Es wird ein stoffreicher Winter

In New York wurden die neuen Kollektionen für Herbst/Winter 15/16 gezeigt. Die Designer rechnen mit Kälte und anhaltender Dunkelheit, der sie Glamour, Pelz und aufwendige Materialien entgegensetzen.

Jeroen van Rooijen
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Bei Alexander Wang ist der Look düster, fast martialisch, die Volumen reich an materieller Substanz, und auf Farbe verzichtete der derzeitige Lokalmatador gleich ganz. Wang zeigte nur schwarz. (Bild: Eric Thayer / Reuters)

Bei Alexander Wang ist der Look düster, fast martialisch, die Volumen reich an materieller Substanz, und auf Farbe verzichtete der derzeitige Lokalmatador gleich ganz. Wang zeigte nur schwarz. (Bild: Eric Thayer / Reuters)

Es war kalt in New York. Schon Wochen vor Beginn der Fashion-Week, die bis zum Donnerstagabend dauerte, hatte der Winter die Stadt in die Zange genommen. Der eisige Wind pfiff die ganzen acht Tage lang, welche die Fashion-Week heuer dauerte, durch die Schluchten von Manhattan. Temperaturen von bis zu 16 Grad minus waren die Regel – eine Herausforderung für die «fashion people», welche gerne auch im Winter ohne Strümpfe zu den Modenschauen stöckeln. Vor den Schaufenstern, in denen bereits die Frühlingskollektionen hingen, mochte auch lieber niemand zu lange verharren.

Warm, weich und wollig

Die Designer rechnen damit, dass die Kälte andauert. Oder dass sie kommenden Herbst wiederkehrt. Denn die Kollektionen für Herbst/Winter 15/16, die sie zeigten, waren warm, weich, wollig, verhüllend und von einem manchmal grimmigen Ernst geprägt. Als Sinnbild für diese Grundstimmung tat die Show von Alexander Wang gute Dienste: Der Look war düster, fast martialisch, die Volumen reich an materieller Substanz, und auf Farbe verzichtete der derzeitige Lokalmatador gleich ganz. Wang zeigte nur Schwarz – «meine Kunden lieben Schwarz, also gebe ich es ihnen», liess sich der Modemacher zitieren.

Es geht auch feiner, als es Alexander Wang vormachte. Man kann währschafte Wintersachen tragen, ohne gleich wie ein Krieger zu wirken, der nach Sibirien aufbricht. Victoria Beckham zeigte dazu etwa tolle Ideen. Das Ex-Spice-Girl, mittlerweile eine reife und geachtete Designerin, zeigte wunderbaren Strick, eine weiche Silhouette mit taktilen Stoffen und hoch zum Kinn hin abschliessenden Mantelkrägen, die sich direkt aus der Raglanlinie des Ärmels heraus entwickelten. Diese Kollektion kommt ohne Gimmicks und Showeffekte aus – und gehörte zu den besten der New Yorker Saison.

Subtiler Bruch

Der kommende Herbst wird von einer mysteriös-eleganten Grundstimmung geprägt sein. Neben Schwarz sieht man mindestens fünfzig Schattierungen von Grau, und ein tiefes Blutrot passt vorzüglich zu dieser Palette – siehe Proenza Schouler. Jason Wu schlägt ausserdem ein elegantes Militär-Oliv vor. Der drapierte, asymmetrische Rock wird wichtig – nicht selten ist er einseitig bis zur Mitte des Oberschenkels geschlitzt. Dazu trägt Frau einen dicken Pullover und Pelz, und zwar bevorzugt als Stola, die asymmetrisch von einer Schulter fallend über die Front gezogen und mit einem Gürtel über dem Mantel befestigt wird.

Es liegt eine neue, «korrekte» Angezogenheit in der Luft, die gut zur Ernsthaftigkeit der Saison passt, doch wird sie immer wieder subtil gebrochen, wie es Michael Kors gut gelang. Entscheidend hierfür sind weitere Schnitte – auch richtig weite Hosen! – sowie Materialien mit viel Charakter, etwa Bouclés. Für den Abend darf es auch Spitze sein, wie man sie bei Altuzarra sah. Noch lange nicht gezählt sind die Tage des langen, voluminösen Mantels. The Row hat ihn wieder populär gemacht, und auch für die kommende Saison gelingt es den Zwillingen Mary-Kate und Ashley Olsen, dieses Schlüsselteil zum neuen Look neu zu interpretieren.

Die mit am meisten Spannung erwartete Show der New Yorker Modewoche war sicher die von Oscar de la Renta, wo Peter Copping seine Premiere hatte. Copping, zuvor bei Nina Ricci im Sold, war von de la Renta im vergangenen Herbst als sein Nachfolger eingesetzt worden, hatte aber nicht mehr die Chance, vom Meister zu lernen, der nur zwei Wochen später verstarb. Die Kollektion knüpfte an vieles an, was Oscar de la Renta unverkennbar machte, sie war: elegant, geschliffen, harmonisch und ein wenig bourgeois, ohne altbacken zu wirken.