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Nähe und Kontrolle Fluch oder Segen? Whatsapp, Facebook, Skype in Familien

Von Corinna Berghahn | 16.09.2015, 08:00 Uhr

Familiengruppen bei Whatsapp, Facebook-Freundschaft mit der Mama oder Videotelefonie über Skype: Das digitale Zeitalter hat auch die Kommunikation innerhalb von Familien grundlegend verändert. Ist das nun Fluch oder Segen?

Früher war nicht alles besser: Zog ein Familienmitglied in eine ferne Stadt oder gar ins Ausland, wurde es schwer, regelmäßig und bezahlbar in Kontakt zu bleiben. Schon das Ferngespräch kostete unfassbar viel Geld – und daher verabredeten sich nicht wenige mitten in der Nacht, um mit dem günstigeren „Mondscheintarif“ Kontakt herzustellen. Vom Sehen ganz zu schweigen: Satellitentelefone gab es höchstens in US-Kinofilmen, nicht in bundesdeutschen Haushalten. Wer weg war, war nicht zu sehen, schlecht am Telefon zu verstehen und schwierig zu erreichen. Überhaupt die Erreichbarkeit: Zu einer Jugend bis in die frühen 2000er gehörten Streits mit den Eltern über dauerblockierte Telefonverbindungen.

Das ist heute alles anders: Die Tochter weilt mit Familie im Ausland? Kein Problem, über das Internet wird telefoniert und geschaut. Hier sieht das Enkelkind dann auch zum ersten Mal seine Großeltern, sogar live und in Farbe. Zumeist finden derlei Videokonferenzen über den Microsoft-Dienst Skype oder sein Apple Pendant Facetime statt. „Diese Dienste sind eine tolle Möglichkeit, Nähe zu erzeugen, denn Kinder sehen so die entfernten Verwandten und lernen schon einmal ihre Mimik kennen. Genutzt werden sie von Familien vor allem dann, wenn die Kinder außer Haus sind – ob als Erwachsene oder in einem Austauschjahr“, erklärt die freie Medienpädagogin Susanne Häring.

Messenger-Apps wie Whatsapp

Alltäglicher ist jedoch der Gebrauch von Messenger-Apps wie Whatsapp: Der Sohn verspätet sich mit dem Zug? Per Smartphone kann er den Eltern Bescheid geben, sodass sie sich am Bahnhof nicht die Beine in den Bauch stehen müssen. Und dauerblockierte Telefone? Dank Smartphones und Computern sind Jugendliche inzwischen fast permanent mit Gleichaltrigen im kommunikativen Austausch und Kontakt, ohne dass sie noch das Telefon der Eltern benutzen müssen. (Weiterlesen: Diese Gefahren des Internets sollten Eltern kennen)

Doch nicht nur mit den Freunden: Bei Whatsapp lässt sich kinderleicht eine Gruppe erstellen, viele Familien nutzen dieses auch für Familiengruppen. Nie war es daher so einfach, dass Großeltern, Eltern und Kinder an einem Chat teilnehmen, Nachrichten austauschen und sich schnell Bilder zuschicken können. Selbst Aufforderungen wie „Räum Dein Zimmer auf“ erreichen nun auch die Kinder, die in Zeiten der Pubertät lieber ganz aus dem Blickfeld der Eltern entschwinden. Kurzum: Die digitale Kommunikation erschafft Nähe, erzeugt aber auch Kontrolle.

Besorgte Eltern versus Pubertier

Häring, die als freie Medienpädagogin diverse Kurse zu Verhalten in sozialen Netzwerken, Cybermobbing und Computerspielen gegeben hat, sieht das ähnlich: „Wenn sich beide Seiten auf die Nutzung moderner Kommunikationsmittel einlassen, ist es eine schöne Sache: Informationen können schnell geteilt, Emotionen per Bildchen dargestellt und Fotos zugeschickt werden.“ Die Welt – und Familie – rückt im besten Falle also zusammen.

Im weniger guten Fall können sich Kinder jedoch auch durch ihre Eltern kontrolliert fühlen: Bei Whatsapp ist es beispielsweise möglich zu sehen, wann ein Nutzer zuletzt online war und ob eine Nachricht gelesen wurde: „Warum hast Du nicht sofort auf meine Nachricht geantwortet? Ich sehe doch, dass Du sie gelesen hast“, ist so auch eine der häufigen Fragen, die besorgte Eltern an ihre Kinder richten.

Dass diese vielleicht just Chats mit ihren Freunden wichtiger finden, können Eltern nicht verstehen – sie haben kein Verständnis für die Prioritäten eines Pubertiers. „Eltern, die einen Hang zur Überfürsorge haben, verlangen oftmals, dass ihre Kinder für sie immer erreichbar sind, ansonsten aber die Hände vom Smartphone lassen sollen. Das ist paradox“, findet die Medienpädagogin. Daher appelliert sie an Verständnis und Gelassenheit auf beiden Seiten.

Unwissende Eltern und Kinder

Knackpunkt ist jedoch auch das Unwissen vieler Nutzer über die Hintergründe moderner Kommunikationswege: „Facebook ist für viele böse, Whatsapp jedoch praktisch. Doch Eltern realisieren genauso wenig wie ihre Kinder, dass Facebook, Whatsapp und Instagram ein und derselbe Konzern sind – und dass sie die Rechte an ihren bei vermeintlich nur in der privaten Chat-Gruppe gesendeten Bilder immer an diesen einen Konzern abtreten. Theoretisch könnte der mit den Bildern die Litfaßsäulen aller Länder plakatieren.“ Was Häring rät: „Die AGBs lesen. Und immer im Kopf behalten, dass Whatsapp, Facebook und Co. nicht kostenlos sind, sondern mit unseren Daten bezahlt werden.“ (Weiterlesen: Erst denken, dann posten oder teilen - Kommentar zu Kinderbildern im Internet)

Moderne Kommunikation: Für Familien bildet sie also Chance und Fluch zugleich, je nachdem, wie man sie nutzt und wie gut die Nutzer Bescheid wissen. Doch wer befürchtet, dass in Zukunft nur noch per Smartphone oder Computer „geredet“ wird, sei beruhigt: „Eine Kommunikation von Angesicht zu Angesicht bleibt trotzdem sehr wichtig: Nur hier sieht man die Mimik und hört die Tonlage seines Gegenübers, kann Ironie nutzen und kommt sich auch persönlich näher“, sagt Medienpädagogin Häring.

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