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Demo in Donezk: "Es besteht Gefahr, dass unser Land zerfällt"

Foto: SPIEGEL ONLINE

Demonstration in der Ostukraine "Wir wollen, dass das Donezkbecken ukrainisch bleibt"

Sie haben Angst, dass ihr Land auseinanderbrechen könnte: In Donzek in der Ostukraine versammeln sich Tausende, um sich mit Kiew zu solidarisieren - bei einer Annäherung an Europa wären sie die Gewinner.

Maxim, 24, aus Donezk demonstriert am Donnerstagabend auf dem Siegesplatz der Stadt für die Einheit der Ukraine. "Ich will, dass das Donezkbecken ukrainisch bleibt", sagt der Philosophiestudent in bestem Englisch.

"Wir wollen eine vereinte Ukraine", sagt auch Wladimir, 40, ein Wirtschaftsprüfer aus Donezk. Seinen Sohn, erzählt er, habe er nach England ins Internat geschickt. "Ich hoffe, dass wir in der Ukraine auch einmal auf diesen Demokratiestand kommen. Es reicht mit der ewigen Korruption."

Es sind Welten, die die mehreren tausend Menschen vom Siegesplatz in Donezk von denjenigen trennen, die an den Checkpoints stehen oder in den besetzten Gebäuden die Stellung halten und sich von der neuen Regierung in Kiew lossagen wollen.

Im Durchschnitt sind die Demonstranten vom Siegesplatz gebildeter und wohlhabender als ihre Gegner. Vergleichsweise viele der Pro-Kiew-Demonstranten sprechen Englisch. Sie gehören zu den Gewinnern, wenn sich das Land nach Westen orientiert. Unter denjenigen auf der anderen Seite sind viele, die in den vergangenen Jahrzehnten zu Verlierern wurden, als der Bergbau und die Industrie von Donezk ihren Niedergang erlebten.

"Ich bin erleichtert zu sehen, dass viele so denken wie ich"

"Nur diejenigen, die noch niemals die Ukraine verlassen haben und den Lebensstandard in der EU gesehen haben, können sich einen Anschluss an Russland wünschen", sagen Elis und Alexander, ein Ehepaar um die 40, die ihren Nachnamen wie viele lieber nicht nennen wollen. Sie haben Angst vor möglichem Druck der prorussischen Kräfte. Menschen wie sie haben bisher meist lieber geschwiegen, während in ihren Städten einzelne Gebäude besetzt oder Straßenbarrikaden errichtet wurden.

"Ich bin sehr erleichtert zu sehen, dass viele so denken wie ich", sagt Anastasia, 23, Studentin aus Donezk. "Ich unterstütze weder unsere alte Regierung noch unsere neue. Aber ich glaube, dass es nur dann besser werden kann, wenn der Osten und Westen des Landes zusammenbleiben."

Viele Ostukrainer sind noch unentschlossen, was sie genau wollen. Daher lässt sich die Stimmung insgesamt schwer einschätzen. Vieles ist im Fluss - das Stimmungsbild kann sich schnell ändern, je nachdem, was noch passiert.

"Hier ist doch alles so korrupt"

Für den Bergarbeiter Wladimir, 52, und seine Ehefrau Nina, 47, steht außer Frage, was sie sich wünschen: Sie wollen, dass das Donezkbecken Teil der Ukraine bleibt. Manche auf dem Siegesplatz fordern mehr Autonomie für die Region. Doch das wollen Wladimir und Nina auf keinen Fall. Sie lehnen auch eine Volksabstimmung über diese Frage entschieden ab.

"Wenn das Donezkbecken mehr Autonomie bekommt, heißt das doch nur, dass wir de facto Russland unterstellt werden", sagt Wladimir. "Hier ist alles so korrupt, da kann man sich alles kaufen - auch Wahlergebnisse."

Seine Frau und er gehören zu denjenigen, die Ukrainisch, nicht Russisch als Muttersprache sprechen - eine Minderheit im Donezkbecken. "Alle reden nur über die Russischsprachigen, aber was wird denn aus uns, wenn Donezk sich von Kiew lossagt?", fragt Nina besorgt.

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