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Thüringen Die CDU versucht mit allen Mitteln, ihre Macht in Thüringen zu sichern und kann auf Unterstützung der AfD hoffen. Die Gefahr von Rechts wird dabei unterschätzt

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Bodo Ramelow: Die rote Gefahr?
Bodo Ramelow: Die rote Gefahr?

Bild: CHRISTOF STACHE/AFP/Getty Images

Es ist bemerkenswert, mit welchen Mitteln die CDU in Thüringen Bodo Ramelow als ersten Ministerpräsidenten der Linkspartei verhindern will. So warnten die Christdemokraten die ca. 2,2 Millionen Menschen in Thüringen vor Linksextremisten, die sich angeblich in der Linkspartei herumtreiben würden, und umgarnten die SPD während den Sondierungsgesprächen intensiv. Mitte November rief der stellvertretende Landesvorsitzende der CDU, Clarsen Ratz, gar zu einer Kundgebung auf einer Demonstration gegen eine rot-rot-grüne Regierung auf. Unterstützt wurde diese von rechten bis rechtsextremistischen Kräften.

Zuletzt bemühten die Christdemokraten rechtswissenschaftliche Kamellen, um eine verfassungsrechtliche Debatte in die Wege zu leiten, die klären sollte, wie viele Stimmen Ramelow in einem möglichen dritten Wahlgang zur Wahl des Ministerpräsidenten im Landtag benötigt. Kurioserweise wurde gerade die nun abgewählte Ministerpräsidenten Lieberknecht 2009 erst im dritten Wahlgang gewählt: Eine Stimme reichte damals aus, denn 2008 änderte das Bundesverfassungsericht die Regelungen im sogenannten "Mehrstimmenverfahren".

Undemokratische Verhältnisse

Für die CDU scheint es ganz allein um den Machterhalt in Thüringen zu gehen. Sie setzt alle Hebel in Bewegung, um eine rot-rot-grüne Regierung zu verhindern. Doch mit dieser kehrt der Sozialismus nicht zurück, sondern – ganz im Gegenteil – eine pragmatische sozialdemokratische Politik.

Die CDU jedoch beherrscht wie keine andere Partei die Kunst, Bürgerinnen und Bürger mit Ängsten zu beeinflussen – ganz besonders mit der Angst vor dem Sozialismus. Solche Kampagnen haben bei den Christdemokraten Tradition: 1953 warnten sie vor einer sozialdemokratischen Regierung mit dem Slogan "Alle Wege des Marxismus führen nach Moskau". 1994 hieß die Kampagne "Auf in die Zukunft, aber nicht auf roten Socken". Und im hessischen Wahlkampf 2008 sollten "Ypsilanti, Al-Wazir und die Kommunisten" gestoppt werden.

Dazu könnte die CDU nun die Rechtspopulisten der AfD mit ins Boot holen. Björn Höcke, Fraktionschef der AfD, umwirbt sie seit Wochen. So bekräftigte Höcke nachdrücklich, den Vorsitzenden der CDU-Fraktion im Landtag, Mike Mohring, zu unterstützen. Er könne mit allen elf Stimmen aus der AfD-Fraktion rechnen, so Höcke. Außerdem sei Mohring ein profilierter Konservativer, der die Nähe zur AfD sucht. Steht nun die CDU vor einer Richtungsentscheidung, wie die "Zeit" in ihrer aktuellen Ausgabe behauptet? Nein, das tut sie nicht. Es geht ihr nach wie vor nur um den Machterhalt. Ob sie dabei mit Sozialdemokraten, Grünen oder Rechtspopulisten ins Bett steigt, spielt augenscheinlich keine Rolle mehr. Seit Angela Merkel ihre konservativen Konrahenten peu à peu abbügelte und in ihrer Regierungszeit sämtliche Themen aus dem Mitte-Links-Spektrum übernahm, versucht sie für eine Alternativlosigkeit in der Parteienlandschaft zu sorgen.

Dafür benötigt sie nun in Thüringen die Alternative für Deutschland, eine Partei in der es von Reaktionären und Deutschnationalen zu wimmeln scheint. So würde die CDU auch wieder einen Teil des rechten Spektrums abstecken, jedoch auf Kosten der Demokratie. Wenn die CDU, die sich immer als Hüterin eben dieser wähnt, eine legitime rot-rot-grüne Regierung nicht akzeptieren kann, was würde passieren, wenn es zu solchen Verhältnissen auf Bundesebene kommt? Würde die CDU Massenproteste im ganzen Land organsieren? Was auch immer geschehen würde, es dürfte bezeichnend für die aktuelle politische Situation in Deutschland sein.

Die Gefahr kommt von Rechts

Wenn man in Betracht zieht, wie latent rassistisch nach aktuellen Studien die Mitte Deutschlands ist – ganz besonders die Anhänger der AfD – so muss nicht wundern, dass es bei einer bevorstehenden Annäherung von CDU und AfD nicht zu einem Aufschrei kommt. Stattdessen warnt man vor einem Linksbündnis, das sozialdemokratische Politik betreiben möchte. Eine Partei, die gerne mal gegen Unterpriviligierte und Migranten hetzt, scheint dagegen wenig besorgniserregend zu sein.

Eine angebliche Gefahr von Links ist absurd. Denn eine CDU-geführte Regierung setzt linke Themen wie den Mindestlohn um, zusammen mit der FDP hat die CDU gar den Atomausstieg beschlossen. Die Partei ist so besessen von ihren Machtansprüchen, dass sie droht, auf dem rechten Auge zu erblinden. Doch gerade von dort droht Ungemach, gespeist durch die in der Bevölkerung geschürten Ängste.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Stefan Simon

Journalist in Süd-Ost-Niedersachsen, kommt aber eigentlich aus Süd-Hessen. Schreibt jetzt wöchentlich über politische und gesellschaftliche Themen.

Stefan Simon