Die Deutschen erinnern sich ungern an Dinge, die weiter zurückliegen als die Fußballweltmeisterschaft 1954. Das tiefste geschichtliche "Narrativ", das wir uns mit Freude gestatten, ist: die Erinnerung an die vier Weltmeisterschaften und drei Europameisterschaften, die "wir" gewonnen haben.

Jens Jessen hat in dieser Zeitung einmal geschrieben, bei den Deutschen sei an die Stelle des Nationalstolzes der Produktstolz getreten: Wir bauen die besten Autos, Maschinen, Küchen und so weiter. Aber ich behaupte, die Deutschen kennen noch einen anderen Stolz, der ihnen jene Emotionen ersetzt, welche andere Nationen bezüglich Landesgeschichte und nationalem Heldentum hegen: Das ist der Turnierstolz. Es ist der Glaube der Deutschen, über eine "Turniermannschaft" zu verfügen, ja im Zweifelsfall als nationales Kollektiv selbst eine zu sein – also die Fähigkeit zu besitzen, unter Druck und in extremer Lage "weiter" zu kommen als andere (beispielsweise weiter als die Briten, die, höhö, spätestens beim Elfmeterschießen kollabieren).