Die Reise von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in die Türkei und der Besuch eines Flüchtlingslagers in Gaziantep an der türkisch-syrischen Grenze wird von der Organisation Pro Asyl scharf kritisiert. Merkels "Lobhudelei" sei "unerträglich", sagte Geschäftsführer Günter Burkhardt. Die Türkeireise der Kanzlerin gaukele Humanität vor, "wir erleben aber den größten Angriff in der Geschichte der EU auf das Menschenrecht auf Asyl". 

Das EU-Türkei-Abkommen hebele das Recht auf Asyl aus, kritisierte Burkhardt. Er verwies auf das Schicksal von 13 afghanischen und kongolesischen Asylsuchenden, die nach ihrer Abschiebung in die Türkei in einem Haftlager interniert seien, wo ihnen der Kontakt zu Aktivisten und Rechtsvertretern verweigert werde.

Auch der stellvertretende FDP-Chef Wolfgang Kubicki warf Merkel Heuchelei vor. "Angela Merkel hat nicht ertragen können, dass 4.000 Menschen in Budapest auf dem Bahnhof gesessen haben, aber jetzt schauen wir zu, wie 12.000 Menschen in Idomeni unter menschenunwürdigen Bedingungen leben müssen und das interessiert uns nicht weiter", sagte Kubicki im Fernsehsender Phoenix.

Grünen-Politiker reagierten auf Twitter außerdem auf die Festnahme einer niederländischen Journalistin in der Türkei kurz nach Merkels Besuch. "Wer braucht schon Pressefreiheit. Hauptsache, der Deal funktioniert", twitterte Parteichef Cem Özdemir. Ähnlich äußerte sich der grüne Berliner Bundestagsabgeordnete Özcan Mutlu.

Özdemir warnte außerdem davor, die EU-Milliarden für die Flüchtlingshilfe einfach so an die Türkei zu überweisen. "Die entscheidende Frage ist, wer hier die Hand darauf hat. Denn die Türkei erhält ja nicht gerade großartige Noten bei der Bekämpfung von Korruption", sagte der Parteivorsitzende. Jetzt, wo Journalisten in der Türkei nicht mehr kritisch berichten könnten, sei auch niemand mehr da, der einen möglichen Missbrauch der Gelder aufdecken könne.

Die Kanzlerin hatte am Samstag ein Flüchtlingslager nahe der türkisch-syrischen Grenze besucht und die Anstrengungen Ankaras in der Flüchtlingskrise gewürdigt. Mit der Aufnahme von drei Millionen Menschen habe die Türkei "den allergrößten Beitrag" bei der Bewältigung des Flüchtlingsandrangs übernommen, sagte Merkel. Sie hob auch hervor, dass das Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei erste Erfolge zeige.

Das Abkommen mit dem Land sieht vor, dass die EU der Türkei für jeden aus Griechenland zurückgeschickten Syrer einen Syrer auf legalem Weg abnimmt. Seit der Deal in Kraft ist, wurden bisher 316 Menschen in die Türkei zurückgewiesen. Darunter waren zwei Syrer. Die meisten Abgeschobenen kamen aus Pakistan und Afghanistan. Bisher wäre die EU dem Abkommen zufolge also nur verpflichtet, zwei Syrer aus der Türkei aufzunehmen. Tatsächlich aber sind bereits 113 in europäische Staaten übergesiedelt: 54 nach Deutschland, 31 in die Niederlande, 17 nach Schweden und elf nach Finnland. Seit Inkrafttreten des EU-Türkei-Deals am 20. März ist außerdem die Zahl der ankommenden Flüchtlinge auf den griechischen Inseln laut Zahlen des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR kontinuierlich gesunken.