Die hohen Wachstumsraten von bis zu 40 Prozent machen die Online-Shopping-Clubs immer interessanter für Investoren und Mitbewerber. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Spanien, der Schweiz und den USA. Vorige Woche überschlugen sich die News über das Geschäftsmodell, das aus dem zeitlich limitierten Verkauf stark reduzierter Markenware an registrierte Mitglieder besteht. Der Markt ist gewaltig in Bewegung. Was geht da vor?


Zunächst übernahm der französische Shopping-Club-Pionier Vente-privee.com den spanischen Mitbewerber Privalia und die Mehrheit am Schweizer Shopping-Club Eboutic. Dann sickerte durch, dass der Betreiber des Münchner Shopping-Clubs Best Secret, das Modehandelsunternehmen Schustermann & Borenstein, zum Verkauf steht. Unbestätigten Medienberichten zufolge bereitet die Beteiligungsgesellschaft Ardian einen Versteigerungsprozess für den Verkauf des Mehrheitsanteils am Schnäppchenspezialisten S&B vor. Dieser hatte erst Anfang April alle Aktien der Swiss Shopping AG übernommen, die das Online-Outlet Fashion Friends und den Premium-Mode-Shop Stromberg.ch betreibt.

Die Übernahme dürfte mehrere hundert Millionen Euro kosten. Schließlich hatte der Finanzinvestors Axa Private Equity 2012 für zwei Drittel der S&B-Anteile dem Vernehmen nach 200 Mill. Euro gezahlt. Zudem erwirtschaftete der Modehändler S&B, der neben Best Secret zwei stationäre Designer-Outlets in München und eines in Wien betreibt, im Geschäftsjahr 2014 einen Umsatz in Höhe von fast 257 Mill. Euro und ein Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) von 34,72 Mill. Euro.

Übernahme-Euphorie auf dem Shopping-Club-Markt

Die neue Vente-privee-Töchter Privalia steigerte ihren Umsatz 2014 um 16,5 Prozent auf 415 Mill. Euro und zählt derzeit 28 Millionen Mitglieder in Spanien, Italien, Mexiko und Brasilien. Bis Ende 2015 gehörte auch das hessische Online-Outlet Dress-for-less zum Portfolio der Spanier. 2014 Vente-privee selbst erwirtschaftete im vergangenen Geschäftsjahr europaweit 2 Mrd. Euro und zählt derzeit rund 30 Millionen Mitglieder. In Deutschland sind es 1,6 Millionen. Der hiesige Umsatz bewegt sich dem Vernehmen nach im niedrigen dreistelligen Millionen-Euro-Bereich. Vente-privee hatte bereits im August vergangenen Jahres die Mehrheit am belgischen Mitbewerber Vente-exclusive.com erworben, der 2014 auf ein Umsatzvolumen von 90 Mill. Euro kam.

Die Übernahme-Euphorie auf dem Shopping-Club-Markt hat durchaus ihre Berechtigung. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst &Young (EY) bescheinigte der Branche vorige Woche ein großes Wachstumspotenzial. Basis war eine Befragung von 2207 Online-Shoppern in Deutschland. Demnach ist jeder fünfte Internetkäufer Mitglied bei einem oder mehreren Clubs. Die meisten Mitglieder gehören einer zahlungskräftigen, überwiegend weiblichen Kundengruppe (60 Prozent) an, die überdurchschnittlich oft online einkauft.

Im Detail: 46 Prozent der weiblichen Mitglieder verfügen im Schnitt über ein Netto-Haushaltseinkommen von über 2500 Euro. 58 Prozent haben einen Hochschulabschluss und 77 Prozent kaufen regelmäßig im Internet ein. Im Schnitt haben drei Viertel aller Club-Mitglieder im vergangenen Jahr in einem Shopping-Club eingekauft. In den vergangenen 30 Tagen waren es 28 Prozent, in den vergangenen sechs Monaten 33 Prozent.

Volumen des deutschen Shopping-Club-Marktes

Das Volumen des deutschen Shopping-Club-Marktes schätzt EY auf 780 Mill. Euro (2015). Das sind 22 Prozent mehr als 2014, als die Branche um 25 Prozent auf 640 Mill. Euro gewachsen war. Im Schnitt legte der Markt seit 2011 jährlich um 26 Prozent zu.

EY-Partner Florian Huber geht davon aus, dass sich das Wachstum in den kommenden Jahren weiter fortsetzt. Als Grund nennt er die starke Basis von Mitgliedern, die „laufende Umsätze generieren und über Mundpropaganda neue, kaufkräftige Kunden zum Beitreten überzeugen“.

Martin Groß-Albenhausen, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des E-Commerce-Verbands bevh, sieht noch Wachstumspotenzial in den Nischen. Als Beleg führt er die Otto Group-Limango Tochter an, die sich auf Familien spezialisiert hat und ihren Umsatz 2015 um 40 Prozent auf 129 Mill. Euro steigern konnte. „Der Markt hat ein gewisses Niveau erreicht. Jetzt muss man immer wieder mit neuen Konzepten kommen“, sagt der ausgewiesene Distanzhandelsexperte.

Wachstumspotenzial in den Nischen

Der deutsche Markt wird derzeit dominiert von sieben großen Clubs: Amazon Buy VIP, die Ebay-Tochter Brands4friends, die Zalando Lounge, Limango, Vente-privée, Best Secret sowie der Möbel- und Heimtextilien-Spezialist Westwing, der zu Rocket Internet gehört. Die Big Seven kamen laut EY 2015 zusammen auf 735 Mill. Euro.

Am bekanntesten ist die Amazon-Tochter BuyVIP, die laut EY-Studie jedem fünften Online-Shopper ein Begriff ist. Es folgen Brands4friends mit 17 Prozent, Zalando Lounge mit 16 Prozent und der auf Familien spezialisierte Club Limango mit 12 Prozent. Letzterer ist derzeit der einzige, der offen seine Deutschlandumsätze kommuniziert.

Die Erlöse der Zalando Lounge sind in Zalando-Bilanz für das Geschäftsjahr 2015 in dem Segment „Sonstige“ versteckt, das neben den stationären Outlets in Berlin und Frankfurt neuerdings auch die Plattform-Aktivitäten des Online-Modehändler umfasst. Darunter fallen Shopping-Apps wie Movmnt. Insgesamt wuchs der Geschäftsbereich 2015 um 41 Prozent auf 165,66 Mill. Euro, nach 117,4 Mill. Euro im Vorjahr (plus 42 Prozent). Zalando teilte auf Anfrage nur mit, dass das Club-Geschäft den „größten Anteil“ erwirtschafte habe. Doch da das Plattformgeschäft erst Ende 2015 auf niedrigem Niveau gestartet war, dürfte das Volumen im vergangenen noch sehr gering gewesen sein. Die Ebit-Marge des Segments „Sonstige“ sank um 2,7 Prozentpunkte auf 4,5 Prozent.

Die aktuellsten Zahlen des nach Mitgliedern (7 Millionen) größten deutschen Shopping-Club Brands4friends stammen aus dem Jahr 2013. Damals erhöhten sich die Erlöse um 41 Prozent auf 97 Prozent. Sollte das Berliner Unternehmen dieses Wachstumstempo in den vergangenen zwei Jahren beibehalten haben, dürften die Umsätze 2015 bei etwa 193 Mill. Euro gelegen haben.

Grafik: TextilWirtschaft
Grafik: TextilWirtschaft


Neue Player laufen sich warm

Eine neue Konkurrenz droht den deutschen Playern aus den USA. Unbestätigten Medienberichten zufolge will der neue Galeria Kaufhof-Eigner Hudson’s Bay Company (HBC) seinen Online-Shopping-Club Gilt schon bald nach Deutschland bringen. Die Kanadier hatten Gilt im Januar 2016 für umgerechnet rund 220 Mill. Euro. Das ist allerdings nur noch rund ein Viertel des Schätzwerts von Mitte 2011. Grund ist die Erosion des Geschäftsmodells in den USA, dessen Wachstum sich dem Marktforscher Ibis World zufolge in den vergangenen fünf Jahren deutlich verlangsamt hat, und zwar auf rund 17 Prozent nach über 70 Prozent in der Periode 2005 bis 2010.

Der Teleshopping-Sender QVC hat sich von dieser Entwicklung nicht beirren lassen und im August 2015 den auf junge Mütter spezialisierten Club Zulily für rund 2,16 Mrd. Euro übernommen. Dieser hatte 2014 rund 880 Mill. Euro erlöst.

Das die deutschen Online-Shopping-Club einen ähnlichen Abwärtstrend erleben wie die amerikanischen, ist eher unwahrscheinlich. Der Grund liegt in der umfassenden Diversifizierung des Geschäftsmodells. So erweiterten beispielsweise Limango und Brands4friends ihre Sortimente um etablierte ausländische Marken, die hierzulande noch relativ unbekannt sind. Hinzu kommen junge, aufstrebende Labels aus dem In- und Ausland.

Eine weitere beliebte Diversifizierungsmaßnahme besteht darin, die Restanten nicht nur während der zeitlich limitierten Verkaufsaktionen unter die Leute zu bringen, sondern auch in so genannten Outlet-Channels. Diese verkaufen so lange, wie die Ware vorrätig ist. Designerkooperationen runden das erweiterte Schnäppchen-Portfolio ab. So entwarf etwa Liu Jo für Vente-privee eine Kapsel-Kollektion. Brands4friends hat schon mit Nachwuchskreativen wie Malaike Raiss und Tim Labenda zusammengearbeitet.

Bert Rösch berichtet für die Fachzeitschrift TextilWirtschaft über E-Commerce, Logistik und IT in der Modebranche. Sie erscheint, ebenso wie etailment, in der dfv Mediengruppe.