 Männer aus verschiedensten Geschäftsbereichen angemeldet, auch Kader-Mitarbeiter. Ziel sei es, den Angestellten eine weitere Entscheidungsgrundlage für eine Pensumsreduktion zu geben. Doch Teilzeitarbeit gilt vielerorts als Karrierekiller und wird insbesondere bei Kaderjobs nicht gern gesehen (siehe Interview). «Dieses Klischee lässt sich bei Swisscom nicht bestätigen. Es gibt einige Mitglieder des Top-Managements, die Teilzeit arbeiten, auch bevor sie in die Bereichsleitung aufgestiegen sind», so Hubacher.

Obwohl sich die Swisscom mit dem Teilzeit-auf-Probe-Angebot in erster Linie als moderner Arbeitgeber positionieren will, wittern Kritiker hinter dem Vorhaben eine künftige Sparmassnahme. Der Grund: Ein Teil der Mitarbeiter wird Gefallen am neuen Modell finden und dereinst mit einem reduzierten Pensum arbeiten. Swisscom-Sprecherin Hubacher stellt Sparpläne in Abrede: «Wenn sich Mitarbeitende dauerhaft für Teilzeit entscheiden, bleibt die Anzahl der bewilligten Vollzeitangestellten gleich gross.» Heisst zumindest theoretisch: Die Teams erhalten Ersatz.

Herr Buckmann*, ist Teilzeitarbeit ein Risiko für die Karriere?

Generell ist es in den Führungsetagen nach wie vor nicht überall gern gesehen, wenn man nicht ständig präsent ist. Nach aussen spricht man kaum darüber, aber gerade in Kaderpositionen existiert vielerorts eine magische 80-Prozent-Regel. Wer tiefere Pensen will, dürfte Schwierigkeiten haben.

Hinter «Teilzeit auf Probe» könnte man auch eine Sparmassnahme vermuten

Ich glaube nicht, dass das ein verkapptes Sparprogramm ist.10 oder 20 Prozent Reduktion kann man mit einer höheren Effizienz auffangen. Aber irgendwann wird es beschäftigungswirksam. Dann müssen Arbeitgeber zusätzlich Mitarbeiter anstellen. Und aufgrund der Fixkosten sind zwei 50-Prozent-Angestellte eher teurer als ein 100-Prozent-Mitarbeiter.

Sind 80-Prozent-Angestellte aus Firmensicht die besseren Mitarbeiter, weil sie trotz Teilzeit fast 100 Prozent leisten?

Tendenziell trifft das sicher zu, sofern diese Mitarbeitenden nicht Schichtarbeitende sind. 20 Prozent Reduktion in einem Call Center bringen der Firma nichts, da die Person ersetzt werden muss. In diesen Fällen ist Teilzeitarbeit eher teurer, weil die Fixkosten zweimal anfallen. (sas)

*Jörg Buckmann ist HR-Experte und ehemaliger VBZ-Personalchef.

Deine Meinung