Netzneutralität: Bund will Spezialdienste für autonome Autos - egal wozu

Wofür brauchen autonome Autos Spezialdienste mit höheren Bandbreiten? Das können Bundesregierung und EU-Kommission selbst nicht sagen - was sie aber nicht davon abhält, es weiter zu fordern.

Artikel veröffentlicht am ,
Einig in Sachen Netzneutralität: Bundeskanzlerin Merkel und EU-Digitalkommissar Oettinger.
Einig in Sachen Netzneutralität: Bundeskanzlerin Merkel und EU-Digitalkommissar Oettinger. (Bild: Arnd Wiegmann/Reuters)

Autonome Autos brauchen in Zukunft eine schnelle und priorisierte Internetverbindung - das behaupten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und EU-Digitalkommissar Günther Oettinger immer wieder. Dennoch können Bundesregierung und EU-Kommission auf Nachfrage von Golem.de keine konkreten Anwendungen für diesen Zweck nennen. Mobilfunkunternehmen sollen nach deren Ansicht trotzdem die Möglichkeit erhalten, Spezialdienste mit besonderen "Quantitäts- und Qualitätsanforderungen" für den autonomen Verkehr anzubieten. Dabei räumte die Bundesregierung selbst ein, dass automatisierte Fahrfunktionen und Fahrassistenzsysteme bislang keine Vernetzung voraussetzten, sondern auf Sensorik basierten.

Bei jeder sich bietenden Gelegenheit hat Merkel zuletzt darauf hingewiesen, dass autonome Autos eine besondere Internetverbindung mit großer Bandbreite benötigen, um sicher fahren zu können. "Wir werden ganz andere Bandbreiten als heute brauchen, wenn es auch um autonomes Fahren und um neue Dienstleistungen geht", sagte die CDU-Vorsitzende beispielsweise auf dem Evangelischen Kirchentag im Juni 2015 in Stuttgart. Im Einklang mit Oettinger erweckt die Kanzlerin den Eindruck, als seien hochautomatisierte Autos auf eine Internetverbindung angewiesen, derentwegen sogar die Netzneutralität geopfert werden sollte. Vor kurzem schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung dazu kritisch: "Oettingers Vorstellungen für eine 'Verkehrssicherheit in Echtzeit', bei denen der Fahrer über das Internet erfährt, 'dass von rechts jemand kommt', sind nicht von dieser Welt."

Spezialdienste für unbekannte Zwecke

Sowohl die Bundesregierung als auch die EU-Kommission blieben eine Antwort auf die Frage schuldig, welche konkreten Dienste diese "Verkehrssicherheit in Echtzeit" liefern sollen und dafür eine priorisierte Verbindung mit hoher Bandbreite im Auto benötigen. Stattdessen sagte eine Regierungssprecherin ausweichend: "Die Fortentwicklung des automatisierten Fahrens hin zum vernetzten Fahren ist ein komplexer Prozess und kann nur Schritt für Schritt erfolgen. Damit auch mögliche zukünftige Quantitäts- und Qualitätsanforderungen an Datenübertragung im Internet erfüllt werden können, setzt sich die Bundesregierung für ausbalancierte Regelungen zur Netzneutralität ein."

Die EU-Kommission geht davon aus, dass "Autos in Zukunft für verschiedene Zwecke und auf verschiedene Arten auf drahtlose Kommunikationstechnologien angewiesen sein werden, zum Beispiel für die Kommunikation zwischen Autos, zwischen Auto und Verkehrsinfrastrukturen, aber eben auch über Netzwerke mit größerer Reichweite, wie zum Beispiel öffentliche Mobilfunknetze". Die Kombination solcher Systeme sei "die Voraussetzung für einen zuverlässigen und belastbaren autonomen Straßenverkehr", sagte die Sprecherin Oettingers, Marlene Holzner.

Keine politischen Überlegungen

Sollte für diese Vernetzung eine garantierte Servicequalität erforderlich sein, "kann diese zukünftig auch von Mobilfunkunternehmen als 'specialised service' zur Verfügung gestellt werden". Die Kommissionssprecherin räumte aber ein, dass es in dieser Hinsicht derzeit "keine spezifischen politischen Überlegungen gibt". Aus diesem Grund würden im aktuellen Entwurf zur Telekommunikationsmarkt-Verordnung auch keine speziellen Anwendungen genannt, für die eine besondere Internetverbindung erforderlich sein soll. "Nachdem die Technologie in diesem Bereich so rasante Fortschritte macht, wäre eine solche Liste wahrscheinlich schon in kürzester Zeit obsolet", sagte die Sprecherin.

Allerdings ist fragwürdig, ob die Vernetzung von autonomen Autos über Mobilfunk tatsächlich für einen "zuverlässigen" Straßenverkehr erforderlich ist. Schon aus Sicherheitsgründen streben die Hersteller an, hochautomatisierte und autonome Funktionen von der Internetverbindung des Wagens strikt zu trennen. EU-Kommission und Bundesregierung können daher weiterhin nicht den Verdacht ausräumen, dass das Beispiel des autonomen Verkehrs nur vorgeschoben wird, um in der Öffentlichkeit für die angebliche Notwendigkeit von Spezialdiensten zu werben.

Bitte aktivieren Sie Javascript.
Oder nutzen Sie das Golem-pur-Angebot
und lesen Golem.de
  • ohne Werbung
  • mit ausgeschaltetem Javascript
  • mit RSS-Volltext-Feed


Atalanttore 03. Sep 2015

BMW-Fahrer mit ihrer ConnectedDrive-Kutsche haben damit wahrscheinlich kein Problem, aber...

Erich_G 02. Sep 2015

Fußgänger müssen dann aber auch alle vernetzt sein das es sich rentiert. Ansonsten können...

DebugErr 02. Sep 2015

Tja, der IT-dummen Merkel hat die Industrie halt weis gemacht, dass Autos über Internet...

JosefG 02. Sep 2015

Dazu ist aber keine große Bandbreite notwendig. (und schon gar nicht bevorzugt zum...



Aktuell auf der Startseite von Golem.de
Sport und Gesundheit
Massive Anwenderkritik am neuen Garmin Connect

Unübersichtlich, zu viele Klicks: Die neue Version von Garmin Connect kommt bei Nutzern auffällig schlecht an.

Sport und Gesundheit: Massive Anwenderkritik am neuen Garmin Connect
Artikel
  1. Opendesk vom Zendis ausprobiert: Ein Web-Desktop für die Verwaltung
    Opendesk vom Zendis ausprobiert
    Ein Web-Desktop für die Verwaltung

    Opendesk soll Open-Source-Software in die Behörden bringen, um sie unabhängiger von einzelnen Herstellern zu machen. Wie sieht diese digitale Souveränität aus?
    Von Markus Feilner

  2. Early Access: Erste Tests loben das Solo-Dev-Aufbauspiel Manor Lords
    Early Access
    Erste Tests loben das Solo-Dev-Aufbauspiel Manor Lords

    Meistgewünschtes Spiel auf Steam, programmiert von einem Entwickler: Das in Süddeutschland angesiedelte Manor Lords kommt in Tests gut an.

  3. iPhone: Kongo beschuldigt Apple der Nutzung von Konfliktmineralien
    iPhone
    Kongo beschuldigt Apple der Nutzung von Konfliktmineralien

    Der Kongo beschuldigt Apple, in seinen Produkten Mineralien zu verwenden, die in den vom Krieg gezeichneten östlichen Regionen des Landes illegal abgebaut werden.

Du willst dich mit Golem.de beruflich verändern oder weiterbilden?
Zum Stellenmarkt
Zur Akademie
Zum Coaching
  • Schnäppchen, Rabatte und Top-Angebote
    Die besten Deals des Tages
    Daily Deals • Gigabyte GeForce RTX 4070 Ti zum Tiefstpreis • MediaMarkt: Asus Gaming-Laptop 999€ statt 1.599€ • Anker USB-Ladegeräte -45% • OLED-TV von LG 54% günstiger • Gamesplanet Spring Sale [Werbung]
    •  /