Im Europaparlament werden heute drei designierte Kommissare gehört, deren Nominierung besonders umstritten ist. Auf Kritik stößt vor allem der designierte Kommissar für Energie und Klima, der Spanier Miguel Arias Cañete. Er dürfte zu seinen Verbindungen zur Ölindustrie befragt werden.

Der Ungar Tibor Navracsics, der das Ressort Kultur, Bildung, Jugend und Bürgerschaft übernehmen soll, steht ebenfalls in der Kritik. Er hatte als Justizminister unter Victor Orbán die Einschränkung der Pressefreiheit in seinem Land mitverantwortet. Der konservative Brite Jonathan Hill, der die Finanzdienstleistungen kontrollieren soll, muss sich in Brüssel den Fragen der Abgeordneten des Wirtschaftsausschusses stellen.  

Energiekommissar Miguel Arias Cañete (Spanien):

Der konservative Spanier ist für den Posten des Klimaschutz- und Energiekommissars vorgesehen. Viele EU-Abgeordnete sind der Meinung, die beiden Ressorts würden besser von zwei verschiedenen Kommissaren betreut.

Cañete werden vor allem eine zu große Nähe zur Ölindustrie und somit ein Interessenkonflikt unterstellt. In einem offenen Brief an den künftigen Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker hatten die Grünen im Europaparlament vergangene Woche darauf hingewiesen. Zwar habe er vor einigen Tagen seine Anteile an den Firmen Petrolífera Ducar und Petrologis Canaris verkauft, doch dies reiche nicht aus, um den Verdacht auf Interessenkonflikte auszuräumen. Seine Frau, sein Sohn und sein Schwager seien weiterhin Anteilseigner oder Vorstandsmitglieder dieser Unternehmen.

Kritiker werfen dem Spanier zudem sexistische Äußerungen vor. Er sei durch "inakzeptables, sexistisches Verhalten" in die Schlagzeilen geraten, heißt es in dem Schreiben der Grünen. Ähnliche Vorwürfe hatten bereits Nichtregierungsorganisationen erhoben. Die spanische Presse zitierte beispielsweise eine Äußerung des früheren Landwirtschaftsministers, in der er von der "intellektuelle Überlegenheit" der Männer über Frauen sprach.

Bildungskommissar Tibor Navracsics (Ungarn)

In den vergangenen Jahren hatte sich die EU-Kommission harte Konflikte geliefert mit der Regierung des rechtskonservativen ungarischen Regierungschefs Viktor Orbán, in denen es besonders um die Medienfreiheit in dem osteuropäischen Land ging.

Ausgerechnet Orbáns Kandidat Navracsics soll nun Kommissar für Kultur, Bildung, Jugend und Bürgerschaft werden. Er ist Architekt mehrerer umstrittener Gesetze in Ungarn und Mitglied der rechtskonservativen Fidesz-Partei des Regierungschefs. Navracsics kann sich auf unangenehme Fragen in seiner Anhörung einstellen – andererseits würde eine Ablehnung von Navracsics dem EU-Kritiker Orbán neue Munition liefern.

Finanzkommissar Jonathan Hill (Großbritannien)

Großbritanniens Kandidat soll sich um den Finanzmarkt und die Bankenunion kümmern – obwohl die britische Regierung in den vergangenen Jahren stärkere europäische Regeln aus Angst um den Finanzplatz London verbissen bekämpft hat. 

Hill wird von manchen Abgeordneten zudem vorgeworfen, als Mitbegründer einer auch für Finanzunternehmen arbeitenden Beratungsfirma ein "Bankenlobbyist" zu sein. Offenbar um Kritik an der Berufung Hills zu entkräften, entschied Juncker jedoch, dass der Brite nicht für die Überwachung von Banker-Boni zuständig sein wird. Der Bereich wird dem Justizressort zugeschlagen.

Hill wurde bereits am Mittag befragt. Er versprach vor dem Europaparlament einen Einsatz für europäische Interessen. "Ja, ich will für die gemeinsamen europäischen Interessen arbeiten", sagte der amtierende Kommissar. Zudem machte er klar: "Und ich will, dass mein Land Teil einer Union bleibt mit 500 Millionen Menschen mit gemeinsamen Werten, die miteinander leben, miteinander arbeiten, miteinander handeln und gemeinsam globalen Herausforderungen gegenüberstehen." Bisher galt Hill als Europaskeptiker.

Andere umstrittene Kommissare

  • Karmenu Vella, designierter Kommissar für Umweltschutz, Meerespolitik und Fischerei. Der Vorwurf an Maltas sozialdemokratischen Ex-Minister: Er habe kaum Erfahrung in dem Bereich.
  • Pierre Moscovici, Sozialist aus Frankreich, soll Wirtschaft und Finanzen, Steuern und Zoll übernehmen. Allerdings bekam Frankreich auch mit ihm als Finanzminister sein Schuldenproblem nicht in den Griff.
  • Alenka Bratusek, Sozialliberale, Kommissions-Vizepräsidentin für die Energieunion. Kritik an ihr: Als abgewählte Ministerpräsidentin Sloweniens soll sie sich de facto selbst für das Brüsseler Amt gewählt haben.

Die 27 designierten neuen EU-Kommissare müssen sich einer Anhörung stellen, die nach derzeitiger Planung noch bis Dienstag nächster Woche dauern wird. Zwei Wochen später stimmt das Parlament über die gesamte Kommission ab. Nur wenn der Wahl aller Anwärter zugestimmt wird, kann die neue Kommission am 1. November ihren Dienst antreten. Noch zu Beginn der Woche, als die Anhörungen starteten, hatte Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) gesagt, es sei nicht ausgeschlossen, dass das Haus seine Zustimmung in manchen Fällen verweigere.