von Dirk Elsner

Als Kind der Sparkassenorganisation habe ich manchmal einen sorgenvollen Blick darauf, was in meiner früheren "Familie" so passiert. Daher interessierte mich besonders, was vergangene Woche zu lesen war über die Digitalisierungsstrategie der Sparkassenorganisation und die Ablösung eines für die Digitalisierung zuständigen Vorstandsmitglieds. In dem Beitrag "Digitaler Nachzügler - Im Netz der Sparkasse" mutmaßte das Handelsblatt, dass ein Vorstand seinen Platz räumen musste, weil man "bei der Digitalisierung eine Strategie vermisse" und "die 416 Sparkassen beim geplanten Internet-Zahlverfahren der deutschen Kreditwirtschaft "Paydirekt" hinterherhinken."

Leser meines Blogs erinnern sich daran, dass die Sparkassen auf dem Sparkassentag 2013 mit einer verbalen Digitalisierungsoffensive angetreten sind. Diese wurde damals Wochen vorher angekündigt und weckte hohe Erwartungen. "Zäsur im Sparkassenlager Fahrenschon läutet Web-2.0-Ära ein" war sogar auf der Titelseite der Börsen Zeitung zu lesen. Der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), Georg Fahrenschon, hat auf dem 10. Internationalen Retail-Bankentag den "größten kulturellen, technologischen und organisatorischen Wandel" in der Geschichte der Sparkasse angekündigt. "Die Weiterentwicklung der Sparkasse zur "Sparkasse 2.0″ werde den Sektor jahrelang beschäftigen," war dort zu lesen. Inhaltlich blieb Fahrenschon damals bankenüblich sehr unkonkret. Immerhin ließ er wissen, dass die Beratung deutlich technikbasierter erfolgen solle. Die technische Infrastruktur des Webs 2.0 (der 2.0-Begriff war übrigens 2013 schon out) solle dazu dienen, die Kommunikation zwischen den Menschen zu ermöglichen. Was das konkret bedeutet und wie man das umsetzen will, blieb offen.

Für die Veranstaltung wollte man sich auf der Höhe der Zeit präsentieren organisierte mit Livestream und Social Media Präsenz. Ob die Inhalte eines Sparkassentags den durchschnittlichen Social Media Nutzer interessierten, spielte damals keine Rolle. Aber bereits die Tagesordnung des Sparkassentags zeigte, dass man mehr auf Show als auf Inhalte setzte. Zwar hatte man mit Jeremy Rifkin ("Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft") einen prominenten Vordenker der neuen digitalen Welt eingeladen. Über konkrete Beschlüsse zu einem Aufbruch der Sparkassenorganisation in das digitale Zeitalter erfuhr man aber nichts.

Es ist freilich nicht so, dass in der Organisation seit damals nichts passiert ist. Einige der Aktivitäten lassen sich mit etwas gutem Willen dem Schlagwort Digitalisierung zuordnen. Dazu gehört etwa der Kauf von Payone, dem in Kiel sitzenden B2B-Anbieter für Online-Zahlungen. Laut einem Medienbericht sollen die Sparkassen bereits im vergangenen Jahr eine Zusammenarbeit mit Apple gesucht haben für die Einführung von Apple Pay in Deutschland. In diesem Jahr soll man sich in der Organisation auch Gedanken gemacht haben, in den Online-Bezahldienst Yapital zu investieren. Davon lässt man nun zwar die Finger, beteiligt sich dafür aber an PayDirekt, dem neuen Online-Bezahlverfahren deutscher Banken, über das selbst bisher ebenfalls zu wenig bekannt ist.

Auf PayDirekt sind die Sparkassen erst spät aufgesprungen. Der Sparkassenverlag, der innerhalb der Organisation für elektronische und Kartenbezahlsysteme zuständig ist, hat hier die technische und organisatorische Leitung übernommen und steht nun mit den Sparkassen und Landesbanken unter Umsetzungsdruck.

Darüber hinaus ist öffentlich wenig über Kooperationen der Organisation bekannt mit Unternehmen der Financial Technology (FinTech). Die Berliner Sparkasse kooperiert mit dem FinTech-Unternehmen Sumup und der im digitalen Geschäft sehr umtriebige S-Broker mit Wikifolio. Andere sprechen ja bereits vom digitalen Banking, wenn man eine Smarthone App anbietet. Hier findet man in den App-Stores der Smartphone-Anbieter mittlerweile eine Fülle dieser Miniprogramme, darunter so spannende Dinge wie einen Filialfinder oder einen "Sparkassen Kiosk". Daneben experimentiert die Organisation als Ergänzung zum stationären Angebot mit virtuellen Geschäftsstellen, die per Text- und Videochat auch zu ungewöhnlichen Zeiten erreichbar sein sollen.

Ja, es passiert etwas, mit der Betonung auf "etwas". In der Summe erscheinen Außenstehende diese und weitere Aktivitäten noch wie ein großer Flickenteppich, an denen der Verband mit den einflussreichen Regionalverbänden werkelt. Dazu kommen die großen technischen Dienstleister der Organisation, die Finanzinformatik und die dwp-Bank, die beide für die technische Abwicklung des Kerngeschäfts der Organisation stehen. Aus dieser Richtung hört man ebenfalls nur wenig über konkrete Digitalisierungsstrategie.

Ein großer Wurf ist also bisher nicht zu erkennen. Spricht man mit Mitarbeitern und Führungskräften aus der Organisation, dann spürt man darüber ein gewisses Unbehagen. Viele warten auf große Schritte in Richtung Digitalisierung. Die Herausforderung für die Sparkassenorganisation liegt dabei weniger in der Generierung der Ideen, als in einer sinnvollen Kanalisierung und in der Umsetzung. Das ist keine einfache Aufgabe, weil hier viele Kreise mitreden, aber offenbar niemand eine bestimme Vision offensiv genug vorantreibt. Daneben möchte man Fehler und versunkene Projektkosten vermeiden, was in dem agilen FinTech-Umfeld nahezu unmöglich sein dürfte. Das Motto lautet hier eher, viel probieren mit geringeren (Projekt-)Kosten.

Außerdem kommt es bei der Digitalisierung längst nicht allein darauf an, eine Online-Anwendung für eine Smartphone App zu adaptieren. Die Sparkassen stehen unter enormen Kostendruck, deren tiefen Wunden nun durch die Niedrigzinsphase freigelegt werden. Neben der Digitalisierung von Geschäftsbereichen im B2C und B2B liegen die Herausforderungen vor allem darin, die Prozesse industriell zu digitalisieren.

Die deutsche Finanzbranche ist ohnehin im Vergleich zu britischen, spanischen, französischen oder amerikanischen Banken eher zurückhaltend mit Blick auf die Digitalisierung ihrer Geschäfte und Prozesse. Die Sparkassenorganisation macht hier keine Ausnahme. Es wäre nicht überraschend, wenn hinter den Kulissen der Druck längst gestiegen ist. Der Austausch eines Vorstandsmitglieds beim DSGV dürfte ein Indiz dafür sein.

Dirk Elsner arbeitet als Unternehmensberater für die Innovecs GmbH.