Comic-Geschichte:Die Dinge richtig schräg machen

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(Foto: © Peanuts Worldwide LLC and courtesy of the Charles M. Schulz Museum and Research Center)

65 Jahre Peanuts - ein Bildband über den Zeichner Charles M. Schulz und seine erfolgreiche Comic-Serie, mit Charlie Brown, Snoopy und Lucy.

Von Fritz Göttler

Diversity ist das aktuelle Schlagwort in den kulturellen Debatten, ausgelöst von den Nominierungen zur Oscar-Verleihung nächste Woche. Dort fehlt, so wird moniert, die nötige Vielfalt, denn es sind keine schwarzen Schauspieler und Schauspielerinnen vorgeschlagen. 1968 wurde auch Charles M. Schulz mit diversity konfrontiert, der Schöpfer der viel geliebten Peanuts-Comics um Charlie Brown, Snoopy, Lucy und ihre Freunde. In einem Leserbrief wurde, wenige Tage nach der Ermordung des Bürgerrechtlers Martin Luther King, gefragt, ob er nicht eine schwarze Figur den Peanuts-Kids integrieren wollte, in die Comic-Strips und ins allgegenwärtige Franchise, das Kinder weltweit mit Peanuts-Accessoires versorgte, von Spielfiguren bis zum Bettzeug.

Es dauerte ein wenig, aber dann erschien am 31. Juli der erste Comic mit dem kleinen schwarzen Franklin. Er bringt Charlie Brown am Strand den Ball zurück, der dem davongeschwommen ist, und sieht, wie Charlie Brown eine Sandburg baut. "Schaut ein wenig schräg aus", merkt er an, und Charlie Brown meint, dass das an seiner Herkunft liegen müsse. "I'm not famous for doing things right." Nein, das kennt man wirklich nicht bei ihm, dass er die Dinge richtig machen würde und geradlinig. Der Satz ist eine der schönsten Definitionen des einsamen Peanuts-Helden und seiner Philosophie, die seit Jahren auch unser Leben reflektiert. Franklin und Charlie Brown, eine schöne Gemeinschaft der Außenseiter und Underdogs, der Randfiguren, die nie wirklich dazugehören werden.

Der Band " Kein Strich zu viel" erschien, in Zusammenarbeit mit dem Schulz Museum in Santa Rosa, Kalifornien, zum Jubiläum des ersten Auftritts der Peanuts vor 65 Jahren. Er erzählt, wie Charles Schulz ("Sparky") seine Figuren entwickelte und sich um eine Agentur bemühte - "Small kidding in a big way" war das Motto - und wie schnell und nachhaltig der Erfolg sich einstellte. Er versammelt Skizzen und Studien und PR-Motive, Großaufnahmen aus den Comic-Strips - sodass man die Plastizität spüren kann, die Jean Schulz, die Witwe, einführend beschwört: "Sparky verwendete geglätteten Strathmore-Bristol-Zeichenkarton, bei dem die Tinte auf der Oberfläche verbleibt, statt einzuziehen . . ." Großartig ist Schulz' Gespür für die Dynamik einer pointiert gezeichneten Shortest Story, die Sicherheit des Strichs, die jeder Figur Gerechtigkeit widerfahren lässt, die Melancholie, die er schafft und nie zur Resignation verkommen lässt.

Die Franklin-Geschichten lösten 1968 durchaus Irritation aus - ein schwarzer Junge, der in der Schule neben einem weißen Mädchen saß! Schulz selbst hat nicht viel mit der Figur gemacht, er konnte sich nicht wirklich in sie einfühlen. "Ich weiß nicht, wie ein kleiner, schwarzer Junge aufwächst, und ich finde, dass man nicht von etwas erzählen sollte, das man nicht selber kennt oder erfahren hat. Es sei denn, man hat eine konkrete Botschaft. Aber ich zeichne nicht deshalb Comics, weil ich anderen den Weg weisen oder ihnen was beibringen will. Ich will einfach nur komisch sein. Hier und da sag ich auch mal meine Meinung, aber ich ziehe nicht in Schlachten."

Chip Kidd (Texte, Artdirection, Buchdesign): Kein Strich zu viel. 65 Jahre Peanuts. Aus dem Englischen von Andreas C. Knigge. Baumhaus Verlag, Köln 2015. 304 Seiten, 52 Euro.

© SZ vom 19.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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