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Autonom fahrende Lkw: Vertrauen in den Computer

Foto: Daimler

Autonom fahrende Lkw Laster ohne Lenker

Hände weg! Dieser Lkw fährt von allein. Weil im Schwerverkehr Effizienz und Sicherheit schwerer wiegen als die Freude am Fahren, sind Lastwagen prädestiniert fürs Reisen mit Autopilot. Daimler zeigte nun erstmals einen Prototypen.

Ein Trucker, der bei voller Fahrt in der Zeitung schmökert oder aufs Laptop blickt - solche Fotos veröffentlicht die Polizei immer wieder mal. Die Assoziationen: umgekippte Lastwagen, Massenkarambolagen, kilometerlange Staus. Schließlich gilt die Ablenkung am Steuer als eine der häufigsten Ursachen für Unfälle mit Lkw-Beteiligung.

Geht es nach der Fahrzeugindustrie, wird man abgelenkte Lkw-Fahrer künftig noch viel häufiger beobachten können - ohne, dass von ihnen ein Risiko ausgeht. Denn die Nutzfahrzeugbranche hat das autonome Fahren entdeckt. Nahezu alle Lkw-Hersteller beteiligen sich an entsprechenden Forschungsprojekten, autonome Laster dürften ein zentrales Thema der Nutzfahrzeug-IAA im September in Hannover werden.

Vier Vorteile des autonomen Fahrens speziell für den Güterfernverkehr gelten unter Nutzfahrzeugherstellern als unstrittig:

- Die Akzeptanz bei den Fahrern dürfte größer sein als bei Pkw, weil es im Lkw nicht um Fahrspaß geht und jede Entlastung am Arbeitsplatz willkommen ist.

- Die Akzeptanz der Fahrzeugbesitzer ist größer, weil ein autonomer Lkw sicherer und sparsamer unterwegs sein könnte. Unfallrisiko und Treibstoffverbrauch sinken, und womöglich kann der Fahrer, während der Autopilot steuert, andere Aufgaben erledigen oder länger passiv am Steuer sitzen.

- Die Akzeptanz in der Gesellschaft ist größer, weil autonome Lkw den Verkehrsfluss verbessern und das Staurisiko verkleinern könnten - ein wichtiges Argument angesichts des von der Bundesregierung erwarteten Anstieg des Lkw-Fernverkehrs von 80 Prozent bis 2025 in Deutschland.

- Zudem ist die Technik leichter beherrschbar, weil Lkw nicht so schnell fahren und meist auf Autobahnen oder Bundesstraßen unterwegs sind, wo die Verkehrssituationen weniger komplex ist als etwa im Stadtverkehr.

Die Idee, monotone Fahraufgaben vom Fahrer an die Technik zu delegieren, wurde in der Branche schon mehrfach aufgegriffen. Etwa in Form der "elektronischen Deichsel", die Fahrzeuge virtuell miteinander verkuppelt, so dass sie auf der Autobahn wie die Waggons eines Güterzugs hintereinander her rollen. Ohne Einbußen bei der Sicherheit würden die Abstände zwischen den Fahrzeugen geringer und die Straßen könnten mehr Lkw aufnehmen; die Fahrt würde außerdem gleichmäßiger. Und weil auch der Luftwiderstand sinkt, ginge auch noch der Verbrauch zurück. Zudem könnten sich alle eingekoppelten Fahrer - mit Ausnahme des Menschen im vordersten Wagen - je nach dem Grad der Automatisierung entspannt zurücklehnen oder gänzlich anderweitig beschäftigen.

Überwachter Kolonnenverkehr soll Sprit sparen

Das EU-Projekt "Sartre" hat auf bislang mehr als 10.000 Testkilometern gezeigt, wie effizient der automatisierte Kolonnen-Verkehr sein könnte. Und der Lkw-Hersteller Scania hat auf einer 500 Kilometer langen Fahrt mit "elektronischer Deichsel" zwischen Södertälje und Helsingborg einen Verbrauchsvorteil von bis zu zehn Prozent ermittelt. Dass dieses System noch nicht über den Pilotstatus hinaus kam, liegt vor allem an der noch mangelhaften Vernetzung der Lkw untereinander.

Dennoch denken manche Entwickler bereits weiter. Technologien wie Stereo-Kameras und Laserscanner sowie der Datenaustausch der Fahrzeuge untereinander und der Fahrzeuge mit der Infrastruktur eröffnen neue Möglichkeiten, die ein Führungsfahrzeug wie beim Sartre-Projekt überflüssig machen könnten. Und öffentlichkeitswirksame Pkw-Projekte wie die autonom fahrende Mercedes S-Klasse oder das Google-Auto bringen zusätzlichen Drive in das Thema. Die schwedische Lkw-Marke Scania präsentierte im vergangenen Herbst einen Prototypen, der im zähfließenden Verkehr bis Tempo 50 eigenständig bremst, beschleunigt und lenkt. Mercedes baut die Autonomie nun weiter aus. Der "Future Truck 2025" bewältigte auf der Autobahn A14 bei Magdeburg mit Hilfe des neuen Systems "Highway Pilot" einen 5,6 Kilometer langen Streckenabschnitt ganz ohne Zutun des Fahrers; "mit bis zu 80 km/h und bei realistischen Verkehrssituationen", wie Mercedes stolz verkündet.

Fahren Lkw in zehn Jahren autonom durch Europa?

Dieser elektronische Berufskraftfahrer, der nach dem Einfädeln auf die Autobahn auf Knopfdruck das Kommando übernimmt, hängt sich wahlweise virtuell an einen vorausfahrenden Lkw an oder hält - wenn die Strecke frei von anderen Lkw ist - selbständig Spur und Tempo. Diese Technik sei keine ferne Vision mehr, sondern ein "realistischer Ausblick auf den Fernverkehrslaster von Morgen", heißt es in Stuttgart und die Mercedes-Leute fügen an: "In zehn Jahren können Lkw auf den Autobahnen und Fernstraßen Europas autonom fahren."

Während der Computer das Kommando übernimmt, könnte der Fahrer dann die Beine ausstrecken und einfach mal gar nichts tun. Oder Zeitung lesen oder einen Film auf dem Laptop ansehen. Schrecken würden solche Szenen dann nicht mehr verbreiten.

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