Proptechs

Die Digitalisierung hält Einzug in die Maklerbranche

Nima Mehrafshan

Eine Immobilie objektiv, fair, und marktgerecht bewerten zu können – das ist das Ziel von immolyze.it. Da etwa 150 Merkmale den Miet- oder Kaufpreis beeinflussen können, ist das ohne computergestützte Technologie schlichtweg unmöglich. Im Rahmen eines mehrjährigen Forschungsprojektes an der Uni Hamburg haben die Gründer einen komplexen Algorithmus zur Bewertung von Immobilien entwickelt. Für die Gründung seines Unternehmens im Jahr 2014 wurde der Autor gar mit einem Stipendium des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie gefördert. Der Autor und Mitgründer des jungen Hamburger Unternehmens berichtet über die aktuellen digitalen Trends in der Maklerbranche sowie die Funktionsweise seiner Geschäftsidee. Red.

Lange hat es in der deutschen Maklerbranche wenig an Veränderungen gegeben. Während die Digitalisierung andere Branchen gründlich auf den Kopf gestellt hat, blieb die Immobilienbranche und mit ihr die Makler weitgehend unbehelligt. Das scheint sich nun massiv zu ändern. Über 100 Immobilien-Start-ups identifizieren der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) und EY Real Estate in ihrer aktuellen Studie zu den sogenannten Proptechs.

Gros der Investments in den USA

Die Tendenz ist eindeutig steigend: 40 Prozent der befragten Firmen sind seit 2015 gegründet worden. Und sie werden mit immer höheren Finanzierungssummen ausgestattet. Mehrfach erhielten Proptechs von Risikokapitalgebern zuletzt Finanzierungen im siebenstelligen Bereich, auch wenn das Gros der 1,7 Milliarden US-Dollar, die laut Catella Research 2015 international in Proptechs investiert wurden, dem deutlich weiterentwickelten US-amerikanischen Start-up-Ökosystem zugutekam.

Viele dieser jungen Unternehmen werden auch schnell wieder verschwinden - einige sind es bereits. Jedoch ist das nicht als Scheitern dieses Trends zu verstehen. Eine geringe Erfolgsquote liegt bei neuen Geschäftsmodellen in der Natur der Sache. Dafür können aber die wenigen erfolgreichen Modelle etablierte Marktstrukturen in kürzester Zeit durchbrechen - wie in der jüngsten Vergangenheit beispielsweise durch Airbnb in der Touristikbranche oder Uber und Mytaxi in der Taxibranche demonstriert.

Bestellerprinzip als Startschuss

Die jüngste Gründungswelle wurde wohl durch eine der für Makler einschneidendsten Gesetzesänderungen der letzten Jahre hervorgerufen: dem Bestellerprinzip. Seit Sommer 2015 müssen Vermieter die Courtage des von ihnen beauftragten Maklers selbst zahlen, was erwartungsgemäß zu einer deutlich niedrigeren Zahlungsbereitschaft für Maklerleistungen führte.

Hier sahen digitale Unternehmer ihre Chance den Vermietungsprozess durch Automatisierung und Abwicklung über das Internet zu verschlanken. Wunder-Agent, Immomio und Moovin sind Beispiele für solche Modelle. Vorteile sind für Vermieter nicht nur ein günstigerer Festpreis um 500 Euro statt der üblichen zwei Monatsmieten für das Gesamtpaket aus Exposé-Erstellung, Vermarktung, Bewerberkommunikation und Besichtigungen, sondern auch ein flexibles Preismodell mit Baukastensystem für die benötigten Leistungen und die Transparenz des gesamten Prozesses. So lässt sich jeder Schritt über das eigene Benutzerkonto nachvollziehen.

Die Substitution persönlicher Dienstleistungen

Diese Art der Transparenz werden Kunden zukünftig auch bei anderen typischen Maklerleistungen immer stärker nachfragen. Als Kunde ist man es heute aus allen Bereichen des Wirtschafts lebens gewohnt, Preise und Leistungen vergleichen und auf einfache Art und Weise relevante Informationen für seine Entscheidungen einholen zu können.

Vergleichsportale wie Verivox oder Check24 bieten einen vergleichsweise einfachen Zugriff auf alle möglichen Dienstleistungen, wie Konsumentenkredite, Versicherungen oder Mobilfunkverträge. Versicherungsmakler argumentierten kürzlich in einer Klage gegen Check24, dass diese Art des Vergleichs zu stark vereinfacht und ihre Beratung unverzichtbar ist. Tatsache ist aber, dass ein immer größerer Anteil der Verträge online geschlossen wird.

Eine Reihe von Faktoren hat diese Art der Substitution persönlicher Dienstleistung durch digitale Technologien in der deutschen Immobilienbranche begrenzt. Dazu zählen die langsamere Adaption neuer Technologien in den Kernzielgruppen von Maklerleistungen, die Komplexität von Immobilienentscheidungen, die vor allem der Individualität des Wirtschaftsguts Immobilie geschuldet ist und die durch staatliche Regulierung zementierte Monopolisierung von Marktdaten.

Preistransparenz durch intelligente Analytik

Gerade bei der Ermittlung eines marktgerechten Angebotspreises sind Nutzer in Deutschland bisher auf persönliche Unterstützung von Fachleuten angewiesen. Die Intransparenz bei den Preisen - Dreh- und Angelpunkt einer jeden Immobilientransaktion - hemmte innovative Geschäftsideen.

Das ändert sich nun durch Immolyze.it, ein Internetportal das Nutzern erstmals eine Bewertung deutscher Wohnimmobilien auf Basis eines Big-Data-Algorithmus zur Verfügung stellt, der alle verfügbaren Marktdaten berücksichtigt. Als Ausgründung der Universität Hamburg hat das Unternehmen mehrere Jahre in die Entwicklung der selbstlernenden Systeme investiert, die im Hintergrund Objekt- und Lagedaten aus einer steigenden Zahl von Quellen verarbeiten.

Auch Nutzer können zum Datenbestand beitragen, indem sie Immobilien detailliert auf Basis von über 150 Einzelmerkmalen erfassen, die für den Immobilienwert potenziell relevant sein können. Die Präzision der Bewertungen steigt demnach stetig mit zunehmender Nutzerzahl und den im Hintergrund verarbeiteten Datenquellen. So lassen sich in kürzester Zeit die sogenannten Immolyze-Preise und -Mieten ermitteln, die die aktuelle Marktsituation direkt widerspiegeln.

Intransparenz: Fluch und Segen zugleich

Die bisherige Intransparenz der Immobilienpreise ist für Makler Fluch und Segen zugleich. Einerseits ist die Wertermittlung ein beliebtes Instrument der Kundenakquise, andererseits eine zeitaufwendige und wenig skalierbare Tätigkeit. Danach muss die eigene Wertermittlung dem Kunden plausibilisiert werden, was immer wieder zu Diskussionen führt, die den eigentlichen Vermarktungsprozess aufhalten.

Standardisierte und automatisierte Bewertungsverfahren können die Effizienz der Angebotspreisfindung erheblich steigern. Bisherige Verfahren nutzten nicht die Möglichkeiten verfügbarer Datenquellen und moderner Datenanalytik, sodass die so ermittelten Werte meist doch wieder manuell an aktuelle Marktgegebenheiten angepasst werden müssen.

Die von Immolyze.it angestrebte von allen Marktteilnehmern anerkannte und stets verfügbare Preisindikation ist dagegen ein Schritt zur vollständig digitalen Immobilientransaktion. Zumindest aber reduziert ein derartiges System die Unsicherheit bei allen Entscheidungen, bei denen Kaufpreise oder Mieten eine Rolle spielen und könnte so als Katalysator für neue Geschäftsmodelle dienen.

Digitalisierung der Kundenakquise

Die Big-Data-Bewertung bedeutet für Makler aber nicht nur eine Effizienzsteigerung, auch die Kundenakquise können Makler digitalisieren. Lead-Agenturen wie Immoverkauf 24 oder Homeday machen es bereits vor indem sie eine alte Praxis ins Netz bringen: Die kostenlose Wertermittlung wird online als Lockangebot für verkaufswillige Eigentümer genutzt. Die Online-Bewertung ist dabei aber nur Mittel zum Zweck, das Bewertungsverfahren entsprechend oberflächlich umgesetzt.

Schon heute nutzen mehrere Tausend Makler solche Agenturen, auch wenn die sich je nach Geschäftsmodell einen Lead mit bis zu 200 Euro oder einen erfolgreichen Verkauf der vermittelten Immobilie mit 20 bis 30 Prozent Provision an der Courtage vergüten lassen.

Eine entsprechend auf den eigenen Markt optimierte Maklerhomepage unter Einbeziehung des Online-Bewertungstools von Immolyze.it könnte, was die Generierung von Leads angeht, mit diesen Agenturen durchaus mithalten. Zudem führt die objektive, marktgerechte Bewertung zu einer nachhaltigen Vertrauenssteigerung beim Kunden und erhöht die Abschlusswahrscheinlichkeit.

Der Makler der Zukunft

In den USA ist die Digitalisierung der Immobilienbranche weiter fortgeschritten: Mit dem Portal Zillow.com begann bereits 2006 die völlige Preistransparenz, da hier so gut wie jeder in den letzten zehn Jahren gezahlte Transaktionspreis für annähernd jede Wohnimmobilie zu finden ist. Bei Opendoor, das 2015 startete, erhält man innerhalb eines Tages ein Angebot für die eigene Immobilie und kann dann praktisch sofort verkaufen. Trotz Preistransparenz und innovativer Proptechs ist der Maklerberuf so präsent wie eh und je. Es werden sogar oft sowohl vom Verkäufer als auch vom Käufer Makler beauftragt, die dann die Interessen ihrer Auftraggeber vertreten.

Auch wenn sich die Marktstrukturen unterscheiden, hilft der Blick über den großen Teich bei der Zukunftsprognose. Dass der Maklerberuf durch Proptechs abgelöst wird, ist nicht zu erwarten. Makler werden sich aber auf dynamischere Marktentwicklungen einstellen und die Möglichkeiten der Digitalisierung für sich nutzen müssen. Bestehende Anbieter und künftige Proptech-Gründungen werden früher oder später die traditionelle Wertschöpfungskette des Maklers, soweit wie mit den jeweils verfügbaren Technologien möglich, digitalisieren.

Dazu gehören die Kundenakquisition, Wertermittlung und Preissetzung, die Erstellung von Exposés, die Inserierung auf Marktplätzen, die Koordinierung von Besichtigungen und die Bonitätsprüfung von Interessenten. Andere Leistungen sind zwar nicht gänzlich digital abbildbar, können aber als Nebenkompetenz an Dienstleister oder entsprechende Fachkräfte delegiert werden, zum Beispiel die Erstellung von Objektfotos und Grundrissen und die Durchführung von Besichtigungen.

Beratung als nicht digitalisierbare Kernkompetenz

Die nicht digitalisierbare Kernkompetenz von Maklern bleibt die auf die individuelle Immobilie und die besondere Situation des Auftraggebers abgestimmte Beratung. Aufgrund des wachsenden Angebots digitaler Maklerleistungen, wird zukünftig die Zahl der Transaktionen womöglich steigen, bei denen auf einen Makler in Fleisch und Blut verzichtet wird.

Um die restliche Nachfrage nach kompetenter Beratung wird es einen immer transparenteren Wettbewerb geben. Das Beherrschen digitaler Instrumente wird dabei zunächst ein Mittel sein sich von der Konkurrenz abzuheben - langfristig wird dies jedoch vom Kunden erwartet werden. Makler die sich den technischen Möglichkeiten verschließen, werden demnach über kurz oder lang abgehängt - sei es von einem Proptech oder vom digital aufgestellten Kollegen um die Ecke.

Der Autor Dr. Nima Mehrafshan Geschäftsführer, YouVal GmbH, Hamburg
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