Ich dachte damals nicht weiter darüber nach, was ich tat – ich war jung und ein großer Gegner des Nationalsozialismus. Hinterher wusste man, dass man sein Leben riskierte.

Der Niederländer Peter Josef Snep, genannt Joop, war in drei Konzentrationslagern, weil er Juden bei der Flucht aus den besetzten Niederlanden geholfen hatte. Später tauchte er in Amsterdam unter. Dort lebt der 93-Jährige noch heute im Altersheim und erzählt seine Geschichte.

Mein Vater hat von Anfang an gesehen: Der Hitler ist ein Verbrecher. Er hat seinen Aufstieg geahnt. Bevor er meine deutsche Mutter kennenlernte, war mein Vater – ein Schreiner – jahrelang als Wandergeselle umhergezogen. Als in Bonn jede Woche die Rotfront und die SA gegeneinander kämpften, sagte er: Wir bleiben hier nicht länger. 1930 zog er mit uns zurück nach Holland.

Damals fingen die Leute an, Busreisen zu unternehmen, ins Rheinland oder in den Harz. Mein Vater meldete sich als Reiseführer bei einem Busunternehmen. Er kam dann oft mit zwei, drei Bussen an die deutsch-holländische Grenze, und weil man ihn dort schon kannte, hieß es nur: "Oh, Herr Snep. Weiterfahren."

Während seine Reisegäste im Kino oder im Schwimmbad waren, besuchte mein Vater oft Lieferanten von früher, meist jüdische. Wir wussten, wie die Juden in Deutschland behandelt wurden. 1938 war ja die Reichskristallnacht. Einige fragten meinen Vater: "Kannst du uns nicht helfen? Die lassen uns in Holland nicht rein." Also schrieb mein Vater 34 oder 35 Reiseteilnehmer auf seinen Zettel – und fuhr mit 40 zurück. Davon habe ich aber erst nach dem Krieg erfahren.

1940, als die Deutschen Holland besetzten, war das natürlich vorbei. Die erste Zeit haben sie uns noch in Ruhe gelassen, aber dann fingen sie an, Juden alles zu verbieten. Da kamen die alten Freunde wieder zu meinem Vater: "Du hast uns so gut geholfen – weißt du jetzt nicht auch eine Lösung?" Also besorgte er ihnen falsche Papiere und half ihnen, über einen Bauernhof nach Belgien und weiter in die Schweiz zu fliehen. Ab einem bestimmten Zeitpunkt hatte er so viel Arbeit, dass er mich fragte, ob ich ihm helfen würde. Und das habe ich gemacht.

"Am nächsten Tag haben sie mich und meinen Vater verhaftet"

Snep selbst ist gläubiger Katholik. Er lässt sich jeden Sonntag in die Kirche fahren. Als das Kirchengebäude seiner Gemeinde in den 1980er Jahren verkauft wurde, kämpfte er erfolgreich dafür, dort weiterhin die Messe feiern zu können.

Einmal war ein jüdischer Mann dabei, der sagte: "Ich habe die falschen Papiere nicht nötig, ich habe Freunde bei der holländischen Polizei. Die fahren mit zur Grenze und wenn Deutsche uns festhalten, dann sind wir einfach Häftlinge von den zwei Polizisten." Am nächsten Tag haben sie mich und meinen Vater verhaftet. Denn die zwei Polizisten waren nicht so gut, wie der Mann gedacht hatte.

Sie haben mich mit drei Mann zusammengeschlagen. Aber ich wusste so gut wie nichts und was ich wusste, sagte ich nicht. Sie fuhren mit mir ins Polizeibüro. Da haben mich drei andere zusammengeschlagen. Ich musste mich dann ein, zwei Tage in der Ecke im Polizeibüro an Stangen festgehalten, sitzen oder liegen konnte ich nicht mehr.

Ein oder zwei Tage später brachten sie mich zur Gestapo nach Amsterdam. Der Gestapochef fragte: "Mensch, was haben die holländischen Polizisten mit dir gemacht? Das ist doch nicht nötig." Ob ich etwas trinken wolle, oder eine Zigarette? "Du sprichst so gut Deutsch, du kannst doch für uns arbeiten." Nein! Und ich höre ihn noch sagen: "Abführen." Ohne einen Prozess gehabt zu haben, war ich dann ein paar Wochen lang im Gefängnis.