"Sie kannten keine Scham und keine Grenze"

Facebook-Eklat: Eltern, die "peinliche Fotos" ihres Kindes veröffentlichten, müssen sich vor Gericht verantworten

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Die Selbstdarstellung von Familien kann auf die Nerven gehen. Der Außenstehende wird zum Publikum eines Stücks gemacht, bei dem gefälligst Beifall und Anerkennung zu zollen sind. Die Darstellung des Kinderglücks als Erfolgsausweis für das gelungene Leben bildet ein eigenes Genre in der Performance vieler Eltern.

Ob der Nachwuchs im tollen Kinderwagen durch Großstadtstraßen promeniert wird, ob ihm durch suggestives Nachfragen kindlich-originelle Äußerungen entlockt werden sollen oder ob der Vater durch zärtliches, einfühlsames und intensives Nachfragen bei der Bestellung von Speiseeis zeigt, wie ernst er die Bedürfnisse der kleinen Menschen nimmt - nicht selten entsteht der Eindruck, dass auch der Passant oder der Beistehende mithineingenommen werden soll in das intime Glück.

Böse Zungen behaupten ja, dass viele heutige Eltern Kinder haben, um ihrem Narzissmus zu frönen. Ein Fall in Österreich hat mit dieser ungehemmten Lust an der Präsentation der eigenen Kinder zu tun. Es ist eine ernste Sache, immerhin hat eine Tochter, nun volljährig, ihre Eltern deswegen verklagt.

"Sie kannten keine Scham und keine Grenze", wirft sie ihren Eltern vor, die Babyfotos von ihr auf Facebook veröffentlichten. Seit 2009 sollen die Eltern dort täglich frühere Fotos von ihr aus der Kleinkindzeit gepostet haben. "Ob ich auf dem Töpfchen saß oder nackt in meinem Kinderbettchen lag - jeder Schritt von mir wurde fotografisch festgehalten und nachträglich öffentlich gemacht. Sie haben mich nie gefragt, ob mir das Recht sei", wird die 18-Jährige zitiert.

Sie habe das erst im Alter von 14 Jahren gemerkt, als sie sich im FB-Netzwerk angemeldet habe. Sie habe mit extremer Verärgerung und Wut darauf reagiert, dass ihre Eltern 700 Freunde mit ihren Fotos täglich "am Laufenden" hielten. Ihrer Aufforderung, die Fotos zu löschen, sei nicht nachgekommen worden.

Vom Vater des Mädchens wird die Aussage übermittelt, dass er es als "sein Recht ansehe, diese Fotos veröffentlichen zu dürfen".

Schließlich ist das unser Kind und es ist für meine Frau und mich ein schönes Familienalbum, das bei unseren Facebook-Freunden gut ankommt. Mittlerweile 'posten' wir kein Bild mehr von unserer Tochter, weil sie sich nicht mehr von uns fotografieren lässt. Außerdem haben wir ihre Babyfotos nur 700 Facebook-Freunden, einer begrenzten Gruppe, zugänglich gemacht, nicht allen Nutzern.

Der Vater der Klägerin

Nach österreichischem Datenschutzrecht, so die BR-Meldung, drohe den Eltern eine Verwaltungsstrafe zwischen 3.000 und 10.000 Euro. In Frankreich müssten sie sogar noch Schlimmeres befürchten, ergänzt der Bericht. Eltern, die Fotos ihrer Kinder auf Facebook oder ähnlichen Seiten veröffentlichen, können dort mit einem Jahr Haft und Geldstrafen bis zu 45.000 Euro bestraft werden.

Rechtsgrundlage ist Artikel 226-1 des französischen Strafrechts. Er regelt die Strafen für die Verletzung der Privatsphäre. Wenn jemand ohne Einverständnis des Betroffenen ein Bild von einer Person, die sich an einem privaten Ort befindet, fixiert, aufnimmt oder übermittelt, kann er oder sie in oben genannter Höhe bestraft werden.

Schon vor Jahren wiesen französische Rechtsexperten darauf hin, dass Eltern die Fotos ihrer minderjährigen Kinder ins Netz stellen, damit rechnen könnten, dass diese bei erlangter Volljährigkeit eine Klage anstellen, falls ihnen die Facebook-Fotos nicht gefallen und sie ihr Einverständnis dazu nicht gegeben hatten.