Dispute über den Bloggerlohn

Soll man als Blogger etwas verdienen dürfen? Wenn ja, wie viel? Oder hat man sein Hobby gefälligst unentgeldlich zu erledigen?

Ich habe neulich in einem Tagi-Artikel¹ die Einkünfte aus meinem Blog offen gelegt. Dieser Beitrag hat einige Kritik ausgelöst. Mehrere Leute fanden, mein Fazit – man müsse sich entweder auf die populären Themen stürzen oder mit einem kleinen Taschengeld zufrieden sein – sei zu verallgemeinernd.

Ich hätte nicht gedacht, dass es in diesem Blog einmal die Gelegenheit ergibt, ein Bild von Cristiano Ronaldo zu platzieren.

Anita beispielsweise sagte, man könne das Blog auch als Visitenkarte und zur Auftragsaquise nutzen.

Das Blog als Visitenkarte?

Das stimmt einerseits natürlich. Und ich habe diese Möglichkeit auch erwähnt, als Kevin und ich letztes Jahr schon einmal im Radio über das Thema gesprochen haben.

Andererseits – wenn man pingelig ist, was ich in diesem Fall sein wollte – dann kann und darf man sich die Frage stellen, was das Blog selbst für Einnahmen generiert. Auch deswegen, weil ich als Leser es nicht nur mit Inhalten zu tun haben will, die als Marketingvehikel dienen (so gut die im Einzelfall auch sein mögen). Ich will Dinge lesen, die geschrieben wurden, um für sich selbst zu stehen. Text hat als Text einen Wert – und nicht bloss als Instrument für irgend einen anderen Zweck.

Eine andere Reaktion trudelte als Leserbrief ein. Ich zitiere sie hier, weil sie als gutes Beispiel dafür dient, wie ich mich nicht überzeugen lasse:

Sorry, liebe Redaktoren und Hr. Schüssler: Nicht jeder Hobby Fussball-Kicker ist ein Cristiano Ronaldo oder um im Rahmen zu bleiben: Gilles Yapi, Breel Embolo etc. Und obwohl die letztgenannten keine Weltstars sind, können sie von ihrem Beruf (gegeben durch erzielten Erfolg!) sehr gut leben. Ergo gilt dies für alle anderen Lebensbereiche auch.

Es gibt sehr wohl im deutschen Sprachraum Blogger und Influencer, die x Tausend Euro bis Millionen im Jahr verdienen. Sie sind einfach erfolgreicher als andere.

Also ist Ihr/Hr. Schüsslers Fazit:

«Als Blogger im deutschen Sprachraum muss man sich auf die populären Themen stürzen und mit allen Mitteln Klicks bolzen. Oder man begnügt sich damit, seine öffentliche Mission als Hobbypublizist zu verfolgen. Da wundert es nicht, dass die Hälfte der Blogger über Apple schreibt…»

Ist ganz einfach schlechter Journalismus und Recherche.

Anderseits endet Ihr Fazit mit: «öffentliche Mission als Hobbypublizist zu verfolgen». Also ich kenne nicht viele Hobbies bei welchen man 3400 Franken verdienen kann…

Das Argument «schlechter Journalismus, schlechte Recherche» wird gern benutzt. Und zwar oft als Ersatz für Argumente. Ich würde es gelten lassen, wenn mir der Leserbriefschreiber nachweisen würde, dass die angeführten Zahlen falsch sind oder sonst ein faktischer Fehler vorliegt. Aber wenn ein Journalist eine Position begründet, mit der man nicht einverstanden ist, dann ist das kein «schlechter Journalismus».

Die Balance zwischen Arbeit und Einnahmen stimmt für mich noch nicht so ganz. (Quelle: Adsense-Promo-Video)

Was nun die Argumentation angeht, die der Leserbriefschreiber selbst ins Feld führt, dann kann ich die nur als waghalsig bezeichnen. Sie basiert auf der Behauptung, die Einkünfte von Fussballern liesse sich auf alle anderen Lebensbereiche übertragen: Fussballer verdienen super, «ergo gilt dies für alle anderen Lebensbereiche auch».

Diese These müsste belegt werden. Mein Eindruck als sportlicher Laie ist das Gegenteil: Das im Sport weit verbreitete Sponsoring gibt es für Blogger nicht. Öffentliche Fördergelder für Blogger wurden bislang nicht gesprochen. Im Breitensport sind sie meines Wissens üblich. Bloggen wird nicht im Rahmen grösserer öffentlicher Anlässe betrieben, bei denen es opportun wäre, Eintritt zu verlangen und Verpflegung und Merchandising zum Wohl des Veranstalters zu verkaufen.

Wo ist der Bloggerverband, der für mich lobbyiert?

Blogger haben keine mächtigen und (wie man hört, mit der Politik und Wirtschaft auf ungesunde Weise verflochtene) Verbände im Rücken. Blogger erhalten keine Publizität durch die grossen Medien, so wie die Fussballclubs².

Ich habe dem Leserbriefschreiber, der auf seiner eigenen Website mitteilt, er sei seit 20 Jahren von der digitalen Kommunikation fasziniert, meine Einwände geschildert und meine Antwort wie folgt geschlossen:

«Wenn wir bei meinem Beispiel bleiben und Ihre Aussage prüfen, man könne auch im deutschsprachigen Raum mit Bloggen Millionär werden, dann lässt sich das anhand meiner Zahlen durchrechnen: Um eine Million zu verdienen, müsste man bei Adsense 294-mal höhere Einnahme erzielen. Das wären 411 Millionen Seitenaufrufe. Das heisst, jeder deutschsprachige Muttersprachler müsste etwa fünf Seiten aufrufen.

Die Analogie trifft nicht zu

Es ist anzunehmen, dass einem mit einer Website dieser Grössenordnung andere Einnahmequellen offen stünden. Das wiederum deutet darauf hin, dass auch Ihre Analogie nicht zutrifft, dass ein paar gut verdienende Superstars ein Beweis dafür sind, dass es auch für den ‹Breitensportler› ein Auskommen gibt. Es zeigt sich eher das Gegenteil, nämlich, dass vernünftige Einnahmen erst ab einer gewissen Reichweite zu erzielen sind.»

Fussnoten

1) Hier noch der Co-Beitrag Facebook krallt sich den mobilen Medienmarkt

2) Mein Blog clickomania.ch stellt im vorliegenden Fall eine Ausnahme dar, da ich mir erlaubt habe, es in meiner Rolle als Journalist für ein grosses Medium als Beispiel zu thematisieren. Die Erwähnung im Tagi hat sich übrigens durchaus in den Einnahmen bemerkbar gemacht: Die Adsense-Einnahmen haben sich während etwa einer Woche ungefähr verdoppelt.

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