Fremdenhass im Netz: Das können Eltern JETZT tun

Internetsoziologe gibt besorgten Müttern und Vätern Tipps

Fremdenhass im Netz: Was Eltern jetzt tun können!

Es ist sehr wichtig, Kinder und Jugendliche für rassistische Inhalte zu sensibilisieren. Durch einen Perspektivwechsel könnten Eltern vermitteln, was für ein menschenfeindliches Bild dahintersteckt, raten Experten

Foto: Sergey Mostovoy - Fotolia
Von: Antje Raupach

Wer im Internet gegen fremdenfeindliche Hetze vorgehen will, ist oft machtlos. Wer bei Facebook die Hass-Beiträge meldet und um deren Löschung bittet, bekommt meist die gleiche (unbefriedigende) Antwort: Die Hetz-Kommentare würden nicht gegen die Gemeinschaftsstandards der Community verstoßen.

Ein großes Problem! Aus diesem Grund hat sich jetzt Justizminister Heiko Maas (48, SPD) in den Kampf gegen Online-Hetze eingeschaltet. Aber dennoch bleibt die Frage, was jetzt zu tun ist bzw. was man tun kann.

Experten mahnen: Jetzt sind Eltern gefordert, um ihren Nachwuchs zu schützen!

Wichtig: Eltern sollten ihre Kinder für rassistische Inhalte sensibilisieren. Durch einen Perspektivwechsel können Eltern vermitteln, was für ein menschenfeindliches Bild dahintersteckt: Sie können ihren Nachwuchs etwa fragen, was wäre, wenn sie flüchten müssten und sie niemand willkommen heißen würde.

Der Internetsoziologe Stephan Humer erklärt gegenüber BILD, was Eltern außerdem tun können, um ihre Kinder zu schützen:

Vorbild sein!

Stephan Humer: „Kinder orientieren sich im digitalen Raum an digitalkompetenten Personen, dass heißt sie wollen nicht zusammen mit den Eltern ‚mal gucken‘, sondern erwarten Lösungen. Wer sich selbst nicht für ausreichend kompetent hält, sollte zumindest einen Ansprechpartner kennen, der es ist – und auf diesen dann zurückgreifen, um Strategien gegen ‚Hasspostings‘ und den Einfluss auf Kinder zu besprechen.“

Schnell handeln!

Stephan Humer: „Klingt banal, ist aber ein sehr wichtiger Faktor! Wer zu lange wartet, lässt unter Umständen eine sehr negative Wirkung auf Kinder und Jugendliche zu. Kinder sollten stets das Gefühl haben, mit (digitalen) Problemen zu den Eltern kommen zu können. Von alleine wird der erlebte Hass nicht verschwinden – im Gegenteil: Extremisten sind im Internet sehr aktiv.“

Für Rückhalt sorgen!

Stephan Humer: „Die Meinungsvielfalt und auch der Hass im digitalen Raum können Menschen schnell irritieren, jüngere Menschen durchaus auch nachhaltig verstören. Man sollte also außerhalb der digitalen Sphäre für bedingungslosen Rückhalt sorgen, über Herausforderungen sprechen, gemeinsam Lösungen suchen, positive Beispiele bringen.

Früher ‚verdampften‘ Hassreden meist einfach am Stammtisch, das ist heute anders. Ein Beispiel: 100 Posts gegen Ausländer oder Flüchtlinge prägen den Kommentarbereich unter einem Artikel – ganz besonders dann, wenn 1000 positive Beiträge ungeschrieben bleiben. Und dass bestimmte Bereiche im Internet von Fremdenhassern bevölkert und inhaltlich dominiert werden können, ist kein neues Phänomen. Repräsentativität erreicht man in Diskussionsforen wohl nur höchst selten.“

Beweise sichern und Online-Anzeige stellen

Stephan Humer: „Keine Zeit verlieren! Wer Fremdenhass bei Facebook oder in anderen sozialen Netzwerken entdeckt, sollte nicht nur seinen Kindern zuliebe sofort tätig werden: Beweise sichern und Online-Anzeige stellen, dann diesbezüglich den Betreiber informieren (und den natürlich nur anzeigen, wenn er verantwortlich ist! Ansonsten ist der eigentliche Urheber das Ziel der Anzeige – nicht verwechseln!).“

Melden lassen sich fremdenfeindliche Beiträge außerdem unter www.jugendschutz.net.!

Wichtig: „Der Rechtsstaat funktioniert auch im Internet. Denn wenn das Posting vielleicht auch nicht durch Facebook oder einen anderen privaten Forenbetreiber gelöscht wird, so greift doch das Strafrecht gegenüber dem Urheber. Wenn man persönlich angefeindet wird oder von entsprechenden Postings betroffen ist! Idealerweise umgehend einen Medienanwalt (spezialisiert auf digitale Themen) einschalten.“

Für „Gegenrede“ sorgen!

Stephan Humer: „Wenn Eltern für Gegenrede sorgen, dann bedeutet das konkret, positive Erlebnisse bzw. Ergebnisse mit Flüchtlingen erzählen, Hilfsbereitschaft loben, Aktionen zur Unterstützung von Flüchtlingen propagieren. Oder anders gesagt: mit gutem Beispiel vorangehen! Auch zahlreiche kleine Aktionen – und sei es nur das Klicken eines „Gefällt mir“-Knopfes bei einem positiven Posting – haben entsprechende Auswirkungen.“

Niemals zu Aktionen aufrufen!

Stephan Humer: „Auf keinen Fall einen eigenen Pranger starten oder zu ‚Aktionen‘ aufrufen. Extremismus bekämpft man nicht mit Extremismus, sondern mit dem Rechtsstaat und einer starken Zivilgesellschaft! Ein Onlinepranger kann nicht nur schiefgehen und den Falschen treffen, sondern ist auch das völlig falsche Signal hinsichtlich der Lösung digitaler Probleme: es gibt leider gut dokumentierte Fälle von Beinahe-Lynchjustiz, ausgelöst durch entsprechende Bloßstellungen (der letztlich falschen Personen) und noch viel besser dokumentierte Fälle von Eskalationen bis hin zu Mordanschlägen gegen die Pranger-Ersteller. Zum Unterbrechen der Gewaltspirale ist der Staat da, nicht die empörte Masse. Auch im Internet.“

Keine Diskussionen mit Fremdenhassern starten

Stephan Humer: „‚Don´t feed the troll!‘ – so heißt es treffend im Netz. Das bedeutet sinngemäß: Niemals irgendwelche Diskussionen mit Fremdenhassern starten! Extremisten wollen nicht diskutieren und Erkenntnis gewinnen, sondern wirken! Die (digitalen) Medien sind ihre Bühne, es geht um Propaganda, Radikalisierung und Aktionen. Und man erkennt oftmals ja recht gut, ob ein Mensch berechtigte Sorgen hat oder schlicht hetzen will. Keine Toleranz für die Intoleranten!“

Hier finden besorgte Eltern weitere Ansprechpartner: www.internet-beschwerdestelle.de oder www.i-kiz.de

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