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CO2-Emissionen: Der total vernetzte Verkehr

Foto: Matthias Strauß/ dpa

CO2-Emissionen Computer, übernehmen Sie!

Wenn Maschinen das Sagen hätten, ließen sich bis zu 40 Prozent der CO2-Emissionen im Straßenverkehr einsparen.

Die meisten Lastwagenfahrer kennen einen wirkungsvollen Trick, um Sprit zu sparen. Sie pirschen sich bis auf wenige Meter an einen anderen Lkw heran und bleiben einen Großteil der Fahrt in seinem Windschatten. Ganze Kolonnen schieben sich so über die Autobahnen. Ein unachtsamer Moment - und, rums, kommt es zur Massenkarambolage.

Ein Albtraumszenario für Polizei und Rettungshelfer. Wer auf der Autobahn nicht den erforderlichen Sicherheitsabstand einhält, kann deshalb schnell den Führerschein verlieren. Für Umweltschützer und Verkehrsforscher allerdings hat das Kolonnenfahren, auch Platooning genannt, durchaus seine Faszination. Denn ließe sich das Unfallrisiko minimieren oder gar ausschalten, könnte man ganz legal jede Menge Kraftstoff einsparen.

Eines der größten EU-Projekte in diesem Bereich heißt "Sartre". Drei Jahre lang beschäftigten sich Forscher verschiedener Unternehmen und Institute mit den Vorzügen des Platooning. Zwei bis fünf Fahrzeuge fuhren dafür auf Teststrecken und Autobahnen in Schweden und Spanien in Kolonne: vorneweg ein Lkw, dessen Fahrer den gesamten Trupp steuerte, die restlichen Fahrzeuge folgten seinen Befehlen. Hinter den Lenkrädern saßen zwar Menschen, die die Technik überwachten, ansonsten lief aber alles automatisiert ab.

Die Fahrzeuge beschleunigten und bremsten wie von Geisterhand, hielten den Abstand - je nach Testfahrt zwischen 3 und 15 Metern - und tauschten fortwährend Daten über Richtung, Beschleunigung oder Geschwindigkeit aus. Jedes einzelne Fahrzeug war mit Sensoren ausgestattet, die verhinderten, dass es einen Auffahrunfall gab.

Die Testläufe mit einer Geschwindigkeit von 85 Kilometern pro Stunde verliefen nicht nur crashfrei, sie belegten außerdem: Je nach Witterungsverhältnis und Abstand zwischen den Fahrzeugen lassen sich durch Kolonnenfahrten bis zu 15 Prozent Sprit einsparen.

Aus SPIEGEL WISSEN 4/2014

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Nie wieder Unfälle, stockender Verkehr und unnötige Abgase

"Sartre" ist nur eines von vielen Projekten, die den Straßenverkehr umweltfreundlicher und effektiver machen sollen. Einige befassen sich mit Platooning, andere erforschen, welche Vorteile es hätte, wenn die Autos nicht nur untereinander kommunizierten, sondern zusätzlich auch mit den Verkehrsleitsystemen. Car-to-I-Kommunikation wird dieser Austausch zwischen Fahrzeug und Infrastruktur genannt, der Gegenstand intensiver Forschung ist. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) will dafür eigens ein "digitales Testfeld" auf der A¿9 einrichten. Der Abschnitt soll mit Technologie für Sensoren, Messeinrichtungen und Kommunikation ausgerüstet werden. Die Hoffnung: nie wieder Unfälle, stockender Verkehr und unnötige Abgase, weder auf den Autobahnen noch in den Städten.

Mehr als 800.000 Kilometer Stau registrierte der ADAC im vergangenen Jahr auf deutschen Autobahnen. Schätzungsweise mehr als 15 Milliarden Liter Kraftstoff haben die stehenden Fahrzeuge verbraucht, damit sind mindestens 36 Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre entwichen.

Der Verkehrssektor ist für 23 Prozent der globalen Kohlendioxid-Emissionen verantwortlich, fast drei Viertel davon entfallen auf den Straßenverkehr. "Allein durch effizientere Motoren schaffen wir es nicht, den Anteil zu reduzieren", sagt Frank Köster, Professor am Institut für Verkehrssystemtechnik in Braunschweig, das zum Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gehört.

Das DLR-Institut liegt am Nordrand Braunschweigs, direkt neben dem Flughafen. Es ist ein riesiges Areal mit Teststrecken und einer Forschungskreuzung. Wichtig für die Arbeit der Wissenschaftler ist auch der dynamische Fahrsimulator am Institut. In einer Halle des Instituts steht das gelbe Gerüst, das so groß ist, dass problemlos ein Golf hineinpasst. Sobald ein Proband in dem roten Wagen Platz genommen hat, stemmt sich der gesamte Fahrsimulator auf seinen Metallstützen in die Höhe, neigt sich nach links oder rechts in vermeintliche Kurven. Je nach Versuchsdesign sieht die Testperson auf einer Leinwand eine Innenstadt vor sich - oder eine Autobahn, mit Wiesen und Sträuchern neben dem Seitenstreifen.

Köster kann so erforschen, wie Menschen auf verschiedene Assistenz- und Automatisierungsfunktionen im Fahrzeug reagieren oder wie lange ihre Reaktionszeit ist, wenn sie in einem selbst fahrenden Pkw wieder die Kontrolle übernehmen sollen. "Wir brauchen ein exaktes Verständnis dieser Dinge, damit selbst fahrende Autos tatsächlich irgendwann einmal zur Marktreife gelangen können", sagt der Professor.

Das DLR ist an mehreren länderübergreifenden Projekten zum Thema Automatisierung beteiligt. Köster schätzt, dass man in bestimmten Verkehrssituationen zwischen 30 und 40 Prozent des derzeitigen Kraftstoffverbrauchs einsparen könnte, wenn Maschinen dort komplett das Regime übernehmen würden. Im Idealfall gäbe es dann keine Unfälle mehr durch menschliches Versagen, keiner würde unnötig Benzin verbrauchen, weil er eine falsche Autobahnausfahrt nimmt.

Bis die Hightech-Automobile Verkehrsalltag werden, wird es allerdings noch Jahre dauern. Bis dahin soll der Umwelt zumindest durch Teilautomatisierung geholfen werden.

Die Vision ist der "perfekte Fahrer"

Das bedeutet, dass die Fahrer zwar noch selbst die Kontrolle besitzen, aber Unterstützung von ihrem Bordcomputer bekommen. Moderne Pkw sind schon heute mit einer Vielzahl elektronischer Hilfen ausgestattet. Dazu zählen etwa Anwendungen, die den spritsparendsten Gang anzeigen, oder GPS-Empfänger, die personalisierte Routenempfehlungen in Echtzeit ermöglichen. "In intelligente Fahrzeuge eingebettet, haben solche unterstützenden Anwendungen ein großes Potenzial", sagt Köster.

Das europäische Forschungsprojekt Ecomove, an dem das DLR beteiligt ist, verspricht durch die Kombination verschiedener Fahrhilfen mit einem wirkungsvollen Verkehrsmanagement eine C02-Reduktion um 20 Prozent.

Die Vision ist der "perfekte Fahrer", der alles daransetzt, ökooptimiert unterwegs zu sein: Bevor er seine Reise antritt, kalkuliert ein Computer die günstigste Route für ihn. Das ist nicht zwangsläufig die schnellste Variante, sondern die energieeffizienteste. Während der Fahrt überprüft das System fortwährend, ob eine Streckenänderung nötig ist, weil der Verkehr stockt oder plötzliches Glatteis die Straße überzieht.

Das Auto selbst ist mit Sensoren ausgestattet, die Daten über Position und Geschwindigkeit an eine Verkehrsmanagementzentrale senden. Alles ist anonymisiert, damit es keine Probleme mit dem Datenschutz gibt. Die aktuellen Informationen sollen es der Zentrale ermöglichen, den Verkehr effizienter zu steuern.

Die Autos sind außerdem mit den Ampeln vernetzt, die Informationen darüber verbreiten, bei welcher Geschwindigkeit eine grüne Welle zu erwarten ist. Messfühler an den Fahrzeugen überprüfen den Reifendruck, der die Energieeffizienz beeinflussen kann, oder erkennen, dass der Fahrer das Fenster geöffnet hat, obwohl die Klimaanlage läuft. Die Wissenschaftler testeten ihre Ideen im Fahrsimulator, ebenso bei Feldversuchen in München oder Helmond (Niederlande).

Kooperatives Verkehrsmanagement ist auch das Thema der Forschungsinitiative Urban. 31 Partner aus Automobil- und Zulieferindustrie, Elektronik- und Softwarefirmen haben sich dafür mit einigen Städten zusammengeschlossen. 80 Millionen Euro beträgt das Budget.

Auch in diesem Projekt dreht sich viel um intelligente Ampeln und Kommunikation zwischen Fahrzeugen und der Infrastruktur. "Kreuzungen sind im urbanen Raum das Nadelöhr", sagt Holger Poppe von Volkswagen. "Hier werden die Emissionen ganz wesentlich festgelegt."

Der Traum vom klimafreundlicheren Verkehr ist schwer umsetzbar

Die Idee ist es deshalb auch hier, dass Auto und Ampel Kontakt miteinander aufnehmen können. Die Ampel soll dem Wagen einen Hinweis senden, wie lange es noch dauert, bis sie auf Grün umspringt. Der Fahrer kann so das Tempo verlangsamen und muss nicht abrupt abbremsen. Oder die Ampel weist das Auto schon von Weitem auf eine Rotphase hin. Kreuzungslotsen nennen die Forscher das.

Andersherum können die Autos aber auch Informationen an die Ampel zurücksenden, damit sie ihren Rhythmus verbessern kann. Voraussetzung dafür sei aber, "dass die Ampeln mit den Fahrzeugen endlich reden", sagt Konzernforscher Poppe. In Braunschweig gibt es zu Forschungszwecken bereits Dutzende schlauer Lichtanlagen.

Die Begeisterung für intelligente Verkehrsführung eint Forscher auf der ganzen Welt. Staatliche Aktionspläne und teuer geförderte Projekte gibt es deshalb in fast allen Industrienationen. Auf Teststrecken in den USA oder Schweden rollen selbst fahrende Autos von Jahr zu Jahr gekonnter über den Asphalt.

Viele Wissenschaftler ahnen jedoch, dass der globale Traum vom klimafreundlicheren Verkehr nur schwer umzusetzen sein wird. Denn nicht jeder möchte gern mit 85 Kilometern pro Stunde im Windschatten eines Lastwagens tuckern. Nicht alle Fahrer schätzen es, wenn ihnen eine Ampel vorgibt, wie schnell sie fahren sollen. Und auch die Vorstellung, die Kontrolle auf der Autobahn an eine Maschine abzugeben, macht nicht jedem ein gutes Gefühl.

"Am Ende wird alles davon abhängen, wie groß die Akzeptanz der Menschen für automatisiertes Fahren sein wird", sagt Adrian Zlocki, Experte für Fahrerassistenzsysteme an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen. Im Moment drehe sich alles um die Frage, was technisch möglich sei, sagt er. Die Diskussion darüber, was die Menschen wirklich wollen, hat aber noch gar nicht richtig begonnen.