Conrad Bloser, Shopwings
Conrad Bloser, Shopwings
Laziness as a Service“ nennen sie in den USA den Trend zu mehr Bequemlichkeit. Davon will auch Shopwings profitieren. Das Startup aus dem Rocket Internet-Kosmos macht den Lebensmittel-Onlinehandel mit Personal Shoppern, die für den Kunden zu Lidl und Edeka tigern, noch eine Idee einfacher. Wann sich das Geschäft im umsatztechnisch noch eher beschaulichen Markt des Lebensmittel-Onlinehandel lohnt, wollte etailment von Shopwings-Geschäftsführer Conrad Bloser wissen und erfuhr dabei einiges über Vertrauen und die schmackhaftere Sicht auf den Multichannel-Markt.

Der deutsche Lebensmittel-Onlinehandel ist noch sehr überschaubar. Kommt das Modell der Personal Shopper da nicht ein paar Jahre zu früh?

Conrad Bloser: Der Markt steckt sicherlich noch in den Kinderschuhen. Aber der deutsche Lebensmittel-Einzelhandel hat ein gewaltiges Volumen. Da machen schon ein paar Promille etwas her. Deshalb stören wir uns auch nicht an Wettbewerbern, sondern freuen uns darüber. Weil damit die Aufmerksamkeit insgesamt gestärkt wird.

Wie stellen Sie sich den Shopwings-Kunden vor?

Conrad Bloser: Die Kunden, die wir gewinnen, sind in der Regel Ersttäter. Wir erreichen ebenso den urbanen gestressten Kunden, als auch den Online-Kunden, dem es allein auf Bequemlichkeit ankommt. Die finden wir vor allem in Haushalten mit zwei oder mehr Personen. Prinzipiell spricht das Thema Lebensmittel aber jeden Kunden an.

Und wie halten Sie die Kunden dann?

Conrad Bloser:
Wichtig ist zunächst, dass die Kernaufgaben exzellent erledigt werden. Der Kunde soll sich positiv angesprochen werden, die Usability muss stimmen, der Einkauf muss Spaß machen. Auch der Personal Shopper muss dem Kunden einen unvergleichlichen Service bieten. Deshalb legen wir  unter anderem großen Wert auf die Interaktion zwischen Shopper und Kunde. Die Liefergeschwindigkeit ist selbstverständlich sehr relevant. Wir liefern ab zwei Stunden noch am gleichen Tag mit einem Lieferfenster von 60 Minuten. Damit machen wir Spontanität beim Lebensmitteleinkauf möglich.

"Jeder Kunde ist ein Multichannel-Kunde"

Wie können vertrauensbildende Maßnahmen im Verhältnis zum Personal Shopper aussehen?

Conrad Bloser:
Wir legen großen Wert auf die Auswahl und Schulung der Shopper, weil sie der einzige physische Kontakt zum Kunden sind. Die Shopper sind echte Persönlichkeiten und kommen aus allen Berufsgruppen. Natürlich kann der Kunde auch den Shopper nach jeder Bestellung bewerten. Daraus können wir auch insgesamt Verbesserungen bei Service ableiten.

Der Shopper mit dem Kunden auf Du und Du?

Conrad Bloser:
Unsere Shopper verstehen die Kundenbedürfnisse allein schon deshalb besser, weil sie selber Kunden sind. Und Sie lernen die Wünsche und Bedürfnisse ihre Kunden immer besser kennen. Sie sind keine „Maschinen“, die einfach einen Job erledigen, sondern wissen, welche individuellen Erwartungen Kunden an ihre Bestellung haben – beispielsweise wenn es um Ersatzartikel oder Frische geht. Zudem können Kunden bei der Bestellung auch spezielle Wünsche angeben.  
 
Gibt es im Handel keine Berührungsängste? Zum einen ist Tengelmann Ventures mit an Bord, zum anderen kaufen Shopwings-Kunden, so womöglich eine Sorge von Kaufleuten, dann nur noch gezielte Waren im Supermarkt. Schluss ist dann mit Impulskäufen an der Käsetheke. Das kann doch nicht jedem schmecken?

Conrad Bloser:
Man darf den Onlinekanal nicht losgelöst in seiner Wirtschaftlichkeit betrachten. Jeder Kunde ist ein Multichannel-Kunde. Die Wirtschaftlichkeit des Kunden wird über den Onlinekanal größer, weil in verschiedenen Kanälen Erträge erwirtschaftet werden. Der Kunde kauft ja nicht nur noch bei Shopwings. Sondern er wird auch weiter im Supermarkt einkaufen. Damit steigt der Gesamtumsatz des Supermarktes. Studien zeigen außerdem, dass Kunden die nur stationär einkaufen eine deutlich geringere Loyalität haben als Kunden die auch online einkaufen. Online stärkt also die Kundenbindung. Shopwings ist somit eine weitere Säule in diesem Multichannel-System. Man muss Shopwings zudem als einen Online-Marktplatz für den Lebensmittelhandel sehen. Und dieses Konzept hat sich ja in anderen Branchen längst etabliert. Wir machen also nicht weltbewegend neues. Im Grund übertragen wir nur Vertriebswege, die in anderen Segmenten längst erfolgreich sind, auf den Lebensmittelhandel.

Der Lebensmittelhandel braucht für solch eine Erkenntnis vielleicht länger als einem Startup lieb sein kann?

Conrad Bloser:
Die Diskussion wird sich eher beschleunigen, wenn Amazon mit einem eigenen Modell in den Markt eintritt. Dann können die bestehenden Handelsketten nicht mehr agieren, sondern müssen schnell reagieren. Wer sich nicht hetzen lassen will, der bringt sich daher  jetzt in Stellung und probiert auch neue Konzepte aus.   

Sehen Sie langfristig auch Chancen zu einer Kooperation mit Handelsketten, die – beispielsweise Rewe  - bereits eigene Lieferdienste schon recht breit installiert haben?  

Conrad Bloser:
Natürlich. Wir bieten ein anderes Angebot, eine andere Convenience, sprechen andere Kunden an, bieten einen weiteren Vertriebsweg. Die Annahme, das nur ein eigener Kanal und eine eigene Akquisestrategie bei allen Multichannel-Kunden von heute funktioniert, ist doch inzwischen überholt. Hinzu kommt doch, dass das Modell von Shopwings für den Handel kein Investitionsrisiko mit sich bringt, nicht nach einem eigenen Lagerkonzept verlangt und Flexibilität verschafft.

"Je mehr der Lebensmittel-Onlinehandel wächst, desto schneller rechnet sich das Konzept"

Das US-Vorbild Instacart hat bei Wholefoods in den USA Personal Shopper mit Sitzfleisch als eine Art „embedded Shopper“ in den Stores platziert, damit diese schneller an den Regalen sind. Ein nachahmenswertes Modell?

Conrad Bloser:
Das ist ein spannender Versuch. Da sind ja unterschiedliche Modelle denkbar. Der Shopper kann vom Dienstleister kommen. Aber ebenso ist denkbar, dass der Händler das Picking übernimmt, weil er sich perfekt im Laden auskennt, und der Shopper erledigt die Prüfung und Übergabe. Da wird man je nach Partner zu unterschiedlichen Lösungen kommen. 
  
Sie wollen in weitere Städte und Länder expandieren. Inwieweit ist Shopwings vor allem ein Modell für Ballungszentren?

Conrad Bloser:
Shopwings ist im Kern ein urbanes Modell. Wie klein oder groß die Stadt sein kann, in der Shopwings präsent ist, hängt auch vom weiteren Wachstum des Lebensmittel-Onlinehandels ab. Grundsätzlich gilt: Je höher die Nachfrage und desto etablierter der Markt, desto eher lassen sich auch in kleineren Städten die notwendigen Bestellungen generieren. Auf dem flachen Land wird sich das Modell wegen der Lieferzeit binnen zwei Stunden kaum realisieren lassen.

Womit sich die Frage nach den Kosten stellt. Mit 4,90 Euro pro Lieferung kommen Sie gegenwärtig nicht allzuweit?

Conrad Bloser:
Wir legen unseren Fokus gegenwärtig nicht auf Profitabilität. Wachstum steht derzeit im Mittelpunkt. Aber je mehr der Markt wächst, desto schneller rechnet sich das Konzept.

Trotzdem hat ein Test gerade gezeigt, dass die Preise bei Shopwings zuweilen ordentlich höher sind als im Laden. Auch ihre AGB erklären, dass die Preise der Waren von Shopwings festgelegt werden und man nicht an den Preis gebunden ist, den das ausgewählte Geschäft für die Ware erhebt. Wie passt das zusammen?

Conrad Bloser:
Bei unseren Produktpreisen handelt es sich um eine Mischkalkulation, so dass sich individuelle Produktpreise regelmäßig ändern können und von verschiedenen Einflussfaktoren abhängen (bsp. Angebote der Handelspartner). Bei manchen Produkten sind wir deswegen sogar günstiger als im Supermarkt, bei anderen haben wir den gleichen Preis und wiederrum andere verfügen über einen Preisaufschlag. Generell tun wir alles, um unseren Kunden möglichst attraktive Preise anzubieten, und dennoch unseren Shoppern eine faire Vergütung sicherzustellen.

Das negative Testergebnis resultiert darüber hinaus aus folgenden Gründen: Bei den getesteten Produkten handelt es sich teilweise um sogenannte Sonderangebote. Aktuell bilden wir Sonderangebote von Supermärkten noch nicht vollständig ab, insofern wurde hier auch eine besonders hohe Preisdifferenz festgestellt. Auf diesen Sachverhalt weisen wir in unseren FAQs deswegen deutlich hin. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, in Zukunft Kunden auch vermehrt Sonderangebote anbieten zu können.  Bei der Umrechnung von Kilo-Ware zu Stückware hängt zudem die Preisdifferenz von dem individuellen Produkt ab, da kein Gemüse/ Frucht dem anderen gleicht. Hier gehen wir auch von einem Mittelwert aus. Außerdem gab es  bei einigen Lidl-Produkten technische Fehler beim Preisupdate, die inzwischen wieder angepasst wurden.

Mit detaillierten Fragen zum Konzept können Sie Conrad Bloser beim Branchenkongress etailment 2.105 löchern. Er gehört zu den Referenten des Networking-Events in Frankfurt.