Algorithmische Timeline : Twitter sortiert seine Tweets neu
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Richtungsweisend: Das Twitter-Logo auf einem 3d-gedruckten Würfel Bild: Reuters
Kurz vor der Vorstellung seiner Geschäftszahlen führt der Mikrobloggingdienst die algorithmische Timeline ein, die Tweets nach Relevanz sortiert. Die Nutzer sind alles andere als begeistert.
Twitter rückt davon ab, die Nachrichten im Dienst chronologisch zu sortieren – wenn auch nicht vollständig.
Bereits am Wochenende sorgte ein Hashtag für Aufregung im Mikrobloggingdienst Twitter: #RIPTwitter. Sorge der Nutzer war, dass Twitter eine algorithmische Timeline einführen könnte, in der die Nachrichten nach dem vermuteten Interesse des Nutzers sortiert werden und nicht länger nach der Zeit.
Zurück ging die Aufregung auf einen Bericht des Portals „Buzzfeed“, das von einer möglichen Abkehr vom Grundprinzip der chronologischen Sortierung berichtete. Diese Sorge hatte durchaus ihre Berechtigung, wie eine Mitteilung von Twitter heute beweist: Die neue Timeline kommt. Allerdings ist sie für die Nutzer zunächst nicht verpflichtend, sondern kann optional in den Einstellungen ausgewählt werden.
„Kennt ihr das auch? Auf Twitter folgt ihr hunderten, wenn nicht gar tausenden Leuten und wenn ihr Twitter öffnet, habt ihr manchmal das Gefühl, die wichtigsten Tweets verpasst zu haben“, schreibt Twitter in dem Blogbeitrag an seine Nutzer. Eine algorithmische Sortierung bewirkt, dass ganz oben die Tweets angezeigt werden, die Twitter für besonders geeignet hält – wobei sich die Qualität der Tweets laut Algorithmus über die Anzahl von „Gefällt mir“-Angaben und Retweets definiert. Sobald der Nutzer auf „aktualisieren“ geht, werden die einlaufenden Tweets wieder in chronologischer Reihenfolge angezeigt. Doch der Algorithmus ist bei allen Nutzern zunächst voreingestellt.
Das Dementi des Twitter-Gründers Jack Dorsey klingt angesichts dieser neuen Information geradezu ironisch. Der Twitter-Chef hatte noch am Wochenende beteuert, Twitter plane nicht, die Timelines neu zu organisieren.
Twitter steht wacklig da
Das Netzwerk, das am späten Mittwochabend seine Geschäftszahlen veröffentlichen wird, steht nicht gut da. Die Aktie steckt tief im Kurskeller, schwarze Zahlen kennt das Unternehmen gar nicht - auch wenn der Dienst dank seiner Geldreserven noch jahrelange Verluste verkraften könnte. Während andere soziale Netzwerke wie Facebook und Instagram ihre Nutzerzahlen beinahe kontinuierlich ausbauen, stagniert Twitter.
Angesichts dieser Lage braucht Twitter-Mitgründer Jack Dorsey gute Ideen. Die bisherige sichtbare Bilanz seiner Chef-Aktivitäten ist übersichtlich: ein Stellenabbau, das zunächst nur in Amerika verfügbare Angebot „Moments“, bei dem Tweets zu aktuellen Ereignissen zusammengefasst werden, sowie die Ankündigung, einen Verzicht auf die Tweet-Obergrenze von 140 Zeichen zu testen.
Die Weiterentwicklung des Dienstes ist für Twitter jedoch eine Gratwanderung. Bereits die Ankündigung, dass künftig längere Nachrichten möglich sein könnten, sorgte für Häme im Netz. Nutzer fürchteten, Twitter werde immer mehr wie Facebook und biete schlussendlich keinen Mehrwert mehr.