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Journalistenthriller: Die vierte Gewalt wankt

Foto: Filmfest München

Krise der Medien Vielen Dank fürs Mitleid, NDR!

"Was nützt die Festanstellung bei einem Blatt, das jeden Tag pleitegehen kann?" Der Journalistenthriller "Die vierte Gewalt" zeigt die Medien im Umbruch. Ein weiterer Höhepunkt auf dem Filmfest München.

Journalismus und Fatalismus sind in den letzten Jahren ja fast schon ein Wortpaar geworden. Die Auflagen gehen zurück, die Arbeitsverhältnisse werden prekärer, viele Beobachter sehen die sogenannte vierte Gewalt wanken.

Ein öffentlich-rechtlicher Politthriller fährt nun ein paar saftige Dialogszenen auf, um die allgemein diagnostizierte Medienmisere auf den Punkt zu bringen: In der NDR-Produktion "Die vierte Gewalt" ist Benno Fürmann als frei arbeitender Reporter einem Skandal im Berliner Politbetrieb auf der Spur; an etlichen Stellen gehts um den Zusammenhang von Kleingeld und Recherche.

So jubiliert eine Kollegin angesichts erster investigativer Arbeitsergebnisse: "Wenn das wirklich stimmt, dann gewinnst du damit sämtliche Journalistenpreise." Die trockene Antwort des Freelancers: "Eine Festanstellung würde mir schon reichen."

In einer anderen Szene versucht sich der Journalist im Auftrag eines Onlinemediums zwecks Informationsbeschaffung an eine junge, noch unbekannte Abgeordnete ranzuwanzen; er gibt vor, ein Porträt über sie schreiben zu wollen. Der Pressereferent der Abgeordneten ist skeptisch: "Sie brauchen Klicks. Viele Klicks. Frau Doktor Pflüger ist eine Newcomerin, die lockt so leicht keinen hinterm Ofen vor." Der Pressereferent spielt also den Medienkenner, süffisant schiebt er hinterher: "Ist das nicht viel zu feuilletonistisch für ein Onlinemedium?"

Stark recherchiert, stark verdichtet

Und noch eine Szene voll Sentimentalität und Sarkasmus. Der Pressereferent klärt seine Chefin auf, was das für ein Journalist ist, der da mit ihr sprechen will: "Er war Auslandskorrespondent bei der deutschen 'Financial Times', seit die pleiteging, sitzt er in Berlin und wartet auf eine Festanstellung." Die Politikerin mitfühlend: "Muss bitter sein für ihn." Vielen Dank fürs Mitleid, NDR!

Der Journalist im Film recherchiert den Fall für ein altehrwürdiges Magazin mit dem Namen "Die Republik", die einen erfolgreichen Digitalableger mit dem Namen "Die Republik Online" besitzt. Oberflächlich erinnert vieles an den SPIEGEL und SPIEGEL ONLINE. Nicht verwunderlich, Drehbuchautor Jochen Bitzer und Regisseurin Brigitte Maria Bertele haben unserer Redaktion zur Vorbereitung des Filmes Besuche abgestattet. Bitzer hat zuvor unter anderem das stark recherchierte, Grimme-gekrönte Entführungsdrama "Der Fall Jakob von Metzler" geschrieben, Bertele inszenierte unlängst den lustvoll verdichteten Krimi-Höllentrip "Begierde".

Stark recherchiert, lustvoll verdichtet: Das sind Beschreibungen, die auch auf "Die vierte Gewalt" zutreffen. Es wäre müßig und langweilig, an dieser Stelle aufzulisten, was an dem Film ver- und natürlich auch erdichtet ist. Es ist viel!

Aber den Filmemachern gelingt es durchaus, mithilfe eines konventionellen Politthrillerplots die Stimmung in Zeiten des massiven Medienumbruchs einzufangen. Die ist zwar, dem Genre entsprechend, maßlos überreizt, aber es wird im Kern treffend gezeigt, wie die Währung Information nicht mehr in der alten Form in Ertrag zu übersetzen ist. Jeder stochert hier nach neuen Einnahmequellen rum. Im Gespräch zweier gebeutelter Chefredakteure heißt es einmal: "Wenn wir das zu einer Regierungskrise hochjazzen, kriegen wir Neuwahlen. Bringt uns alle wieder in die schwarzen Zahlen!"

Bei aller Übertreibung und Vereinfachung zeichnen die Filmemacher recht schön die Schizophrenie nach, die unweigerlich auch das ehrenwerteste Verlagshaus befällt, wenn es in Zeiten sinkender Auflagen Recherche-Ethos und Rentabilität zusammenzubringen versucht. Ein gesellschaftlich dringliches Thema. Nach der furiosen Banker-Dämmerung in "Dead Man Working" läuft mit "Die vierte Gewalt" damit nun ein zweiter Fernsehfilm auf dem Münchner Filmfest , der zeigt, welch enorme Diskurskraft öffentlich-rechtliche Fernsehspiele entwickeln können. Im Herbst läuft der Film in der ARD-Primetime.

Der Blick des über Rundfunkgebühren abgesicherten NDR auf den sich privatwirtschaftlich durchschlagenden Qualitätsjournalismus ist dabei anteilnehmend und entwickelt sogar Sympathien für das zeitgenössische journalistische Durchwurschteln zwischen neuem Sparzwang und altem Selbstbewusstsein. Zu neuer Hochform aufgelaufen, verkündet der von Benno Fürmann angenehm ambivalent gehaltene Rechercherüpel auf die Frage, woher er denn bei der schrecklich schlimmen Bezahlung seine Motivation hernimmt: "Ich habe einfach den Glauben in das Schlechte des Menschen wiedergefunden."

Außerdem wissen hier all die abgehalfterten und hochmotivierten Reporter, die mit dem Ethos von einst und der Bezahlung von heute ihre Geschichten einfahren, im Grunde ihres Herzens: "Was nützt die Festanstellung bei einem Blatt, das jeden Tag pleitegehen kann?" Tröstliche Worte, die uns noch ein bisschen weiterwurschteln lassen im Journalismus.