Ein Dorf sucht seine jüdische Geschichte

Bollendorf · Die Gemeinde Bollendorf feiert im kommenden Jahr ihr 1300-jähriges Bestehen. Die Vorbereitungen zu den Feierlichkeiten laufen. Dabei soll auch die jüdische Vergangenheit in den Blickpunkt gerückt werden.

 Frank Schmitt, Rolf Stump und Michael Weidert (von links) beim Ortstermin am jüdischen Friedhof Bollendorf. TV-Foto: Wilma Werle

Frank Schmitt, Rolf Stump und Michael Weidert (von links) beim Ortstermin am jüdischen Friedhof Bollendorf. TV-Foto: Wilma Werle

Foto: Wilma Werle (wiw) ("TV-Upload Werle"

Bollendorf. Bis zum zweiten Weltkrieg gab es in Bollendorf eine große jüdische Gemeinde mit über 100 Mitbürgern in knapp 20 Familien. Das bedeutet: Etwa jeder zehnte Bollendorfer war Jude. Mehr als die Hälfte von ihnen hat den Holocaust nicht überlebt. Die stattliche Synagoge wurde in der Reichspogromnacht dem Erdboden gleichgemacht. Außer einer Gedenkplatte bei der Kirche und dem verwaisten jüdischen Friedhof außerhalb des Ortes erinnert heute nichts mehr an die jüdische Vergangenheit von Bollendorf. Das soll sich ändern.
Auf Vorschlag des Arbeitskreises (AK) jüdische Geschichte hat der Gemeinderat einstimmig beschlossen, den Friedhof zu sanieren und den Künstler Gunter Demnig mit der Verlegung von Stolpersteinen vor den Häusern der einstigen jüdischen Mitbewohner zu beauftragen.
Zeichen von Selbstbewusstsein


"Wir werden es nicht gegen den Willen der heutigen Hauseigentümer tun", verspricht Ortsbürgermeister Rolf Stump. Der Arbeitskreis werde das Gespräch mit ihnen suchen.
Frank Schmitt, ebenfalls Mitglied im AK, sieht die Stärke dieser Aktion vor allem darin, "dass man zufällig auf die Vergangenheit hingewiesen wird, darüber stolpert". Weidert ist überzeugt: "Das Dorf kann nur gewinnen. Es geht nicht um eine Schuld-Kultur, 70 Jahre nach dem Krieg. Wenn wir hier hinkriegen, was es sonst nur in Städten gibt, zeugt das von Selbstbewusstsein."
Parallel zum Projekt Stolpersteine will die Gemeinde auch den ehemaligen jüdischen Friedhof sanieren. Das von einer Mauer umsäumte, etwa 400 Quadratmeter große Gelände ist von Gras und Fichten bewachsen, in der Mitte steht das Überbleibsel einer Säule aus der früheren Synagoge. Wäre nicht eine Inschrift daran angebracht, so wäre es nicht als Ruhestätte zu erkennen. Kein Grabstein ist zu sehen. Zumindest nicht dort. Dafür muss man vor die Mauer treten. Irgendwann nach dem Krieg, der genaue Zeitpunkt ist auch dem Bürgermeister unbekannt, wurden die Grabsteine zweckentfremdet und in die Außenmauer eingearbeitet. Stump sagt: "Wir werden die Mauer sanieren und die Grabsteine wieder auf den Friedhof stellen." wiw
Extra

Jeder kann sich finanziell beim Projekt Stolpersteine beteiligen und eine Patenschaft übernehmen. Die Kosten pro Stein liegen bei 120 Euro. Es können sich auch mehrere Personen eine Patenschaft teilen. Der Arbeitskreis jüdische Geschichte sammelt zudem Material über das Schicksal der jüdischen Mitbürger. Gesucht werden alte Fotografien der Synagoge. wiw

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