Hallo, Herr Rösch! Hier spricht Lea. Ich bin Ihre persönliche Stilberaterin und stehe Ihnen in Zukunft immer mit Rat und Tat zur Seite. Ich habe Ihnen auf Basis Ihrer Modepräferenzen schon ein paar interessante Teile rausgelegt, zum Beispiel farbig gedeckte Chinos und Shorts für den Sommerurlaub. Das ist der Trend in diesem Jahr! Nun wäre die Frage, wie experimentierfreudig ich bei den Kombinationen sein darf.“

Was sich wie der schöne Traum eines leidgeprüften Modekäufers anhört, ist im sogenannten Curating Shopping Realität. Der Wettbewerb in der Nische wird härter. Wer hat das Zeug zum Wachstum?
Die Wege zum Fashion-Glück ähneln sich. Nachdem der Kunde im Internet Fragen zu seinen bevorzugten Farben, Marken, Stilrichtungen sowie zu Alter, Beruf, Kleidergröße und Passform beantwortet hat, meldet sich eine Beraterin per Telefon oder Video-Chat, um Feinheiten abzuklären. Typische Fragen sind dabei zum Beispiel: „Haben Sie bei bestimmten Marken Probleme mit der Ärmellänge?“ Oder: „Was ist Dein Lieblingsteil in Deinem Kleiderschrank?“ Wenige Tage später erhält der Kunde zwei Outfits im Gesamtwert von etwas unter 1000 Euro, die er in Ruhe anprobieren kann.

Fast drei Jahre lang war dieses Geschäftsmodell hauptsächlich den relativ kleinen Berliner Start-ups Modomoto und Outfittery vorbehalten, die etwa zeitgleich starteten (siehe Tabelle) und anschließend ihre Umsätze jedes Jahr mindestens verdoppelten. 2013 kam der ebenfalls in der Hauptstadt ansässige Anbieter Kisura hinzu, der nach eigenen Angaben bereits 18 Monate nach der Gründung die Gewinnzone erreichte.

Doch inzwischen ist es mit der trauten Dreisamkeit vorbei: P&C Düsseldorf ist vor wenigen Tagen mit seinem Online-Ableger FashionID in das boomende Geschäft mit betreutem Mode-Shopping eingestiegen. Derzeit läuft sich das Konkurrenzangebot des milliardenschweren und börsennotierten Online-Modehändlers Zalando warm, der das Geschäftsfeld bereits seit Ende Februar mit dem Ableger Project Z testet.

Vorher gucken, was später kommt?

Der Markt für kuratiertes Einkaufen teilt sich derzeit grob in Anbieter für Männer- und Damenmode auf. Auf die traditionell Shopping-faulen Männer haben sich die beiden Curated Shopping-Pioniere Outfittery und Modomoto sowie deren Nachahmer 8 Select und Fashion ID spezialisiert. Kisura („zauberhaft schöne Frau“) und 3compliments trauten sich 2013 bzw. 2014 an die als schwierig geltende Zielgruppe der Frauen heran. Schwierig insofern, als man weiblichen Käufern nachsagt, dass sie sich in Sachen Mode kaum etwas sagen lassen, es sei denn der Ratschlag kommt von der besten Freundin. Auch Zalando lässt diese Handelsweisheit kalt. Die Berliner bieten den Service gleichermaßen Frauen und Männern an. „Curated Shopping für Frauen ist zwar deutlich komplizierter. Aber mit der Breite des Sortiments haben wir auch deutlich mehr Auswahlmöglichkeiten, wenn es darum geht, Frauen zu beraten“, sagt Project Z-Chef Ivo Scherkamp.

Was kann man tragen? (Grafik: etailment)
Was kann man tragen? (Grafik: etailment)

Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist die Art, wie die Curated Shopping-Anbieter ihre sogenannte Stylisten beschäftigen. Während etwa Outfittery, Modomoto und Kisura ausschließlich auf festangestellte Berater setzen, hat sich Zalando für ein bundesweites Netz an freien Mitarbeitern entschieden. Der Hauptgrund: Ein perspektivisch sehr großer Pool an Stylisten ermöglicht zum einen die Spezialisierung auf verschiedene Styles. Zum anderen bringen „unsere Stylisten bringen auch eine geografische Expertise ein. Ein Kunde, der ein Outfit fürs Oktoberfest sucht, kann auf die Beratung eines bayerischen Stylisten vertrauen“, erklärt Scherkamp.

Mein Stylist? Dein Stylist?

Kisura-Gründerin Tanja Bogumil kann sich die Zusammenarbeit mit Freiberuflern in der nächsten Wachstumsphase vorstellen. Die technischen Voraussetzungen seien bereits geschaffen worden. In der Startphase sei das Outsourcing der Styling-Kompetenz jedoch keine Option gewesen: „Wir haben auf ein Kernteam aus festangestellten Stylisten gesetzt, um die interne Expertise zu fördern. Gerade durch den engen und direkten Austausch zwischen unseren Modeberatern konnten wir unseren Service schnell auf die Wünsche unserer Zielgruppe ausrichten.“ Im wahrsten Sinne Ansichtssache ist die Art, wie dem Kunden die ausgewählten Produkte präsentiert werden. Zalando, 8Select und FashionID zeigen die Outfits schon vor dem Versand im Kundenkonto.

„Mit dem Zwischenschritt Virtueller Showroom erreichen wir nachhaltig geringere Retourenquoten als normale Händler im gleichen Segment“, erklärt 8Select-Gründer Mathias Stiefel. Modomoto und Outfittery setzen dagegen auf den Überraschungseffekt und schicken die Ware direkt zu. „Man öffnet die Box wie ein Geschenk“, erklärt Modomoto-Gründerin Corinna Powalla. Viele Kunden hätten berichtet, dass sie das ausgewählte Teil wahrscheinlich nicht gekauft hätten, wenn sie es zuvor online gesehen hätten. „Die Haptik ist entscheidend. Außerdem können Online-Fotos verfälschen“, ergänzt Mitgründer Andreas Fischer. Der Preis sei aber eine Retourenquote, die über dem Branchenschnitt von 50 Prozent
liegen.

Und was ist mit Discount?

Schnäppchenjäger dürften an Outfittery und Modomoto wenig Freude haben. Schließlich gibt es bei ihnen keine Sale-Aktionen. FashionID und Zalando wollen dagegen die Rabatte aus ihrem normalen Online-Angebot im Curated Shopping widerspiegeln. 3compliments bietet Rabatte von Partner-Shops an. 8Select arbeitet mit der Second-Hand-Plattform Buddy&Selly zusammen. Darüber hinaus auch mit Zalando und FashionID. „Wir verstehen uns als Bindeglied zwischen Online-Händlern und Kunden“, erklärt Stiefel.

Über Curated Shopping berichtet die TextilWirtschaft in ihrer aktuellen Ausgabe
Über Curated Shopping berichtet die TextilWirtschaft in ihrer aktuellen Ausgabe
Aber wie reagieren die Curated Shopping-Vorreiter auf die beiden finanzstarken Konkurrenten? Offiziell geben sich Outfittery, Modomoto und Kisura gelassen und betonen, dass ihr Geschäftsmodell quasi geadelt wurde. Die Werbung der beiden großen Player für ihre Curated Shopping-Angebote komme allen Anbietern zugute. Stichwort: Gattungsmarketing. „Der Verdrängungswettbewerb wird nicht zwischen den wenigen Spezialisten ausgetragen, sondern vielmehr zulasten des gesamten Einzelhandels gehen“, prophezeit Modomoto-Geschäftsführerin Corinna Powalla.

Marcus Diekmann, Geschäftsführer der E-Commerce-Agentur Shopmacher, warnt dagegen vor Passivität. „Modomoto und Outfittery sind zwei tolle Geschäftsmodelle, die sich aber jetzt über die Grundidee hinaus weiter entwickeln müssen – und hier agieren die beiden zu langsam.“ Ratsam sei eine Ausweitung des Sortiments, um mit Zalando & Co mithalten zu können.

Bert Rösch berichtet für die Fachzeitschrift TextilWirtschaft über E-Commerce, Logistik und IT in der Modebranche. Sie erscheint, ebenso wie etailment, in der dfv Mediengruppe

Mitarbeit: Janine Damm