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Kampf gegen Anwaltsmasche Webdienst soll bei unberechtigten Abmahnungen helfen

Abmahnungen wegen vermeintlicher Urheberrechtsverletzungen sind für manche Kanzleien ein attraktives Geschäft - und versetzen Internetnutzer in Panik. Ein neuer Dienst bietet Betroffenen nun Hilfe an.
Website Abmahnbeantworter.ccc.de

Website Abmahnbeantworter.ccc.de

Wenn eine Abmahnung im Briefkasten liegt, ist der Schock meist groß. In bestem Anwaltsdeutsch wird der Empfänger wegen vermeintlicher Verletzung des Urheberrechts aufgefordert, eine Unterlassungserklärung zu unterschreiben. Zudem werden Anwaltskosten in Rechnung gestellt.

Wer eine solche Abmahnung aus seiner Sicht zu Unrecht bekommt, kann sich nun mit einem neuen Webdienst gegen die Vorwürfe wehren. Der Chaos Computer Club (CCC) hat gemeinsam mit dem Förderverein Freie Netzwerke den Abmahnbeantworter  ins Netz gestellt.

Über einen Schriftsatzgenerator lässt sich in fünf einfachen Schritten ein Antwortschreiben erstellen. Damit soll die Unrechtmäßigkeit der Abmahnung erklärt werden. Denn nicht auf ein solches Schreiben zu reagieren, ist ein Fehler. Genauso folgenreich kann es sein, eine Unterlassungserklärung zu unterschreiben oder die geforderten Kosten zu zahlen, wenn die Vorwürfe unberechtigt sind.

"Die Abmahnkanzleien spielen mit der Angst vor Anwälten", sagt Beata Hubrig, die sich als Anwältin schon seit mehreren Jahren mit dem Phänomen auseinandersetzt. Sie gehört zu den Unterstützern des Abmahnbeantworters. "Wir wollen den Betroffenen damit eine einfache Hilfestellung bieten", sagt sie.

Viele Abgemahnte zahlen aus Angst

Um das Geschäft mit Abmahnungen herum sei eine regelrechte Branche entstanden, kritisieren Verbraucherschützer schon lange, inklusive auf das Urheberrecht spezialisierter Verteidiger. Konkrete Zahlen gibt es allerdings nicht. "Schätzungen gehen von jährlich 50.000 bis 200.000 Fällen in Deutschland aus", sagt Hubrig. Die geforderten Beträge lägen zwischen 800 und 1500 Euro. Viele der Abgemahnten würden einfach zahlen, auch wenn die Vorwürfe unberechtigt seien.

Der Abmahnbeantworter soll dabei helfen, dass sich die Betroffenen mit der Abmahnung auseinandersetzen, sagt Hubrig. Auf der Website wird unter anderem erklärt, was es mit einer Abmahnung auf sich hat, welche Ziele der Abmahnbeantworter hat und wann eine Abmahnung unberechtigt ist. Außerdem gibt es rechtliche Tipps, beispielsweise den, auf keinen Fall eine Unterlassungserklärung zu unterschreiben.

Zunächst muss der Nutzer auf der Webseite die Frage beantworten, ob er sicher ist, die ihm vorgeworfene Urheberrechtsverletzung nicht begangen zu haben. Klickt er auf den Button "Bin unsicher", wird ihm geraten, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Über die Suchmaschine DuckDuckGo kann dann eine Suchanfrage nach Anwälten für Urheberrecht gestartet werden.

Einfache Abfrage

Ist der Nutzer sicher, die ihm vorgeworfenen Urheberrechtsverletzung nicht begangen zu haben, wird mit dem Erstellen des Antwortschreibens begonnen. Zunächst wird nach der abmahnenden Kanzlei gefragt. Einige bekannte Kanzleien können dabei einfach per Klick auf den Namen übernommen werden. Als Nächstes müssen das Aktenzeichen, das Datum und die Uhrzeit des angeblichen Verstoßes eingegeben werden.

Durch das Setzen von Häkchen bei einem oder mehreren vorgefertigten Antworten kann der Nutzer dann erklären, warum er nicht als Täter oder als Störer infrage kommt. Zum Schluss muss er noch seine Adresse eingeben. Die Daten werden den Betreibern zufolge direkt im Browserfenster erstellt und nicht ins Internet übertragen. Die Hilfe solle nicht als Rechtsberatung verstanden werden, heißt es von den Machern. Die Nutzung erfolge auf eigene Gefahr, steht im Haftungsausschluss.

Screenshot abmahnbeantworter.ccc.de

Screenshot abmahnbeantworter.ccc.de

"Wir wollen den Nutzern ein einfaches, kostenfreies Mittel zur Verfügung stellen", sagt Dirk Engling, Sprecher des CCC, zur Motivation. Bei der juristischen Begleitung der Freifunk-Initiative und der Tor-Community seien sie immer wieder auf die bausteinartigen Anschreiben der Anwaltskanzleien gestoßen, sagt er.

Die Freifunk-Initiative will ein freies Funknetz aus selbstverwalteten Computernetzen überall in Deutschland aufbauen, die Tor-Community stellt ein Anonymisierungsnetzwerk zur Verfügung. Genau wie Betreiber von Flüchtlingsunterkünften seien sie häufig von unberechtigten Abmahnungen betroffen. Dies würde das Anbieten von Infrastruktur für freie und offene Netze zunehmend erschweren, heißt es.

Initiative will Waffengleichheit herstellen

Der Abmahnbeantworter sei aus juristischer Sicht ein erster Schritt zu einer erfolgreichen sogenannten negativen Feststellungsklage, argumentieren seine Erfinder. Er bringe den Abmahner unter Zugzwang, seine Abmahnung zurückzunehmen.

So würden die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen, um später erfolgreich eine negative Feststellungsklage zu erheben, falls die Abmahnung nicht fristgerecht zurückgenommen wird. "Er soll eine Art Waffengleichheit zwischen den Anwaltskanzleien und den Abgemahnten herstellen", sagt Dirk Engling, Sprecher des CCC. Das Projekt werde ohne kommerzielle Interessen betrieben.

Das Team hinter dem Abmahnbeantworter erhofft sich von dem Vorstoß auch, dass die große Abmahnflut eingedämmt wird. "Wenn sich auch nur ein Prozent der Betroffenen wehrt, dann funktioniert das Geschäftsmodell der blind abmahnenden Firmen nicht mehr", hofft Engling. Sie müssten sich dann intensiver mit der Abmahnung auseinandersetzen und könnten nicht mehr mit vorgefertigten Bausteinen und martialischem Drohen Unschuldige unter Druck setzen, sagt er.

Zusammengefasst: Mit vermeintlich unberechtigten Abmahnungen verschrecken Kanzleien viele Internetnutzer. Eine Initiative aus Chaos Computer Club und Freifunk will Betroffenen mit einem einfachen Dienst helfen. Der "Abmahnbeantworter" bietet Hilfestellung bei der Formulierung eines Antwortschreibens. Damit soll auch das Geschäftsmodell der Kanzleien angegriffen werden.