"Hongkong und Berlin haben vieles gemeinsam", sagte Gregory So Kam-leung im vergangenen Jahr bei seinem ersten Berlin-Besuch. Greg So, so die Kurzform, ist Handelsminister der chinesischen Sonderwirtschaftszone Hongkong. Und die wird immer stärker zum Start-up-Magnet - auch für deutsche Gründer.
Noch kann Hongkong nicht mit Berlin konkurrieren. Schließlich wird etwa alle 20 Minuten in der deutschen Hauptstadt ein Start-up gegründet. Aber die Sieben-Millionen-Einwohnerstadt in Asien holt auf. "Die Zahl der Start-ups in Hongkong ist zwischen 2014 und 2015 um 40 Prozent gestiegen", sagt Margaret Fong. Sie ist Executive Director des Hong Kong Trade Development Council. Das HKTDC ist eine halbstaatliche Non-Profit-Organisation, die sich seit 1966 für die Förderung von Hongkonger Unternehmen einsetzt. Bei einer Erhebung für die Studie "InvestHK 2015" habe man 1558 junge Unternehmen registriert. Das seien 46 Prozent oder 493 Start-ups mehr als noch im Jahr vor Sos Deutschlandbesuch.
675 dieser Start-ups sind deutsche Unternehmen, wie die jüngsten Zahlen der Deutschen Auslandshandelskammer (AHK) in Hongkong zeigen.
Eines davon ist Soundbrenner, ein Hersteller von Wearables inklusive passender App und Plattform für Musiker. Den Hauptsitz hat das 2014 gegründete Unternehmen in Hongkong. Im Büro in Berlin werden Software und Apps programmiert. Schon drei, vier Monate nach der Gründung war für die beiden Gründer Florian Simmendinger und Julian Vogels klar: Das Unternehmen muss nach Hongkong umziehen.
"Wir sind nicht aus Marktgründen nach Hongkong gegangen, sondern wegen der Herstellung unseres Produkts: Es ist unheimlich schwierig, in Deutschland ein Start-up im Hardware-Bereich zu gründen", erzählt Simmendinger.
So sieht der deutsche Start-up-Markt aus
Startups sind per Definition des Deutschen Start-up-Monitors (DSM) jünger als zehn Jahre und zeichnen sich durch "ein signifikantes Mitarbeiter- und/oder Umsatzwachstum" aus. Wer einen Kiosk eröffnet, hat demnach kein Start-up gegründet, sondern eine sogenannte Existenzgründung. Und wer ein Schuhgeschäft mit drei Angestellten aufmacht, betreibt ein kleines, mittelständisches Unternehmen (KMU) und kein Start-up.
Quelle: Deutscher Start-up-Monitor vom Bundesverband Deutsche Startups e.V. (BVDS) und KPMG in Deutschland
Das dritte Kriterium, woran man ein Start-up erkennt: die Gründer sind mit ihrer Technologie und/oder ihrem Geschäftsmodell (hoch) innovativ. "Gründerinnen und Gründer sind voller Ideen und voller Begeisterung. Sie entwickeln aus Problemlösungen Geschäftsmodelle. Gründungen sind Lebenselixier für unsere Wirtschaft und Motor des strukturellen Wandels. Denn kreative Ideen und innovative Geschäftsmodelle modernisieren unsere Wirtschaftsstruktur, erhöhen die Wettbewerbsfähigkeit und schaffen neue Arbeitsplätze", sagte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) in seinem Grußwort zum aktuellen DSM.
Die meisten Start-ups finden sich in der Rhein-Ruhr-Region, in und um München, in der Region Karlsruhe/Stauttgart, im Raum Hamburg, in und um Frankfurt am Main - und natürlich in Berlin: Auf 1.000 erwerbsfähige Berliner kommen 26 Gründer - so viele wie nirgendwo sonst in Deutschland.
Laut dem European Startup Monitor arbeiten inklusive der Gründer 12,9 Menschen in einem durchschnittlichen europäischen Startup. In Deutschland ist die Zahl der Mitarbeiter überdurchschnittlich hoch: Hier sollen Startups im Schnitt über 15 Mitarbeiter verfügen – ohne die Gründer mitzurechnen.
Knapp zehn Prozent der Gründerinnen und Gründer von Startups und 22 Prozent der Beschäftigten in Startups kommen aus dem Ausland. Rund 13 Prozent der Gründer in Deutschland sind Frauen.
Denn wer nicht nur eine App anbietet, sondern tatsächlich auch etwas zum Anfassen - in diesem Fall ein tragbares Metronom - muss das Produkt auch irgendwo herstellen lassen. Und das ist für Start-ups gerade in der Anfangsphase schwierig.
"In Deutschland gibt es einfach keine Industrie, die auf Start-ups aus dem Bereich consumer electronics eingestellt ist. Die Fabriken benötigen ganz andere Mindestbestellmengen, als für ein Start-up möglich sind. Das geht schon bei der Verpackung los", sagt Simmendinger.
Das ist in Asien einfacher, wie HKTDC-Frau Fong erzählt. "Unternehmen in Hongkong haben einen einfachen Zugang zu Produktionsstätten in Shenzhen, wo sie schnell und günstig Prototypen fertigen lassen können." Dort lässt auch Soundbrenner produzieren, zweieinhalb Stunden von Hongkong entfernt. Wenn etwas nicht stimmt, ist man schnell vor Ort.
Hinzu kommt, dass Hongkong eines der größten Logistikzentren der Welt ist. Simmendinger: "Wir können schnell und günstig in alle Welt versenden. Wir haben jetzt einen Online-Shop und liefern in 170 Länder. Wenn wir jetzt ein Paket verschicken, kostet uns das 13 Euro und das Paket ist in zwei Tagen da. Egal wo. Das ist schon klasse."
Zum Vergleich: Wer ein bis zu fünf Kilogramm schweres Paket von Deutschland nach Hongkong schicken möchte, zahlt bei DHL 43,99 Euro - und das Paket ist gut zehn Tage unterwegs.