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Hörnumer Odde: Der schwindende Süden

Foto: Carsten Rehder/ picture alliance / dpa

Landverlust Sylts Südspitze bricht ab

Sylt droht der Zerfall: Die Südspitze der Insel haben die Bewohner aufgegeben, sie steht offenbar kurz vor dem Abbruch. Schuld war ausgerechnet eine Schutzmaßnahme.

"Deutschland verliert ein Stück", trauert eine Niederländerin auf Twitter. "Man könnte heulen", schreibt ein anderer Nutzer. Deutschland schrumpft - ein kleines bisschen jedenfalls. Und der Teil, der schwindet, ist ausgesprochen prominent.

Vielleicht passiert es schon in den nächsten Tagen, denn derzeit rollen Sturmfluten gegen die Nordseeinseln. "Die Hörnum Odde ist tot", meldet  bereits Sylt TV. Der Sender berichtet  von einschneidenden Sandverlusten in dieser Woche.

Die Insel nimmt Abschied von ihrer schmalen Südspitze, der Hörnumer Odde, einem mit Gräsern bewachsenen Sandzipfel. 1972 hatte die Odde noch das Ausmaß von 151 Fußballfeldern, sie erstreckte sich über mehr als einen Quadratkilometer. Seitdem schrumpfte sie auf knapp ein Fünftel der Größe.

Im November räumte eine Sturmflut nochmals einen breiten Strandabschnitt auf gut 800 Metern Länge ab. Nun umfasst die Odde gerade noch gut 30 Fußballfelder.

Einst meterhohe Dünen wurden eingeebnet, die Küstenlinie liegt weit nach Nordosten verschoben. Wo früher weißer Sand lag, schwappt die Nordsee. Und in der Mitte der Odde klafft nun ein Riss.

Die Grafik zeigt das Ausmaß der von Pflanzen bewachsene Fläche des Sylter Südzipfels seit 1958

Die Grafik zeigt das Ausmaß der von Pflanzen bewachsene Fläche des Sylter Südzipfels seit 1958

Foto: SPIEGEL ONLINE

Dort hinterließ eine Sturmflut einen Wassergraben, er bildet vermutlich eine Sollbruchstelle: Entlang der Vertiefung dürfte eine der nächsten Fluten den äußersten Zipfel abtrennen, orakeln Naturkundler.

Eine seriöse Prognose der weiteren Entwicklung sei zwar nicht möglich, sagt Arfst Hinrichsen vom Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz. Klar sei jedoch, dass die Schrumpfung der Odde fortschreite: Ein weiterer Teil der Dünen werde wohl schon bald abgetragen.

Nur noch bei Niedrigwasser sollen Wanderer auf die Odde, mahnt die Schutzstation Wattenmeer. Bei Hochwasser drohten Überschwemmungen.

Außerdem sollten sie die ganze Odde umrunden, keine Abkürzungen durch die Dünen nehmen - der Sand würde sonst weiter eingeebnet. Der Umweg scheint machbar zu sein: Die Umrundung der Odde dauert nur noch rund eine Stunde, vor 30 Jahren war es noch doppelt so lange.

Todesurteil 1972

Das Todesurteil für die Odde war ausgerechnet eine Schutzmaßnahme: Als die Insulaner ihren Süden 1972 unter Naturschutz stellten, ihn also den Naturgewalten überließen, gaben sie ihn auf. Vor dem Untergang bewahren wollten sie ihre Siedlungen. Der Versuch ist teuer genug.

Jedes Jahr spülen und kippen die Sylter Abertausende Tonnen Sand vor ihre Westküste. Auch der Ort Hörnum im Süden wurde gesichert: Dort ließen Ende der Sechzigerjahre Lokalpolitiker Hunderte tonnenschwere Tetrapoden an den Strand legen, sie brechen die Brandung - unmittelbar nördlich der Odde.

Den Schutzwall für den Ort halten viele Sylter für den Todesstoß an der Odde. Die Zahlen scheinen ihnen recht zu geben: Seit Anfang der Siebzigerjahre hat sich der Landverlust im Süden erheblich beschleunigt. Offenbar läuft das Meer nun - abgelenkt von den Tetrapoden - stärker im Süden auf.

Die nördlichsten Dünen der Odde immerhin profitieren von den Tetrapoden, sie liegen hinter dem Schutzwall. "Insofern", sagt Küstenschützer Arfst Hinrichsen, "wird es auch künftig eine kleine Odde geben."

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