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Ungewöhnlicher Millionär: Umzugsunternehmer Klaus Zapf ist tot

Foto: Horst Galuschka/ dpa

Zum Tod von Klaus Zapf Der rebellische Kapitalist

Er liebte Fleischwurst und Weißdorntee. Der Umzugsunternehmer Klaus Zapf war wohl der schrulligste Selfmade-Millionär Deutschlands - einer, der größten Spaß daran hatte, aus der Rolle zu fallen.

Wie würde heute ein Jurastudent reagieren, wenn ihm der Assistent des Professors sagte: "Mach was anderes, du hast andere Talente"? Möbelpacken zum Beispiel. Genau das ist Klaus Zapf passiert. In heutigen Jurafakultäten, durchformatiert und stromlinienförmig ausgerichtet, wäre das ein Affront, zumindest der Auslöser einer tiefen Sinnkrise. Möbelpacken! Für Klaus Zapf aber war es Beleg, dass er vielleicht tatsächlich die falsche Berufswahl getroffen hat. Seitdem verinnerlichte er den einfachen Satz: Mach immer das, was du kannst. "Ich konnte nicht viel, aber das, was ich konnte, habe ich gemacht." Und das war Möbelpacken.

Und gerade deshalb ist er Selfmade-Millionär geworden. Ach, allein das Wort hätte ihn zur Weißglut getrieben. Ihn, den Zottel mit Bierbauch und weißem Rauschebart, dem man in der U-Bahn womöglich ein paar Cent zugesteckt hätte, weil man ihn für bedürftig hielte.

Raus aus der Spießigkeit des Ländles

Anfang der Siebzigerjahre kam Zapf aus dem Kraichgau in Baden-Württemberg nach Berlin, um den Wehrdienst zu umgehen. Als er ankam, muss Zapf gemerkt haben, dass er nicht nur dem Wehrdienst ausgewichen ist, sondern auch der Enge, der Spießigkeit, dem Konformismus des damaligen Ländles. Zapf tauchte mit Wolllust ins linke Milieu des freien Teils der Stadt ein und gab sich all den Marotten hin, die man als ordentlicher Linker eben so hatte: Haare lang wachsen lassen, bechern, politisieren, Häuser besetzen. Rudi Dutschke zählte er zu seinen Freunden.

Doch es liegt in der Natur der Hausbesetzung, dass man häufiger mal umziehen muss. Und das organisierte Zapf mit einem verbeulten Ford-Transit. Ab 1975 prangte auf der Karre erstmals ein offizielles Firmenlogo: Zapf-Umzüge. Die auffällige Weltkugel darauf "borgte" er sich beim Berliner "Tagesspiegel", nur ersetzte er das Motto der Zeitung durch sein eigenes: "Mens agitat molem", der Geist bewegt die Masse, statt "rerum cognoscere causas", den Dingen auf den Grund gehen.

Mit dem Zuzug nach Berlin wuchs auch seine Firma, heute ist sie in 14 Städten Deutschlands niedergelassen und verspricht - ganz im Geist der Linken - niedrigste Preise, damit neben Maserati- auch Fahrradfahrer in den Genuss eines Packservice kommen. Der Alt-Linke arrangierte aber auch weite Teile des Umzugs der Regierung von Bonn nach Berlin. So viel Geschäft mit dem kapitalistisch organisierten Staat durfte dann doch sein - auch wenn er sich angeblich nur ein minimales Geschäftsführergehalt auszahlen ließ und lange Zeit Flaschen sammelte, deren Pfand er bei Netto gegen Lebensmittel einlöste.

Schrullig oder scharfsinnig? Gönnerhaft oder gierig?

Bei Zapf wusste man nie so genau, wie viel an seiner linken Persönlichkeit Inszenierung war und wie viel authentisch. Schrullig oder scharfsinnig? Gönnerhaft oder gierig? Egozentrisch oder einnehmend? Er selbst prahlte damit, dass seine Firma im Besitz der Belegschaft sei, doch die Belegschaft wusste davon offenbar nichts. Es kam zu Klagen und zu Korrekturen, irgendwann hieß es "im Teilbesitz" der Belegschaft. Doch auch das stimmte wohl nur in Zapfs Fantasie. Letztlich ist Zapf-Umzüge ein ganz normal agierender Wirtschaftsbetrieb wie jene, die er, als er sich weitgehend aus dem aktiven Berufsleben zurückzog, mit Leidenschaft verklagte. Mit seiner neuen Firma Pomoschnik Rabotajet GmbH ("der Helfer arbeitet") avancierte er zum Schrecken der Hauptversammlungen. Er kaufte Aktien von ThyssenKrupp oder Salzgitter, von der Allianz und Axa oder dem Springer-Konzern - nur um diese Unternehmen in juristische Scharmützel zu verstricken. "Ich verklage immer dann die Firmen, wenn die ihre Aktionäre verarschen."

Man muss es wohl so sagen: Zapf war ein zerrissener Mensch. Er wurde zur Medienfigur, die regelmäßig in Talkshows auftauchte, die in Klatschspalten abgehandelt wurde - spätestens als er eine Frau heiratete, die in der Zeitung annonciert hatte "Millionär gesucht".

Nonkonformist und Heimatloser

Er gefiel sich in der Rolle des Underdogs. Aber derselbe Zapf sagte auch, er habe keine Freunde, oft zitierte er Nietzsche: "Der Mensch ist mir eine zu unvollkommene Sache, Liebe zum Menschen würde mich umbringen." Einmal sagte er in schönem Badisch, Freiheit sei, nachts zum Kühlschrank zu gehen "ne Fleischwurst zu fressen, und keiner frägt: Warum? Was ist los? Was machst du da?" Solchen Fragen niemals ausgesetzt zu sein, sei "das größte Glück im Leben". Neben seiner Leidenschaft vielleicht, dem Weißdorntee. Den könne man vier-, fünfmal aufbrühen, und "da schmeckt schon die erste Charge nach Käsefüßen".

Auch wenn viele Zapf als Berliner Urgestein betrachten, ist er immer Badener geblieben. "Zuhause bin ich noch heute nicht in Berlin", sagte er erst vor Kurzem. Zuhause ist Eppingen. "Wenn ich geschäftlich Probleme hatte, habe ich geistig kurz einen Spaziergang gemacht in Richtung Adelshofen, und schon war ich wieder ganz cooool." Wie folgerichtig, dass Zapf nun nicht in Berlin starb, sondern in seinem Heimatort Eppingen. An einem Herzinfarkt. Das unstete Leben forderte wohl doch seinen Tribut.